Jugendzentrum
Okt 302002
 

Jugend forscht im Rathaussumpf

Teens ergreifen Eigeninitiative für Jugendzentren

(iz) Altenheime, Pflegeeinrichtungen und Sanitätshäuser sprießen in unserer alternden Stadt aus dem Boden, um gut 24.000 Einwohner zu versorgen, die 60 Jahre und älter sind. Für die vergleichsweise wenigen Jugendlichen ist das Wohlfühl-Angebot eher knapp. Einige von ihnen nehmen jetzt die Sache selbst in die Hand.

Knapp 7000 WilhelmshavenerInnen sind zwischen 10 und 17 Jahren alt. Sie brauchen und suchen ihre eigene Freizeitgestaltung, was bedeutet, vor allem mit Gleichaltrigen zusammen zu sein. Bevorzugt an einem vertrauten Ort, den sie selbst gestalten und wo sie nicht unter überzogener Kontrolle stehen.
Der Kiosk um die Ecke oder die Parkbank im Brommygrün ist nicht unbedingt der Treffpunkt ihrer Träume. Ein wetterunabhängiges Jugendzentrum mit Tischen, Kicker und anderen Spielmöglichkeiten, Getränkeangebot, möglichst viel Freiheit und etwas Aufsicht zum Anleiten und Schlichten entspricht eher ihrer Vorstellung. So in etwa schilderten uns Sarah, Kristina und Stefanie ihre Vorstellungen von einem Treffpunkt, den sie dringend wünschen und für den sie jetzt kämpfen – in einer Gruppe von etwa 25 Jugendlichen aus der Südstadt.
Neben klaren Vorstellungen zur Gestaltung haben sie auch schon konkrete Räumlichkeiten im Kopf: Das leer stehende Ladenlokal Rheinstraße 60, das vermutlich dem Gas- und E-Werk gehört. Mit Gucken und Träumen ist es aber nicht getan. Die Gruppe hat etwa 230 Unterschriften für ein Jugendzentrum in der Südstadt gesammelt; die überwiegend erwachsenen Unterzeichner haben ihnen großen Rückhalt mit auf den Weg gegeben. Die Liste haben die Jugendlichen Anfang Oktober persönlich dem Oberbürgermeister überreicht, der ihnen gleich sagte, sie dürften jetzt „keine Wunder erwarten“. Wie er uns wissen ließ, wird er zunächst in seiner (noch) ehrenamtlichen Funktion erst mal sondieren, was möglich ist, ehe er den Vorgang in Politik und Verwaltung gibt.

Heimische Reviere

Angesichts der massiven Forderungen treten natürlich Fragen auf. Wie: Was ist denn mit den vorhanden Jugendzentren? Das nächst liegende wäre das „Point“, immer noch gut erreichbar der Krähenbusch. Doch dort sind die Reviere bereits abgesteckt: Im Point, beklagen die drei Aktivistinnen, halten sich fast nur ausländische Jugendliche auf. Sie haben nichts gegen Ausländer, erwidern sie auf unsere erschreckte Nachfrage, aber im Point seien diese auf eine Art präsent bzw. würden so auftreten, dass die Gruppe von ausschließlich deutschen Jugendlichen sich dort nicht wohl fühlt. Rings um den Krähenbusch wiederum würden sich viele „Penner“ aufhalten, die beim Vorbeigehen Sprüche loslassen würden, dass man vor allem bei Dunkelheit Angst bekäme.
Ob diese Ängste berechtigt sind oder nicht: Eine Gruppe von immerhin 25 Leuten, die regelmäßig gern die Freizeit miteinander verbringen – die Zahl erklärt auch die Frage, warum man sich zu Hause nicht treffen kann – möchte gern ihr eigenes Nest in Beschlag nehmen und gestalten.
Ähnlich geht es Jugendlichen im Stadtnorden, die schon seit längerer Zeit einen eigenen Treffpunkt fordern – auch dort abseits des bestehenden Freizeitzentrums. Auch sie haben (mehrere) Räumlichkeiten ins Auge gefasst, deren Nutzbarkeit die Stadtverwaltung prüfen muss.

Erledigt per Zeitablauf

Beide Gruppen waren mit ihrem Anliegen auf der Sitzung des Jugendparlamentes am 22. Oktober präsent. Malte Kirchners bissiger wie pointierter Bericht in der WZ deckt sich mit den Eindrücken unseres ebenfalls anwesenden Redakteurs. Die Kritik richtet sich zum einen gegen das Jugendparlament selbst, das abgesehen von der Absage einer geplanten Party keine handfesten Ergebnisse zu Stande brachte. Hier muss man allerdings berücksichtigen, dass gewisse Lernprozesse und vor allem eine nachhaltige Unterstützung von Rat und Verwaltung erforderlich sind, um den jugendlichen Parlamentariern zu Professionalität zu verhelfen. Etwas Zynismus sollten sie in ihrem Alter allerdings vertragen können – zum Beispiel, wenn Kirchner eine Pinnwand für Anliegen auf dem Jugendforum als „eine Art Klagemauer für Kids“ bezeichnet. Anderseits kam auch das Jugendamt bzw. die Stadtverwaltung nicht so gut weg, wobei Jugendamtsleiter Klaus Jürjens sich in Selbstironie übte: “Bis wir so weit sind, seid ihr vielleicht schon aus dem Alter raus, in dem ihr einen Jugendraum benötigt“. Zusammenfassend titelt Kirchner über die Wünsche der Jugendgruppen nach einem Raum zum Rumhängen: „Rumhängen werden allein die Vorhaben“.
Das zu verhindern, wäre eine brandheiße Aufgabe für das Jugendparlament. Doch nach Aussage der Jugendgruppe Südstadt waren die Jungparlamentarier bisher nicht in die Problematik fehlender Jugendtreffs involviert. Die nächste Chance erhalten die Treffpunktsucher auf dem Südstadtforum am 8. November, zu dem Jürjens sie einlud. Letztlich wird es mal wieder eine Frage des Geldes sein, ob das Vorhaben von Erfolg gekrönt ist; ob 25 Jugendliche es der Stadt wert sind, Miete, Strom, Heizung und Personalkosten für die Räumlichkeiten aufzubringen.

Sorry, the comment form is closed at this time.

go Top