Erster Container 2015?
Von Versuchen, Öffentlichkeit und Parlamentarier mit allerlei Kabinettstückchen hinters Licht zu führen
(jm) Auf einem Parlamentarischen Abend in Hannover machten der Geschäftsführer der JadeWeserPort Entwicklungsgesellschaft Claus Wülfers und der niedersächsische Wirtschaftsminister Walter Hirche Reklame für den JadeWeserPort (JWP). Zur Begründung des ihrer Ansicht nach erforderlichen Hafenbauprojektes jonglierten sie mit sattsam bekannten, vielfach unrealistischen Angaben.
Herr Wülfers legte dort mal wieder die Platte von den Containerschiffen mit 16 m Tiefgang und den 1.000 Terminalbeschäftigten auf (s. dazu Gegenwind Nr. 187 u. 189 u.v.m.). Solcher Art realitätsferne Vorstellungen lassen sich übrigens auch in der umstrittenen Ausstellung „Transport, Logistik, Seefahrt“ im Wattenmeerhaus am Südstrand besichtigen…
Sogar was das Hier und Heute betrifft, scheint bei Herrn Wülfers der Wunsch der Vater des Gedankens zu sein: So berichtet er von jetzt eingesetzten Containerschiffen von 378 m Länge mit einem Fassungsvermögen von 9.000 Containern. Das weltweit größte derzeit in Fahrt befindliche Containerschiff, die „Axel Maersk“ hat jedoch ‚nur’ 352 m Länge. Das Schiff hat jüngst auch Bremerhaven angelaufen. Von irgendwelchen Problemen ist nichts bekannt geworden…
Herr Hirche befasste sich in seinem Vortrag schwerpunktmäßig mit den als notwendig erachteten Infrastrukturmaßnahmen zur Hinterlandanbindung des JWP. Da diese in die Zuständigkeit des Bundes fallen, wird die niedersächsische Landesregierung angesichts der galoppierenden Neuverschuldung mit erheblichen Widerständen von jener Seite zu rechnen haben.
Zur Finanzierung des JWP führte er aus: „Einigkeit wurde auch darüber erzielt, dass die endgültige Entscheidung über Standort und Entwicklung nur unter Beteiligung privater Investoren und nach betriebswirtschaftlichen Kriterien erfolgen kann. Dies ist umso bemerkenswerter, als damit erstmals der Privatisierungsgedanke in einem Bereich Einzug hielt, der gemeinhin nicht nur für Deutschland, sondern auch weithin in Europa als öffentliche Infrastruktur betrachtet wird (…).“
Ein Kabinettstückchen vom Feinsten, mit dem offenbar darüber hinweggetäuscht werden soll, dass von der beschlossenen mindestens 50%igen Privatfinanzierung der Infrastruktur nichts, aber auch rein gar nichts, übrig geblieben ist. Es sei denn, man betrachtet die mit Steuergeldern ausgestattete im Besitz von Niedersachsen und Bremen befindliche „JadeWeserPort Realisierungsgesellschaft“ als privaten Investor. Aber das behauptet dieses liberale Schlitzohr ja auch nicht:
Es redet lediglich von einer ‚Entscheidung’ und einem ‚Privatisierungsgedanke(n)’. Nur, dass daraus nichts wurde, das hat er glatt ‚vergessen’ zu erwähnen. In den USA bezeichnet man solch eine Vortragstechnik als ‚Deniability’; will heißen eine kunstgerechte politische Äußerung, die anders gedeutet werden kann, als sie von der Zielgruppe verstanden werden soll. Solcher Art Rosstäuscherei gehört ja inzwischen zum Tagesgeschäft und gilt offenbar als Befähigungsnachweis für höhere Ämter in Wirtschaft und Politik…
Zu den Aussagen der beiden Vortragenden über Investitionskosten und den Termin der Inbetriebnahme kann man sich nur noch die Haare raufen:
- Übereinstimmend nennen sie ein Gesamt-Investitionsvolumen von 755 Mio. Euro für den JWP. Dass diese Zahl falsch ist, sollte zumindest Herr Wülfers schon mal vernommen haben. Herrn Hirche mangelt es wohl bei aller Ausgekochtheit noch an Einarbeitungszeit als Wirtschaftsminister. Sein Chef Ministerpräsident Christian Wulff wird ihn da belehren können.
Dieser hatte seinem Amtsvorgänger Siegmar Gabriel anlässlich der Kostenbezifferung von 750 Mio. Euro im zurückliegenden Landtagswahlkampf „Tarnen und Täuschen“ vorgeworfen, denn „…für den Tiefwasserhafen würden nicht ‚nur’ 750 Mio. Euro benötigt, sondern fast eine Milliarde.“ (CDU-Pressemeldung vom 06.11.02) Und in dieser Summe sind die Kompensationskosten, der Schuldendienst usw. noch nicht mal mit drin (s. Gegenwind Nr. 186).
Zur Inbetriebnahme des JWP erklärte Herr Wülfers nebulös, es „…müssen heute die Weichen für 2010 gestellt werden“. Herr Hirche hat sich zur Terminierung (lieber) nicht geäußert…
Schlaue Füchse alle beide auch hier: Denn die Terminierung der Inbetriebnahme des 1. Bauabschnittes des JWP verschiebt sich immer weiter in die Zukunft. Nicht mal fünf Jahre ist es her, als der Präsident der Wilhelmshavener Hafenwirtschaftsvereinigung (WHV) John H. Niemann davon ausging, dass die erste Stufe spätestens Ende 2005 fertig sei (WZ, 24.11.98). Ein gutes Jahr später sollte es dann lt. WHV im Jahre 2006 sein (WZ, 04.01.00). Dieser Termin hielt sich etwas über zwei Jahre. Doch dann brachte Claus Wülfers den Wilhelmshavener Terminal-Fans schonend bei, dass der JWP aus Bremer Sicht nicht vor 2008 benötigt werden würde (WZ, 27.03.02).
Und die Halbwertzeiten für in die Zukunft verschobene Eröffnungstermine werden immer kürzer: Kommentarlos wurde inzwischen die von Bremer Interessen diktierte Inbetriebnahme der 1. Baustufe des JWP auf das Jahr 2010 verschoben. Herr Wülfers dazu vor den Parlamentariern in Hannover: „Wenn Deutschland auch in Zukunft an der Großcontainerschifffahrt teilnehmen und sich auch einen Platz im Umschlag für das Baltikum sichern möchte, müssen die Weichen für das Jahr 2010 gestellt werden.“ (WZ, 17.05.03)
Früheren Aussagen von Herrn Niemann nach zu urteilen ist dieser Zug schon längst abgefahren: „Wegen der Auseinandersetzung um die Teilnahme Hamburgs und daraus resultierenden Entscheidungsverzögerungen bekamen wir schon bald die Auswirkungen zu spüren. Die mit unserer JadeWeserPort AG in Verhandlungen gestandenen Investoren sind auf Grund der geschilderten Umstände nach und nach auf Distanz zum Projekt Tiefwasser-Containerhafen JadeWeserPort gegangen, was wir sehr bedauerlich finden.“ (WZ, 16.03.02)
Kaum ein Jahr später stehen die Investoren angeblich wieder Schlange! Dieses Jojo-Spiel mit Terminen und Investoren dürfte noch lange auf dem Wilhelmshavener Medien-Spielplan bleiben:
Denn in Bremerhaven ist der Container Terminal (CT) IIIA im Bau und der CT IV beschlossen. Die um zwei Kilometer verlängerten Bremerhavener Terminals sollen ab dem Jahr 2007 über eine Jahresumschlagkapazität von 5,6 Mio. Containern (TEU) verfügen. Die dürfte für lange Zeit reichen; denn gemäß einer Prognose der Gutachterfirma PLANCO wird der Umschlag im Jahre 2015 erst 4,9 Mio. TEU erreicht haben. Daraus leiten die Gutachter einen Bedarf für vier Großschiffliegeplätze bis „Mitte des nächsten Jahrzehnts“ ab (Quelle: „BremenPORTS News“ Archiv, 06.02.02). Dazu eine ergänzende Aussage des Geschäftsführers der stadtbremischen Hafengesellschaft „BremenPORTS“ und nebenamtlichem Geschäftsführer der „JadeWeserPort Realisierungsgesellschaft“ Jürgen Holtermann auf der Veranstaltung ‚Bremerhavener Dialog’: „Das Projekt Jade-Weser-Port ist betriebswirtschaftlich angelegt. Deshalb gehen wir mit dem Terminal auch erst an den Markt, wenn Bedarf vorhanden ist.“ (Nordsee Zeitung, 27.02.03)
Darüber hinaus dürfte wohl klar sein, dass der Bremer JWP-Investor „Eurogate“ seine 306 Mio. Euro teure Suprastruktur (Umschlagbrücken usw.) erst aufstellt, wenn die CTs in Bremerhaven ausgelastet sind – also nach derzeitigem Wissensstand im Jahre 2015. Vor diesem Hintergrund kann man die Suggestivfrage von Herrn Wülfers an die niedersächsischen Parlamentarier „Wer bezahlt schon 306 Mio. Euro, wenn er nicht von diesem Hafen überzeugt ist?“ nur als Blendwerk für Personen werten, die nur oberflächlich mit der Thematik vertraut sind. Die Landesregierung sollte dies jedoch als Chuzpe entlarven (können) und wäre wohl beraten, ein Moratorium über Planung und Terminierung des JWP zu verhängen. Sonst könnte der JadeWeserPort – so wie es jetzt Amsterdam erfahren muss – mangels Bedarfs eine weitere Milliarden teure Industriebrache an der Jade mit immensen Folgekosten für das Land Niedersachsen und die Stadt Wilhelmshaven werden.
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