JadeWeserPort
Feb 062003
 

Die Wahrheit muss auf den Tisch!

Ab 01. April hat der Steuerzahler einen neuen Kostgänger am Hals: Die JadeWeserPort Realisierungs GmbH & Co KG.

(jm) Unser OB Eberhard Menzel strahlte über beide Wangen: Nach Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrags zur Gründung der JadeWeserPort Realisierungs GmbH & Co KG (JWPRG) sind die Weichen auf stetigen Geldfluss aus den öffentlichen Kassen Richtung Wilhelmshaven zum Bau und zur Unterhaltung des geplanten JadeWeserPort gestellt. Jetzt müssen scheinbar nur noch das Planfeststellungsverfahren und sich eventuell anschließende Gerichtsverfahren überstanden werden.

Die JWPRG hat den Auftrag, für das Land Niedersachsen als Grundstückseigentümer den Bau der ‚terminalnahen Infrastruktur’ (Kaimauern, Spundwände usw.) des JadeWeserPort zu finanzieren und für die nächsten 36 Jahre als Verpächter, Vermieter, Instandhalter usw. zu betreiben. Die von der Landesregierung geschätzten Kosten für den Kaimauer- und Umschlagbereich liegen zur Zeit bei 177,6 Mio. €. Sie decken nur einen Bruchteil der Gesamtkosten ab, die bisher noch gar nicht komplett aufgelistet wurden. Nach vorsichtigen vorläufigen Schätzungen dürften sie sich auf 1500 Mio. € (inkl. Zinsen) belaufen – den notwendigen Neu- bzw. Ausbau der Terminal-externen Infrastruktur auf der Land- und Wasserseite nicht mitgerechnet.
Zur Finanzierung des Kaimauerbereichs bekommt die JWPRG zum einen 87,8 Mio. € geschenkt, die hälftig von Bremen und Niedersachsen aufgebracht werden. Zum anderen muss sie ein Darlehen von 89,8 Mio. € aufnehmen, dessen Rückzahlung lt. Pressemitteilung der Niedersächsischen Staatskanzlei „…mit Zinsen und Tilgung aus den zu erwartenden Einnahmen der Gesellschaft (aus den Verträgen mit dem Betreiber sowie Liege- und Kajengebühren etc) …“ erfolgen soll.
Zwei Unwägbarkeiten tauchen hier schon auf: Die der geschätzten Kosten und die der erwarteten Einnahmen. Die Kosten laufen erfahrungsgemäß bei öffentlichen Investitionen davon, und die erzielbaren Hafeneinnahmen müssen erst noch mit den späteren Nutzern ausgehandelt werden. Bei dem Terminal-Überangebot in Europa haben die Pächter und Reeder jedoch die Verhandlungsmacht, die selbstverständlich knallhart ausgespielt wird. Wie kärglich die Hafeneinnahmen gegenwärtig hierzulande sind, war dem Internet-Magazin SPIEGEL ONLINE am 22.01. in dem Artikel Das Monster an der Jade zu entnehmen: „Ein Blick auf Hamburg zeigt: Die Hansestadt erwartet nur 5 Millionen Euro Einnahmen aus dem Hafenbetrieb. Dem stehen allein für die fortlaufend notwendigen Investitionen 141 Millionen als Ausgaben gegenüber.“
Auch Bremen fährt jährlich rund 100 Mio. € Verluste mit seinen Häfen ein. Mit der Refinanzierung sieht es also mehr als mau aus, und das wissen auch die Banken. Und das Investitionsobjekt selber bietet als Aktivposten auch keine Sicherheit, weil der Verkehrswert die Baukosten weit unterschreiten würde. Denn nur ein Dummkopf gibt für den Kauf eines Investitionsobjekts mehr Geld aus, als sich durch Erträge mit angemessener Rendite refinanzieren lässt. (Daran sieht man, wie unsinnig die aus berufenem Munde in die Welt gesetzten Parolen von der Privatfinanzierung des JadeWeserPort waren). Ohne eine Landesbürgschaft im Safe dürfte kaum eine Bank bereit sein, sich an der Vorfinanzierung des JadeWeserPort zu beteiligen. Nicht bekannt ist, ob sich Niedersachsen und Bremen auch das Mehrkosten- und Bürgschaftsrisiko teilen. Das müsste im (noch) nicht zugänglichen Gesellschaftervertrag stehen. Nach Lage der Dinge sieht es aber so aus, dass das Mehrkosten- und das Kreditrisiko allein bei Niedersachsen liegt.
Jetzt drängt sich jedoch die Frage auf, weshalb bauen Hamburg und Bremen trotz hoher Verluste ihre Häfen immer weiter aus?! Darauf hat der Bremer Bürgermeister Henning Scherf bereits vor Jahren folgende plakative Antwort gegeben: „Wachsen oder Weichen!“ Recht hat er: Denn wer sich im real existierenden Bürgermeister-Konkurrenzkampf nicht unentwegt darum bemüht, zu wachsen (bzw. den Erfordernissen des Marktes anzupassen), büßt Zug um Zug seine Wettbewerbsfähigkeit ein und sollte lieber gleich ganz aufhören. Da Aussteigen für Hamburg und Bremen gesamtwirtschaftlich ruinös wäre, bleibt ihnen nur übrig zu wachsen, bis es auf Biegen und Brechen nicht mehr geht.
Für Niedersachsen wäre es dagegen gewiss noch nicht zu spät, von diesem für die Landeskasse hoch riskanten Hafenroulette mit steigenden Einsätzen abzuspringen. Im Gegensatz zu Hamburg und Bremen droht hier keine Hafenwirtschaft mit hohen Arbeitsplatzverlusten wegzubrechen. Und auf zusätzliche Arbeitsplätze und Steuereinnahmen sollte man sich nicht allzu viel Hoffnung machen.
Gehen wir doch mal der Behauptung des abgewählten Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel von den 3600 Arbeitsplätzen auf den Grund:
Vorstehende Zahl tauchte zum ersten Mal in der Machbarkeitsstudie für einen Container- und Mehrzweckhafen in Wilhelmshaven auf. In der Kurzfassung heißt es:
„Für die strukturschwache Region Jade-Weser-Raum ist das Projekt von Beginn an mit erheblichen Beschäftigungseffekten verbunden, die sich nach Erreichen der Auslastung der vorgeschlagenen ersten Phase auf bis zu 3600 Arbeitsplätze belaufen dürften.“ Die Untersuchungen, die zu diesem Ergebnis führten, wurden der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht. Nur zu den Arbeitplätzen auf dem Terminal wurden Angaben gemacht, die je nach eingesetztem technischem Gerät mal über, mal unter 1.000 Beschäftigten liegen. Das dafür vorgesehene personalintensive technische Gerät hat jedoch keine Zukunft, wie der hoch automatisierte Hafen in Hamburg-Altenwerder belegt. Auf die Frage von Bürgern, wie die Zahl von 3600 Arbeitsplätzen errechnet wurde, wurde kolportiert, dass man sich bei den 1.000 Terminal-Arbeitsplätzen an den Stand in Bremerhaven angelehnt habe. Diese Zahl wäre dann mit dem Faktor 3,6 zur Miterfassung der indirekten Beschäftigungseffekte multipliziert worden.
Solche nicht überprüfbaren Zahlen werden zwar liebend gern von Lobbyisten und Wahlkampfmatadoren aufgegriffen, dass sie aber auch für eine volkswirtschaftliche Kosten-/Nutzenrechnung tauglich sind, darf wohl ausgeschlossen werden.
Bei einem Abgleich mit transparenteren Untersuchungen kommen übrigens interessante Ergebnisse heraus:
Transportgeografisch sind die Eckpunkte des zitierten Jade-Weser-Raumes (s.o.) die Städte Wilhelmshaven, Oldenburg, Bremen und Bremerhaven, in dem die 3.600 Arbeitsplätze entstehen sollen. Mal angenommen, die Zahl stimmt: Wie würden sich in diesem Fall die Arbeitsplätze in diesem Raum verteilen?!
Ein Gutachten der Firma PLANCO-Consulting GmbH gibt da einen hilfreichen Fingerzeig. Gemäß deren Untersuchung Regional- und Gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Bremischen Häfen, Mai 1998 – Kurzfassung „… gibt es insgesamt 99.000 Arbeitsplätze, im Sinne einer existenziellen Verbundenheit mit den Bremischen Häfen. Davon existieren 49.500 in Bremen, 9.500 in Bremerhaven und 40.000 im Umland bzw. anderswo.“
Dieses Zahlenverhältnis würde – unter Zugrundelegung der 3.600 in der Machbarkeitsstudie genannten Arbeitsplätze im Jade-Weser-Raum – auf Wilhelmshaven übertragen, 350 geschaffene Arbeitsplätze bedeuten. (s. Gegenwind Nr. 162).

  • Obwohl die Bremerhavener ihre Bremer Vaterstadt im Hafenumschlag inzwischen überrundet haben und zudem der Wert der Transportgüter (Containerladungen, Autos, Kühlgüter) dort höher ist, bleibt der überragende Teil der arbeitsintensiven Wertschöpfungskette an Bremen und seinem Speckgürtel kleben. Der Anziehungskraft Bremens auf die ‚nicht Terminal-gebundene Hafenwirtschaft’ kann Bremerhaven nur wenig entgegensetzen. Die Rollen sind so verteilt: Bremerhaven zieht den Wagen und Bremen sitzt auf dem Kutschbock, die Zügel fest in den Händen. Eine ‚strategische Partnerschaft’, die die Hanseaten gerne auch mit Niedersachsen eingehen – zumal der Gaul Wilhelmshaven ein echtes Schnäppchen für sie ist.

Zurück zu unserem eingangs erwähnten OB Menzel: Der operiert zuweilen gar mit der Zahl von 5.800 Arbeitsplätzen! Falls er sich dabei auf die Angaben des Gutachtens Wirtschaftliche Entwicklungsperspektiven des Jade-Weser-Raums unter besonderer Berücksichtigung des Jade-Weser-Ports bezieht, dann wäre dies eine unredliche Verkürzung. Denn in diesem Gutachten, in dem gleichfalls mit der o.a. nicht nachvollziehbaren Anzahl von 1000 Terminal-gebundenen Arbeitsplätzen gerechnet wird und das noch weitere, zahlenmäßig erheblich zu Buche schlagende Macken aufweist (s. Gegenwind Nr. 182), ist darüber zusammengefasst folgendes zu lesen:
„Die Gesamtsumme der möglichen Beschäftigungseffekte des Jade-Weser-Ports bewegt sich also in der Spanne zwischen 2.300 und 5.800 Beschäftigten. Die letztgenannte Größenordnung wird voraussichtlich eher mit der Realisierung weiterer Baustufen erreicht werden, wenn der Verkehr ähnliche Größenordnungen erreicht wie heute in Bremerhaven.“
Auch wenn der zweite Satz sehr sibyllinisch abgefasst wurde, so lässt sich aus diesem Orakel hinreichend deutlich herausdestillieren, dass die Obergrenze von 5800 Beschäftigten frühestens während des Betriebes einer zweiten Ausbaustufe erreicht werden könnte – oder eben auch erst später nach der dritten oder vierten usw.
Wie man sieht, eignen sich solche Zahlen allenfalls für politisch unkorrekte Fensterreden, aber nicht als Eckdaten für Milliarden-Investitionen.
Zweifel an der Seriosität des Finanzierungskonzeptes der abgewählten Landesregierung hat auch die CDU vor der Wahl geäußert. So beschuldigte der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion Christian Wulff die Landesregierung: „Das ständige Tarnen und Täuschen der SPD ist unerträglich. Gabriels Schönfärberei bei den Kosten ist nicht nur für die Privatfinanzierbarkeit der terminalnahen Infrastruktur deutlich geworden. Er verschweigt weiterhin die volle Wahrheit. (…) Die Wahrheit muss auf den Tisch. Die Finanzierung muss gesichert werden. Ich appelliere an alle Beteiligte, dieses wichtige niedersächsische Projekt seriös abzusichern.“ (Pressemeldung der CDU in Niedersachsen vom 06.11.02) Wulffs Verkündigung im Wahlkampf: „Die einzigen, die den Tiefwasserhafen sauber finanzieren werden, sind wir!“
Das hört sich schon mal gut an: Doch nach der Regierungsübernahme wird er, um Schaden vom Land Niedersachsen abzuwenden, prüfen müssen, ob die Investition in dieses Megaprojekt überhaupt volkswirtschaftlich gerechtfertigt ist.
Dazu muss er neben den tatsächlichen Kosten auch den durch die Realisierung des Projektes ausgelösten Wertschöpfungs- bzw. Beschäftigungseffekt ergebnisoffen nachrechnen lassen. Erst bei einem ausgewogenem Verhältnis zwischen dem erforderlichen Einsatz von Landesfinanzmitteln und dem Ertrag in Form von Wertschöpfung – u.a. bestehend aus Gehältern der Beschäftigten und den Steuereinnahmen – ist es fiskalisch vertretbar, so ein Projekt zu finanzieren.
Von den CDU-Landtagsabgeordneten Inse-Marie Ortgies und Dr. Uwe Biester wurde diesbezüglich schon mal Skepsis geäußert. In Beantwortung einer Kleinen Anfrage hatte die Landesregierung ihnen erwidert, dass der Tiefwasserhafen eine Ergänzung des bereits bestehenden norddeutschen Hafenangebots darstelle.
Ahnungsvoll äußerten sie daraufhin ihre Vermutung, dass die dringend benötigte Wertschöpfung zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Wilhelmshaven und Friesland so nicht zu erreichen sei (s. Gegenwind Nr. 178).
Allen diesen Zweifeln muss bis zur Klärung nachgegangen werden. Der neue Regierungschef sollte deshalb tunlichst die zuständigen Gremien anweisen, ihm noch vor Beginn des Planfeststellungsverfahrens die für eine verantwortungsvolle politische Entscheidung erforderlichen Ergebnisse in Form einer belastbaren Kosten-/Nutzen-Rechnung vorzulegen.

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