Jugendarbeitslosigkeit
Mrz 011978
 

Jugendarbeitslosigkeit in WHV

„In Wilhelmshaven ließ Ansturm der Arbeitslosen nach“ – „Ausbildungsplätze: Angebot und Nachfrage ausgeglichen“. Solche und ähnliche Schlagzeilen beschert uns fast allmonatlich die WZ, aber wie sieht die Situation tatsächlich aus? Bekommt jeder einen Ausbildungsplatz? Haben alle Jugendlichen Arbeit? Die Realität sieht ganz anders aus: Maßnahmen, die über die Förderlehrgänge des CVJM hinausgehen und solche, die den Jugendlichen tatsächlich helfen, sind kaum sichtbar.Rotdorn_0007Aufforderungen wie die von Antje Huber zum Jahreswechsel, die Jugendorganisationen sollten sich um jugendliche Arbeitslose kümmern, mögen zwar verdienstvoll sein, bleiben aber leere Wortklingelei, wenn den Jugendorganisationen nicht auch Gelder für diesen Zweck zur Verfügung gestellt werden.

Wie sieht nun „der jugendliche Arbeitslose“ aus?
Ende Oktober 1977 gab es in Wilhelmshaven 590 jugendliche Arbeitslose, d.h. daß 13% aller Arbeitslosen Jugendliche waren. Im September 77 waren es 528, die Zahl steigt also wieder einmal. Es waren in Oktober wesentlich mehr Mädchen (339) arbeitslos als Jungen (251).
Soweit die allgemein bekannten Zahlen. Zum Verständnis ist es wichtig zu wissen, daß ‚jugendlich‘ in der Statistik des Arbeitsamtes bedeutet ‚unter 20 Jahre alt‘; warum nicht die allgemein übliche Definition – jugendlich ist, wer unter 18 ist – verwendet wird, ist unklar.
Aufschlußreich ist es dagegen, daß z.B. im Juni letzten Jahres die Zahl der Schulabgänger unter der Zahl der jugendlichen Arbeitslosen überproportional hoch war: er betrug fast 1/3!
Etwa die Hälfte aller jugendlichen Arbeitslosen hat keinen Schulabschluß, dies betrifft vor allem die Jungen (60%), und ist damit bei der augenblicklichen Situation und der künstlichen Lehrstellenverknappung praktisch überhaupt nicht in ein Ausbildungsverhältnis zu vermitteln.

Tatsächlich ist die Zahl der jugendlichen Arbeitslosen jedoch viel höher. Die Bundesanstalt für Arbeit vermutet eine Dunkelziffer von über 40% . Das hieße für Wilhelmshaven, daß es nicht knapp 600, sondern mindestens 840 jugendliche Arbeitslose gibt. Dabei sind die Jugendlichen, die sich im Berufsgrundbildungsjahr oder im CVJM befinden sowie diejenigen, die ihren Wehrdienst ableisten, natürlich ebensowenig in der Statistik erfaßt wie die Schüler weiterbildender Schulen .
Berechnet man also den Anteil der Jugendlichen aller betroffenen Altersjahrgänge, die tatsächlich Arbeit haben, so kommt man auf unglaublich niedrige Prozentsätze.
Arbeitslosigkeit und vor allem Jugendarbeitslosigkeit wird eines, wenn nicht das Thema des Landtagswahlkampfs sein; wir müssen das Thema unbedingt in die Ortsvereine tragen und auf breitester Basis diskutieren.

Welche Forderungen sind zu stellen?
Unabhängig von grundlegenden Forderungen wie der Realisierung des Menschenrechts auf Arbeit und den damit verbundenen Erfordernissen einer neuen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung müssen kurzfristige Maßnahmen ergriffen werden , um die aktuelle Situation der Jugendlichen zu verbessern.
Dazu ist es vor allem erforderlich, die Berufsbildungsabgabe tatsächlich einzuziehen, um Mittel für weitere Maßnahmen zur Verfügung zu haben.

Für den Bereich des öffentlichen Dienstes sind folgende Forderungen zu stellen:

  • Abbau von Nebentätigkeiten und Überstunden
  • Bereitstellung weiterer Ausbildungsplätze
  • keine weiteren Privatisierungen
  • keine Rationalisierung auf Kosten von Arbeitsplätzen
  • Verbesserungen im schulischen und außerschulischen Bereich
  • bessere personelle Ausstattung der Arbeitsämter
  • Meldepflicht für alle Ausbildungsstellen

Übrigens: im Arbeitsprogramm der SPD-Fraktion Wilhelmshaven kommt das Wort „Jugendarbeitslosigkeit“ nicht vor – oder gibt es derweil eine überholte Version?

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