Schon wieder!
Ist Ihr Leben noch zu retten?
Verhältnisse bei den Johannitern gefährden funktionierenden Rettungsdienst. JUH’ler kritisieren Johanniter-Boss Albers
(woku) Unhaltbare Zustände im Rettungsdienst, fatale Pannen im Management und immer wieder Amtsmißbrauch: Auf diese Formel bringen Wilhelmshavener Johanniter die Zustände in der JUH-Dienststelle beim Reinhard-Nieter-Krankenhaus. Adressat der Vorwürfe: Erneut Dienststellenleiter Theo Albers.
Kurz vor den Sommerferien schien das Faß überzulaufen. Acht, zum Teil in maßgeblicher Funktion beschäftigte Angestellte der hiesigen JUH-Dienststelle trafen sich, um Bilanz zu ziehen. Ihr Vorhaben: Die Landes- und Bundesgeschäftsstelle der JUH über Mißstände in Wilhelmshaven zu informieren. Als Theo Albers Wind von dem „konspirativen“ Treffen bekam. setzte er einzelne Teilnehmer massiv unter Druck: Die Aktion platzte vorerst. „Wenn sich nichts ändert im Fahrdienst. hören wir auf bei der JUH. Soweit waren einige bereits.“ so Johanniter Siegfried Kühn zum GEGENWIND. Dem ehemaligen Albers-Vertrauten und leidenschaftlichen Rettungssanitäter Kühn liegen vor allem die Verhältnisse im Rettungsdienst am Herzen. Und es ist in der Tat wenig vertrauenerweckend zu wissen. daß Rettungssanitäter K. auch schon mal „besoffen“ zum Dienst erscheint, daß die Fahrer z.T. ortsunkundig sind (wo es doch im Ernstfall auf Minuten ankommen kann‘) oder daß die fachliche Qualifikation der Sanitäter offenbar gelegentlich so dürftig ist. Dass das bei den Rettungsdiensten im Umland selbst über Funk „rüberkommt“. Der Jeveraner Rettungssanitäter Herbert Wittke von der Leitstelle Jever: „Die fahren manchmal. wenn sich einer in den Finger geschnitten hat in Alarmfahrt mit Blaulicht und melden über Funk einen akuten Notfall.
Und wenn ihnen dann über Funk der Hubschrauber mit Notarzt angeboten wird, lehnen sie ab: Über die Fähigkeiten einzelner JUH-Sanitäts-Cowboys. die Wittke sich gelegentlich mit einem überlangen Fahrtenmesser auf ihren Tatü-tata-Bock schwingen sieht, lächelt man in Jever nur milde. In Wilhelmshaven kennt man die Hintergründe. Kühn: „Da sitzen im Rettungswagen manchmal Leute ohne abgeschlossene oder ganz ohne Ausbildung, da werden Zivis frisch von der Prüfung weg allein auf den Rettungstransportwagen (RTW) geschickt oder „Gnaden-Rettungssanitäter“ K., der erst im dritten Anlauf seine Prüfung schaffte, darf verantwortlich Leben retten.“ Kompetenzmangel zeitweise auch in der JUH-Funkzentrale: Schlecht für einen Notfall-Patienten, wenn das Krankenhaus auf seine Ankunft nicht vorbereitet ist. Schlecht auch, wenn der Rettungswagen gar nicht kommt, weil er – wie kürzlich geschehen – statt zum Friedhof Aldenburg zum Friedhof Heiligland fuhr. Die Feuerwehr fuhr nach längerer Wartezeit schließlich eine zusammengebrochene Frau ins Krankenhaus, ,weil die Johanniter auf dem Rettungswagen sich offensichtlich genierten, die Panne zuzugeben. – Johanniter-Alltag.
Für problematisch hielt die „konspirative“ Achterrunde auch. daß die JUH gelegentlich ihrer vertraglichen Verpflichtung zur Stellung eines RTW nicht nachkommt. So, wenn ein Wagen defekt und der Leitstelle der Feuerwehr „was vorgelogen“ wird. Oder wenn der RTW für private Zwecke unterwegs ist, vielleicht, um einen Zechgenossen des Dienststellenleiters nach Hause, oder um während der Bereitschaftszeit den JUH-Ortsvorsitzenden Dr. Volker Fleischer zum Zahnarzt zu bringen. Während der zwischen JUH und Stadt vereinbarten Bereitschaftszeit, versteht sich.
Dazu Rolf Enkler vom städtischen Rettungsdienst: „Die Johanniter müssen ständig einen Rettungswagen vorhalten.“ Wenn während der vereinbarten Dienstzeiten der JUH tatsächlich ein Fahrzeug für private Zwecke verwendet werde. dann sei das – so Enkler – „vertragswidrig“.
Immer wieder auch Klagen über lange Arbeitszeiten. Nach zwölf Stunden Dienst noch mal eben überraschend drei bis vier Stunden in die Stadthalle zu einer Veranstaltung mit Hannelore Kohl oder rund 300 Überstunden auf dem Konto, das ist ganz normal und wirkt sich auf die Einsatzfähigkeit der JUHler offensichtlich nicht aus. Bei einer überraschenden Kontrolle der ABM-besetzten Strandwache Hooksiel schlugen Vertreter des Wilhelmshavener Arbeitsamtes die Hände über den Kopf zusammen. Derlei Mißstände gibt’s aber nicht nur im Rettungsdienst, sondern auch im Behindertentransport: Zuviele Transporte in einem Wagen gleichzeitig. Einmal – so hieß es – mußte die Fahrerin während der Fahrt mit einer Hand sogar einen Kinderwagen festhalten.
Organisatorische Mängel lasten die acht „Verschwörer“ vor allem der „ständigen Einmischung des Dienststellenleiters in Dinge“ an, „von denen er nichts versteht“.
Als der bewährte Tourenplaner und Fahrdienstleiter B. plötzlich „ohne Angabe von Gründen“ nur noch im Behindertentransport und der ehrenamtlichen Sanitätsplanung tätig sein durfte, „brach zwischenzeitlich das Chaos aus“: Einige Behindertenwerkstätten und Heime begannen Strichlisten zu führen: „Wann die Johanniter mal wieder zu spät kommen.“ Andere Listen hingegen, die laut Gesetz geführt werden müssen, existieren überhaupt nicht. So wird über die Bestände an Betäubungsmitteln kein Buch geführt und die entsprechenden Medikamente sind nicht vorschriftsmäßig unter Verschluß. Da kommt es schon mal vor, daß Ampullen mit einem Morphiumpräparat verschwinden und niemand weiß, wo sie geblieben sein könnten.
Im Vergleich mit der möglichen Gefährdung von Patienten durch die Zustände im Rettungs- und Transportdienst erschien der Achterrunde die Liste der persönlichen Anmaßungen Theo Albers eher belanglos, wenn auch charakteristisch für den „Gutsherrenstil“, mit dem Albers seine JUH’ler regiert: Als die JUH Zelte zu einem Zeltlager nach Mölln in Holstein schaffen sollte, wußte man nicht womit. Albers brauchte den LKW für Privatzwecke. Das Jugendlager Hooksiel mußte – so Kühn – vorzeitig abgebrochen werden, weil Albers den Küchenbus für eine Fete brauchte. Als sich dann seine Frau bei einer anderen Feier den Fuß knickte, forderte der Chef kurzerhand den Rettungswagen aus Hooksiel an.
Während seines Urlaubs bereitete Theo Albers•seinen Johannitern ein „säuisches Vergnügen. Täglich mußten JUH’ler während ihrer Dienstzeit Freßkübel vom „Paritätischen Wohlfahrtsverband“ (Pari) in der Rheinstraße holen, um dann in Middelsfähr eine Sau zu füttern, die er dort „im Garten stehen“ hat.
Für Nahestehende hat der Johanniter-Boss ein weites Herz. So durfte z.B. ein guter Freund aus der Akazienstraße den Rettungswagen Hooksiel 50/52 schwarz reparieren. In der Regel allerdings genießt ein Verwandter von Albers das Privileg, die defekten Wagen in seiner Werkstatt im Stadtwesten reparieren zu dürfen. Dazu der JUH-Vorsitzende Dr. Fleischer laut Zeugenaussage angesichts der hohen Rechnungen: „Warum geben wir die Wagen eigentlich nicht in eine vernünftige Fachwerkstatt?“ Und als der jugendliche Sohn eines Albers-Freundes wegen eines kleineren Vergehens von der Justiz verknackt wurde, eine Zeitlang unentgeltlich bei einer Hilfsorganisation zu arbeiten, kriegte er noch 430,- DM drauf und durfte schon nach zwei Tagen (!) allein in der Zentrale sitzen. Einen dringenden Notruf schätzte er denn auch prompt falsch ein. Und nur einem geistesgegenwärtigen, zufällig anwesenden Beschäftigten der Feuerwehr war es zu verdanken, daß der Notfall richtig weitervermittelt wurde.
Kritik läßt der Chef nicht gelten, wenn’s um seine Lieben geht. Ein Johanniter (den Albers auch schon mal von sich aus zur Blutprobe geschickt hatte) hatte in F’groden betrunken ein älteres Ehepaar „zusammengeschlagen“. Albers dazu: „Laßt mir meinen Hofhund zufrieden.“
Nicht zufrieden läßt Albers seine acht Kritiker. Nach unserem – vergeblichen – Gesprächsangebot wurden sie von Albers massiv unter Druck gesetzt und eingeschüchtert. Für den Fall, dass im GEGENWIND ein Artikel über die JUH erscheine, würde er ihnen kurzerhand kündigen. Nach Bekanntwerden der GEGENWIND-Recherchen wurde er am 24. August nach Hannover zur JUH-Landesleitung zitiert und in den letzten Augusttagen sollten Vertreter der Johanniter-Landesleitung einmal in Wilhelmshaven nach dem Rechten sehen. Das Ergebnis der Gespräche ist uns nicht bekannt. (Stand 26. 8.)
Albers’ Wilhelmshavener Vorgesetzter, der JUH-Ortsbeauftragte Dr. Volker Fleischer sieht dem bunten Treiben tatenlos zu. Kronzeuge Kühn: „Es passiert absolut nichts.“ Dem GEGENWIND gegenüber wollten sich weder Albers noch Fleischer zu den Vorwürfen äußern. Fleischer: „Ich rede jetzt fünf Sekunden mit ihnen. Das sind fünf Sekunden zuviel.“ Recht so. Er sollte seine Zeit besser den Johannitern widmen, damit derlei Nachfragen überflüssig werden.
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