JadeWeserPort
Nov 302005
 

Rattenschwanz

Der JadeWeserPort (JWP) schleppt eine Fülle unabschätzbarer Folgewirkungen hinter sich her.

(jm) Aufgrund von Einwendungen gegen die JWP-Projektplanung sah sich die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest genötigt, ein Planänderungsverfahren einzuleiten. Sieben Beweissicherungskonzepte und zwei Planänderungsanträge mit zahlreichen Änderungs- und Zusatzmaßnahmen musste die JWP- Realisierungsgesellschaft der Genehmigungsbehörde nachreichen. Stahlpreiserhöhungen sowie Planänderungs- und Entschädigungs- und Folgekosten machen die Preiskalkulation für den Container-Terminal zu Makulatur.

So wollte man z.B. nur eine 1.725 m lange Spundwand für die Stromkaje des JadeWeserPort (JWP) verbauen. So steht’s auch im Planfeststellungsantrag von 2004. Jetzt sollen insgesamt 600 m in den Jadegrund eingepfählte Spundwandstrecke hinzukommen!
Eine soll zwischen Kühlwasserentnahme und –ausfluss des Kraftwerks nördlich der Zufahrt zum Maadesiel und die andere an den landseitigen Schiffsliegeplätzen der Niedersachsenbrücke eingerammt werden.
Diese aufwändigen Maßnahmen müssen – falls das Projekt genehmigt wird – bereits während des Baus des JWP durchgeführt werden. Denn der Ebbstrom, der jetzt noch unten durch die Gründungspfähle der Auffahrt zur Niedersachenbrücke abfließen kann, würde sonst gegen die aufgeschüttete Südflanke dieser erkerartig in die Jade vorgeschobenen Hafenanlage prallen, wodurch die Strömung abgebremst und umgelenkt würde. Und das ist mit unerwünschten Effekten verbunden, denen man abhelfen muss:

  • Die Abbremsung hätte zur Folge, dass das erwärmte, in die Jade zurückgepumpte Kühlwasser des Kraftwerks nicht mehr zügig genug nordwärts abfließen kann und die Wassertemperatur am Ansaugbauwerk vor dem Rüstersieler Deich so hoch wird, dass es im Kühlwasserkreislauf zu einem ‚Kurzschluss’ kommt; d.h., das Kraftwerk müsste mangels Kühleffekt abgeschaltet werden.
Kühlwasser 1

Abb. 1: Kraftwerk mit Kühlwasserabfluss, geplanter Prallwand und Kühlwasserentnahme mit Saugleitung Richtung Deich (gestrichelt); südlich davon das Maadesiel

Eine verringerte Strömung bewirkt zudem, dass sich mitgerissene Schwebstoffe und Sandfrachten vor dem Deich ablagern und sich die Wassertiefe dort so weit verringert, dass ein Wattstreifen am Deichfuß aus dem Wasser wachsen kann, der übrigens lt. Prognose erst weit südlich des Maadesiels – kurz vor der 4. Einfahrt – ausläuft. Die Kühlwasseransaugöffnung droht so mit zunehmender Aufhöhung des Meeresgrundes immer mehr Schlick- und Sandpartikel anzusaugen, was zusätzlich zur ‚Kurzschlussgefahr’, zu Schädigungen im Kühlwasserkreislauf führen würde. Und wie wir noch sehen werden, würden diese Probleme durch den Spundwandverbau der Niedersachsenbrücke noch verschärft …

  • Umgelenkt würde die Strömung unter der aufgeständerten Umschlagbrücke hindurch Richtung Jade-Fahrwasser. Hat auf der Seeseite einer der beladenen „Kohlefrachter“ festgemacht, dann prallt die Strömung gegen dessen Unterwasserschiff, wobei der Staudruck so groß wird, dass er die Haltekräfte der Trossen und Poller des Schiffes sowie der Leinenpoller auf der Umschlagbrücke übersteigen würde…

Zur Minderung beider Folgeerscheinungen auf ein vertretbares Maß wurde jetzt nachträglich beantragt,
♦ eine 400 m lange Spundwand zwischen Kühlwasseransaugwerk und –ausfluss parallel zum Deich, d.h. parallel zum Tidestrom zu bauen. Sie soll als Prallwand den Kühlwasserausfluss umlenken, damit sich dieses aufgeheizte Wasser nicht mehr so intensiv mit dem ursprünglich kühlen Jadewasser mischen kann. Der Kraftwerksbetreiber e-on scheint jedoch den Bau einer neuen seewärts verlagerten Kühlwasseransauganlage und einen neuen von Versandung unbeeinträchtigten Kühlwasserabfluss zu favorisieren (und hat das mit dem Planantrag für einen 2. Kraftwerksblock getimed).

Kühlwasser

Abb. 2: Oben der umzubauende Kühlwasserausfluss und unten die zu verlegende Kühlwasserentnahme mit neuem Saugrohr zum Kraftwerk. In der Mitte die jetzige Kühlwasserentnahme mit Saugleitung (durchgestrichen). Links das Kraftwerk. Mitte senkrecht der Rüstersieler Deich.

Doch die JWP-Realisierungsgesellschaft hat Neubauerwägungen nur als Option für spätere Zeiten in ihren Antrag mit aufgenommen. Sie begründet das damit, dass die Verlandung der Anlagen durch das Ausbaggern von Baggergruben in der Jade (zur Sandgewinnung für die Aufspülung des JWP-Hafenkörpers) zeitlich hinausgezögert würde. Diese würden bis zur Endphase ihrer natürlichen Wiederverfüllung den sonst am Verlandungsprozess im Bereich der Kühlwasserentnahme beteiligten Treibsand entziehen. Erforderlichenfalls könne man den Kühlwasserabfluss durch Baggerungen freihalten.
♦ die Umschlaganlage der Niedersachsenbrücke teilweise mit Spundwänden gegen den durchströmenden Ebbstrom abzuschirmen. Da die Modelluntersuchungen zweier Fachinstitute zu krass unterschiedlichen Ergebnissen über die auf die Trossen eines 300 m langen „Kohlefrachters“ ausgeübten strömungsbedingten Zugkräfte kamen, beantragte man, sich zunächst im Zuge des Beginns der JWP-Bauarbeiten mit einer strömungsabschirmenden Stauwand von 120 m Länge zu begnügen. Diese soll – evtl. auftauchenden neuen Erkenntnissen entsprechend – bis auf eine Gesamtlänge von 200 m ausgebaut werden.
Doch dies wirft wieder neue Probleme auf:

  • – Die Versandung und Verlandung des Bereichs südlich der Niedersachsenbrücke wird durch die Strömungsabschirmung weiter verstärkt, sodass das Kühlwasserproblem des Kraftwerks weiter verschärft wird. Der Bau verlagerter Kühlwasseraustauschanlagen und Neuverrohrungen wird noch akuter – und kostenaufwändiger.
  • – Die landseitigen Schiffsliegewannen versanden noch mehr als durch den JWP sowieso schon. Der Aufwand für Unterhaltsbaggerei wird steigen. Möglicherweise ist es kostengünstiger, sie durch die Verlängerung der Umschlaganlage zu verlegen. Dies stünde in Einklang mit den vom Niedersächsischen Hafenamt im Rahmen der Planfeststellungsverfahren geäußerten Zukunftsoptionen, die wohl im Bauantrag für einen neuen Kraftwerksblock ihre Grundlage haben.
  • – Der Staudruck des Ebbstroms wird durch den Verbau dauerhaft auf die Spundwand und die Gründungspfähle der Umschlagbrücke übertragen. „Last not least“ darf der die Gründungspfähle fixierende Grund dem ausgeübte Druck nicht nachgeben.
  • – An den Enden der Umschlagbrücke (und möglicherweise auch hinter der Spundwand) kommt es zu Auskolkungen ungewissen Ausmaßes, welche die Standfestigkeit der die Umschlagbrücke tragenden Gründungspfähle zusätzlich gefährden. Dem will man lt. Antrag durch Verfüllung mit Steinen nach vorangehendem Bodenaushub begegnen. Detaillierte Untersuchungen über die Standsicherheit der Brücke sind in dem Änderungsantrag nicht enthalten. Trotzdem hat man ungeachtet eventueller Statikprobleme schon mal Modelluntersuchungen in einer neuen Versuchsanordnung mit 120 m Strömungsverbau durchführen lassen, bei der die seeseitige Liegewanne von 15 m (unter Seekartennull) auf 18,50 m vertieft wurde und der o.a. „Kohlefrachter“ einen um 3,20 m auf 17,50 m vergrößerten Tiefgang hatte.
Modell

Abb. 3: Modellversuchsbecken mit Versuchsanordnung JWP-Südflanke (unten), Niedersachsenbrücke (noch ohne strömungsabschirmenden Verbau) und Kohlenfrachter.

Das Experiment mit Verbau ist für den Antragsteller positiv verlaufen – aber das Ergebnis bezog sich ausschließlich auf einen über ein Modellschiff gelegten, mit Messinstrumenten bestückten Rahmen zur Feststellung der Zugkräfte. Ob die Pfahlgründungen der Niedersachsenbrücke dem widerstehen könnten, wurde dadurch allerdings nicht beantwortet…
Außer für den Kraftwerkseigentümer e-on sowie das Niedersächsische Hafenamt – als Vertreter des Eigentümers der Niedersachsenbrücke – wird auch für die NWO, die IVG, die WRG und die Umschlaganlage Voslapper Groden (Betreiber INEOS; Eigentümer Land Niedersachsen) samt dem bereits vor 25 Jahren genehmigten Zubau einer Umschlagbrücke für Flüssiggas ein Beweissicherungsverfahren durchführt. Natürlich nicht, weil alle was gegen den Terminal haben, sondern weil sie sich vorsorglich von eventuell durch den JWP ausgelöste nachteilige Auswirkungen auf ihre Anlagen, z.B. Versandungen der Schiffsliegeplätze, Standfestigkeit der Umschlagbrücken, schadlos halten wollen. Letztendlich werden die Bürger Niedersachsens auch noch für alle Folgekosten des JWP aufkommen müssen.
Nicht in der Beweissicherung mit aufgeführt ist das Maadesiel, für das die Stadt Wilhelmshaven zuständig ist. Dessen Binnenlandentwässerung dürfte durch die Verlandung wohl nicht weniger beeinträchtigt werden als der Kühlwasserausfluss des Kraftwerks einige hundert Meter nördlich davon. Weiter steht dahin, ob die seewärtige Zufahrt zur Sielschleuse für die Bootsschifffahrt weiter wie bislang durchfahren werden kann. Die Kosten für die Gewährleistung der unbeeinträchtigen Sielfunktion sowie der Schiffsanbindung der Maade an die Jade könnte also zur Gänze beim Wilhelmshavener Steuerzahler hängen bleiben.
Dem JWP hängt also ein ganzer Rattenschwanz gesicherter sowie möglicher und nicht erkannter Folgewirkungen an, für den letztlich die niedersächsischen und Wilhelmshavener Bürger den Gürtel noch enger schnallen müssen – sei es durch höhere Steuern und Gebühren oder durch Einschränkung der öffentlichen Dienstleistungen, Sozialabbau usw.
Völlig unzureichend in die Beweissicherung mit aufgenommen sind zudem der Jadebusen und der Hohe Weg, für die das Nationalparkamt als niedersächsische Fachbehörde zuständig ist. So sind für diese beiden vor unserer Haustür liegenden Wattenmeerbereiche weder den JWP-Bau begleitende topographische Vermessungen noch Kartierungen sich baubedingt verlagernder Sedimentstrukturen bestehend aus Feinsand, Schlicksand und Schlick vorgesehen. Sedimentumlagerungen im Wattenmeer sind von den dort ansässigen Bodentieren und –pflanzen jedoch nur begrenzt verkraftbar. Sie sind hoch spezialisiert und hochgradig an jeweils verschiedene Wassertiefen und Bodenarten angepasst. Von ihrer Existenz und Populationsdichte sind wiederum nahrungsspezialisierte Fisch- und Vogelarten abhängig.
Was auf dem Spiel steht, hat der Gutachter Prof. Dr. Ing. habil. Zanke in seinen Untersuchungen zu Langzeitauswirkungen des JWP auf den Fedderwarder Priel herausgefunden. Die Baumaßnahmen würden die dortigen Strömungsverhältnisse und die Wassertiefen verändern. Der Fedderwarder Priel liegt auf der Weserseite des Hohe Weg Watts…

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