JadeWeserPort
Aug 012001
 

Und nun zum Wetter

Neues Gutachten zum JadeWeserPort kommt auf bis zu 5.760 Arbeitsplätze – irgendwann nach 2015

(jm) Seit März existiert ein weiteres Gutachten zum JadeWeserPort, von dem bislang scheinbar nur handverlesene Kreise etwas wussten. Erstellt wurde es von den beiden Instituten für Wirtschaftsforschung in Niedersachsen und Bremen unter dem Titel Wirtschaftliche Entwicklungsperspektiven des Jade-Weser-Raums unter besonderer Berücksichtigung des Jade-Weser-Ports. Auftraggeber waren die Stadt Wilhelmshaven, die Landkreise Friesland, Wesermarsch und Wittmund sowie das Land Bremen.

Die Gutachter prognostizieren, dass in den Kreisgebieten o.a. Auftraggeber (d.h. ausgenommen das Land Bremen) bei Auslastung der 1. Ausbaustufe (im Jahre 2015) 2.280 Arbeitsplätze mit einem Entwicklungskorridor bis zu 5.760 Arbeitsplätze gesichert und neu entstehen werden. Einschränkend dazu erklären die Gutachter:
Die letztgenannte Größenordnung wird voraussichtlich eher mit der Realisierung weiterer Baustufen erreicht werden, wenn der Hinterlandverkehr ähnliche Ausmaße annimmt wie heute in Bremerhaven.

IFPositiv ist an diesem Gutachten zu bewerten, dass darin – anders als in der Machbarkeitstudie – die Beschäftigungswirkung auf die einzelnen Wirtschaftssektoren untersucht wird und nachgelesen werden kann, wie die Gutachter zu ihrem Resultat gekommen sind. Jedoch werden dadurch auch einige Lücken offengelegt, die die Verläßlichkeit der Beschäftigungsprognosen in Frage stellen.

Beim Terminalbetrieb übernehmen die Gutachter z.B. ohne Plausibilitätskontrolle die in der Machbarkeitstudie aufgeführten Arbeitplatzzahlen. Und das, obwohl sie in dem Kapitel Erfahrungen mit Industrieansiedlungen in anderen Containerhäfen berichten, dass in Gioia Tauro/Italien im vergangenen Jahr ca. 2,7 Mio Standardcontainer (TEU) mit einem Personalaufwand von 800 Mitarbeitern umgeschlagen würden. Dagegen sollen 2015 im JadeWeserPort 1,8 MIO TEU von 900 Mitarbeitern bewältigt werden – was einen Produktivitätsrückschritt von 40 % bedeuten würde.
Man ist hier ohne Not den Prognostikern der Machbarkeitsstudie auf den Leim gekrochen. Und das, obwohl diese offensichtlich sowohl den technisch schon erreichten Stand der Umschlagproduktivität als auch den in den nächsten vierzehn Jahren zu erwartenden und zudem von den Reedern dringend geforderten Produktivitätsfortschritt außen vor gelassen haben.
Zudem unterliegt die Prognose dem Gedankenfehler, der JadeWeserPort würde ein neuer Hafen werden. Dies stimmt zwar in räumlicher, nicht aber in organisatorischer Hinsicht. Insbesondere hinsichtlich der Arbeitsplätze wäre der sogenannte JadeWeserPort als fünfter Bremerhavener Container Terminal (CT 5) auf Wilhelmshavener Boden zu betrachten; d.h., es gäbe keine zusätzliche Belegschaft, sondern weiterhin nur die eine vorhandene in Bremerhaven, die dann auch in Wilhelmshaven Dienst tun müsste. Genau das kündigt sich derzeit auch für den nächstes Jahr fertigen Container-Terminal in Hamburg/Altenwerder an:
Zwar hat der Hamburger Senat dafür 500 neue Arbeitsplätze (Umschlag 1,2 Mio TEU/a) angekündigt, aber die dortigen Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass lediglich 400 – 500 der Hamburger Hafenbeschäftigten eine zusätzliche Wirkungsstätte in ihrem Dienstplan vorfinden werden.
Eine ähnliche Denklücke leisten sich die Gutachter in den Teilbereichen Verkehrswirtschaft, Logistik und Großhandel, in welchen bis 2015 weitere 1.000 Arbeitsplätze entstehen sollen. Auch hier betrachtet man die CT’s in Bremerhaven und Wilhelmshaven als zwei Häfen und lässt offensichtlich dabei außer Acht, dass man in einer Hafenregion Verkehrswirtschaft, Logistik und Großhandel nicht zweimal braucht. Insofern ist es auch müßig, nach einem Hafenvergleich mit Emden, Bremerhaven und Lübeck festzustellen, dass Wilhelmshaven ein Ausstattungsdefizit bei o.a. Dienstleistungen hat, und daraus zu folgern, dass dies durch einen JadeWeserPort ausgeglichen würde. Das wird gewiss kein Selbstläufer. Statt dessen wird jede Firma mit spitzem Bleistift durchrechnen, ob es sich lohnt, in die Jaderegion umzuziehen. In der Tendenz dürfte der JadeWeserPort eher die permanenten Konzentrations- und Rationalisierungsprozesse weiter verstärken.
Was die genannten Arbeitsplatzzahlen nach Auslastung der 1. Ausbaustufe des JadeWeserPort – also in 15, 20 oder 30 Jahren angeht, braucht uns das nicht zu beschäftigen. Sie sind genauso sicher abzuschätzen, wie das Wetter am nächsten Wochenende an der Jade. Sie können allenfalls interessierte Kreise darin bestärken, vor der Öffentlichkeit weiterhin von Arbeitsplätzen von 4.000 an aufwärts zu schwadronieren.
Die Beschäftigungsprognose erscheint also trotz eingehender Untersuchungen zahlenmäßig weit überhöht. Dessen ungeachtet bietet das Gutachten mit seiner vorangestellten Strukturanalyse des Untersuchungsgebietes und den Empfehlungen für eine regionalwirtschaftlich effiziente Umsetzung des Projekts und Einbindung in bestehende regionale Entwicklungsvorstellungen im letzten Teil jedoch eine Reihe nützlicher Handlungsfelder für die regionale wirtschaftliche Weiterentwicklung an, die auch bei Nichtrealisierung des JadeWeserPorts beackert werden sollten.

Übrigens: Warum kommen (arbeitsintensiv hergestellte) technische Geräte für die Seeverkehrswirtschaft großenteils aus Süddeutschland, obwohl die über keine entsprechenden Häfen, Werften oder Schiffe verfügen!? Sind hiesige endogene Potenziale ausgeschöpft, z.B. durch Forschung und Entwicklung nützliche Investitionsgüter für die sich transformierenden Wertschöpfungsketten des Seetransportgeschäfts bereitzustellen?

Veranstaltung:
Traum oder Alptraum
Am 21. August 2001 findet um 19.00 Uhr im Gorch-Fock-Haus eine Veranstaltung der Bürgerinitiative gegen den JadeWeserPort mit allen OB-KandidatInnen statt.
Das Thema des Abends lautet: „JadeWeserPort: Traum oder Alptraum?“
Auf dem Podium diskutieren: Eberhard Menzel (SPD), Hans van Weelden (CDU), Marianne Fröhling (Bündnis90/Grüne), Michael von Teichman (FDP) und Joachim Tjaden (WALLI).
Diskutiert werden sollen die regionalen, wirtschaftlichen, ökologischen, sozialen und arbeitsmarktpolitischen Auswirkungen des geplanten Containerhafens.
Die Moderation hat Pfarrerin Annette Nuber übernommen.
Der Sprecher der Bürgerinitiative, Manfred Berger, wird seine Gedanken zum Thema „Die Wahl als Weg der politischen Willensbildung“ referieren.
Mit Sicherheit eine der spannendsten Veranstaltungen des bisher recht niveaulosen Kommunalwahlkampfs.

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