Zum Beispiel Frau Färber
Mal wieder ein Einzelfall aus der dubiosen Praxis des Job-Centers Wilhelmshaven
(noa) Nadine Färber (Name von der Redaktion geändert) ist Alg II-Empfängerin und Mutter von drei Kindern. Vor ungefähr einem Jahr ist ihre Älteste ausgezogen und hat sich eine eigene Wohnung genommen. (Damals ging das ja noch.) Frau Färber wohnte nun mit ihren beiden Söhnen in einer zu großen Wohnung und musste umziehen.
Das ging nicht so schnell. Die vielen Hartz IV-tauglichen Wohnungen, die es angeblich in Wilhelmshaven geben soll, sind nämlich alle längst bewohnt, und so fand Frau Färber bis zum Frühjahr dieses Jahres tatsächlich keine einzige, die angesichts ihres schmalen Budgets und der Mietobergrenze, die das Job-Center bewilligt, in Frage gekommen wäre. Am Ende entschied sie sich für eine Wohnung, die ein bisschen über den 372 Euro, die sie erstattet bekommt, liegt. Doch die paar Euro Differenz wollte sie aus dem Regelsatz bestreiten, denn zum einen gefiel ihr die Wohnung, zum anderen hätte sie bald auch ohne Umzug nur noch die 372 Euro bekommen, und dann hätte sie erheblich mehr dazuzahlen müssen.
Sie telefonierte mit dem Job-Center und bekam „grünes Licht“ für die Anmietung dieser Wohnung, die sie dann zum 1. Mai beziehen konnte. Die war vom Vermieter gründlich renoviert worden, doch es fehlten Bodenbeläge und eine Küche.
Ein Termin beim Job-Center war nicht sofort zu bekommen, und deshalb suchte sie das Notfallbüro auf. Allein hätte Frau Färber es nicht geschafft, dort vorzusprechen, denn die Dame am Empfang teilte ihre Ansicht, dass es sich um einen Notfall handelt, nicht. Die resolute Freundin, die sie zum Job-Center begleitete, „überrollte“ jedoch zum Glück den Widerstand der Kollegin vom Empfang und zog Frau Färber kurz entschlossen mit.
Im Notfallbüro wurde ihr Antrag auf eine Kücheneinrichtung, Bodenbeläge sowie zwei Kinderzimmerschränke, eine Umzugsbeihilfe und die Kaution in Höhe einer Kaltmiete angenommen, und ihr wurde für den folgenden Tag ein Anruf des Prüfdienstes angekündigt. Gut zwei Wochen wartete Frau Färber, und wieder war es ihre resolute Freundin, die dafür sorgte, dass sie noch einmal ins Notfallbüro ging. Dort erfuhr sie, dass man vergeblich versucht habe, mit ihr Kotakt aufzunehmen – in der Telefonnummer sei ein Zahlendreher gewesen. (Falls das tatsächlich stimmte: Hat man beim Job-Center noch nie etwas von einer Einrichtung namens Post gehört?) Nun aber kam der Prüfdienst tatsächlich am nächsten Tag und nahm alles auf. Nach weiteren zwei Wochen ging Frau Färber zum dritten Mal ins Notfallbüro, wo die Mitarbeiterin bei ihrem Eintritt gerade den Möbelbezugsschein für die Küche unterschrieb.
Ein Unterschrank von 1 m Breite, zwei Oberschränke von je 1 m, eine Spüle und ein Elektroherd, das ist alles, was einer Bedarfsgemeinschaft nach Hartz IV zusteht. Im Möbellager des Diakonischen Werkes darf man sich die Sachen aussuchen und bekommt sie geliefert. Vorausgesetzt, im Möbellager gibt es das alles gerade.
Einen E-Herd gab es dort zu der Zeit keinen. (Wir haben nachgefragt: E-Herde gibt es dort seltenst!) Jeder vernünftige Mensch würde jetzt vermuten, dass der Alg II-Empfänger nun also woanders nach einem E-Herd schauen darf; schließlich gibt es ja ein paar Geschäfte, die solche Artikel auch gebraucht führen. Aber nein! Dreimal sollte Frau Färber bei der Diakonie nach einem Herd fragen, dann sollte sie schriftlich bescheinigt bekommen, dass es gerade keinen gibt, und dann erst sollte sie sich anderweitig umsehen dürfen.
Diese Schikane ist keine Idee des Möbellagers. Es ist eine Auflage des Job-Centers, dass das Möbellager erst nach drei vergeblichen Besuchen eine solche Bestätigung ausstellen darf.
Während der ganzen Wochen hatte es im Hause Färber entweder kalte Mahlzeiten oder Essen von der Bude gegeben – sehr zur Freude der beiden Söhne, doch zur großen Belastung für die Haushaltskasse. Dann hatte Frau Färber ausnahmsweise mal Glück: Sie bekam einen E-Herd geschenkt. Sogar einen mit Ceranfeld! Toll – auch für das Job-Center, denn nun brauchte die Familie Färber keinen Herd, sondern nur eine passende Arbeitsplatte bezahlt zu bekommen, und das wäre doch erheblich billiger. Jeder vernünftige Mensch würde jetzt denken, dass das Job-Center sich gefreut hätte und die paar Euro für die Arbeitsplatte gerne bewilligt hätte, da doch die Kosten für einen Herd eingespart werden konnten. Nein, das ging nicht. Ein Herd und sonst nichts sollte es sein.
Das ist nicht der einzige Ärger, den die Familie Färber mit dem Job-Center hat. Doch darüber können wir im Moment noch nicht berichten, da Frau Färber Widerspruch eingelegt hat und eventuell eine Klage beim Sozialgericht erheben muss. Und das wollen wir lieber abwarten.
Neun Monate ohne Waschmaschine
Der Fall der Familie Färber ist nicht der einzige, in dem das Job-Center eine Bedarfsgemeinschaft über Wochen und sogar noch länger ohne wichtige Haushaltsgeräte leben lässt. Frau M. z.B. muss schon seit neun Monaten ihre Wäsche im Waschsalon waschen. „Es scheint daran zu liegen, dass man beim Job-Center des Lesens nicht mächtig ist“, meint sie lakonisch. Sie hat schon einmal eine Waschmaschine von der öffentlichen Hand finanziert bekommen. Nur: Die ist nach der Trennung bei ihrem Ex-Mann geblieben. Und da nützt sie ihr wenig. (noa)
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