JadeWeserPort 2
Okt 072004
 

Erörterungsmarathon

JadeWeserPort: Siebzig Stunden Beschäftigung mit dem Planfeststellungsantrag ergaben Zuwachs an Klärungsbedarf.

(jm) Es begann mit einem Irrtum: Wer geglaubt hatte, seine schriftlich eingesandten Einwände würden seitens der Antragsteller des JadeWeserPort-Vorhabens Punkt für Punkt beantwortet, sah sich getäuscht. Die wiederholten ihre aus den Antragsunterlagen bekannten Auffassungen unbeeindruckt von den tausenden schriftlich dagegen vorgebrachten Einwänden. So mussten die Einwender mündlich noch mal ganz von vorne mit ihren den Antragstellern (Behördendeutsch: Vorhabensträgern) bekannten Gegendarstellungen beginnen…

Für nicht erforderlich hielt die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung eine wiederholt von verschiedenen Seiten geforderte Risikoanalyse zu den neuen Schiffsverkehren – darunter hypothetische Megacarrier bis 430 m Länge – unter Berücksichtigung des Gefahrenpotenzials der auf der Jade verkehrenden Supertanker und der Masse an Ölprodukten-, Chemikalien- und Flüssiggastankern.
Den Einwendern reichte der Nachweis, dass es möglich sei, mit solch einem Schiff die Jade zu befahren, nicht aus. Sie wiesen auf Empfehlungen der anerkannten „International Navigation Association“ (Akronym: PIANC) und geltende Verkehrsrestriktionen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung hin, die bei den durchgeführten „Trockenübungen“ in Simulationsanlagen nicht beachtet wurden.
Selbst 170 durchgeführte Simulationsläufe würden nicht ausreichen, um eine Herabsetzung des Sicherheitsniveaus des Schiffsverkehrs auf der Jade zu rechtfertigen. Beantragt wurden eine Risikoanalyse und ein Risikovorsorgekonzept, in denen auch dem für die Jade charakteristischen Verkehrsaufkommen, wie zum Beispiel dem der verschiedenen gefährlichen Massengüter, Rechnung getragen wird.
Auch auf Landesseite hielt die Bezirksregierung Weser-Ems (noch zuständige Mittelbehörde der Nds. Landesregierung) ein Raumordnungsverfahren für nicht erforderlich.
Bei anderer Gelegenheit wird von der Landesregierung schon mal der entgegengesetzte Standpunkt vertreten: „Erstens ist sicher ein Raumordnungsverfahren erforderlich. Danach muss zweitens das förmliche Planfeststellungsverfahren vorbereitet werden.“ (Staatssekretärin im Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr, Dr. Birgit Grote, am 18.02.2000 bei der Vorstellung einer Projektstudie zum JadeWeserPort vor dem Deutschen Verkehrsforum.)
Aber solche Aussagen sind mit dem laufenden Planfeststellungsverfahren genauso wenig kompatibel wie das bunt bebilderte „Informationsmaterial“ der Wilhelmshavener Hafenplaner, mit denen sie den JadeWeserPort als Gesamtprojekt mit riesigen Ausbaukapazitäten und seinen strukturellen Auswirkungen auf das Hinterland verkaufen wollen.
Bei dieser Erörterung backt der Vorhabensträger (das Land Niedersachsen, vertreten durch die JWP-Realisierungsgesellschaft) lieber ganz kleine Brötchen:

  • Kanalisierung der Kaiserbalje? – Brauchen wir nicht!
  • Bebauung des Voslapper Grodens? – Ist Sache der Stadt Wilhelmshaven; wir brauchen den nicht!
  • Ausbau des JWP auf 10 km Kailänge mit 24 Schiffsliegeplätzen? – Beantragt ist ein JWP von 1,7 km Kailänge mit 4 Liegeplätzen, den wir wirtschaftlich (sic!) betreiben können. Bis zur Endausbaustufe ist es noch 50 – 60 Jahre hin.
  • Ausbau der Hinterlandanbindungen Schiene/Straße angesichts zukünftigen Verkehrsaufkommens bei Erweiterung des JWP um weitere Baustufen? – Wir planen einen Hafen, für den die bestehenden Hinterlandanbindungen ausreichend sind. Alles andere ist Sache der Bahn und der Straßenplaner.

Damit war der enge Rahmen der Planfeststellung abgesteckt, der die WZ offenbar zu der offiziösen Unmut erzeugenden Feststellung verleitete, 1900 Einwendungen seien durch den Rost gefallen…
Bei der Planrechtfertigung vollzog man dagegen eine Kehrtwendung, indem man langfristig denkbare Entwicklungen auf das Jahr 2010 vorzuverlegen suchte:
Platzmangel in Bremerhaven und Hamburg, die Schiffsgrößenentwicklung und -tiefgänge erforderten einen deutschen Tiefwasserhafen bis 2010!
Den Entgegnungen von Vertretern der anwesenden Umweltverbände, dass nach gegenwärtigem Wissenstand sowohl in Hamburg als auch in Bremerhaven noch Kapazitätsreserven bis 2020 bestünden, wurde erwidert, dass ohne den JWP schon ab dem Jahre 2010 erste Abkehrreaktionen der Reeder von den deutschen Häfen zu erwarten seien.
Unterschiedlicher Auffassung blieb man auch den zu erwartenden Schiffstiefgängen. Offenbar haben die Einlassungen der Einwender den Antragsteller in Person von Helmut Werner, Geschäftsführer der JWP-Realisierungsgesellschaft, stark beeindruckt, denn dieser brachte unvermittelt zunehmende Schiffslängen ins Spiel, die zukünftig ein Problem für Elbe und Weser darstellen würden.
Bemängelt wurde von den Einwendern, dass der Antragsteller keine Kosten-/Nutzenrechnung vorgelegt habe. Das sei auch nicht erforderlich, meinten die Anwälte des Antragstellers. Dies wurde von dem Vertreter des Fördervereins „Rettet die Elbe“ mit dem Hinweis auf die Rechtslage in Hamburg angezweifelt. Die Planfeststellungsbehörde gab dazu kund, dass nach Bundeswasserstraßengesetz keine Kosten-/Nutzenrechnung vorgelegt werden müsse.
Bezweifelt wurden auch die Arbeitsplatzangaben des Antragstellers im Terminal. Diese Zahlen erschienen im Vergleich zu anderen modernen Terminals total überhöht.
Zudem wäre der JadeWeserPort – er hätte ja nicht von ungefähr diesen Namen – nur eine weitere Ausbaustufe der Bremerhavener Container Terminals auf Wilhelmshavener Boden. Von dort aus würde er bearbeitet und mit Arbeitskräften versorgt. Die Erfahrung in Bremerhaven zeige aber, dass sich durch den Terminalausbau die Arbeitsplatzzahlen nur minimal erhöhten.
Der Antragsträger behauptete zudem, dass 3.000 bis 3.800 direkte und indirekte Arbeitsplätze innerhalb von 10 Jahren entstehen würden. Dagegen wurde angeführt, dass in Bremerhaven trotz Umschlagwachstums die indirekten Arbeitsplätze allein im Bereich Lagerei, Spedition, Kühlhäuser innerhalb von sieben Jahren von 905 auf 292 gesunken wären – also um mehr als 2/3 abgenommen hätten…
Offen blieb die Frage über das Ausmaß und die räumliche Ausdehnung der durch den Bau des JWP bewirkten Strömungsverlagerungen und die dadurch ausgelösten hydromorphologischen Umbauprozesse im Jadegebiet samt seinem Wattenmeerumfeld. Das Bundesamt für Wasserbau (BAW) meint dagegen, auf Grund einer Kurzzeituntersuchung feststellen zu können, dass sich nur im Nahbereich des JadeWeserPorts Veränderungen der Strömung ergeben.
Das rief zahlreiche Gemeinden, Landkreise, Fischer, Segler, Umweltverbände und auch das Wasser- und Schiffahrtsamt auf den Plan, die mögliche nachteilige Veränderungen ausgeglichen haben wollen und entsprechende Beweissicherungsverfahren beantragten. Auf die Frage, welche materiellen Folgen eine Schädigung des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer nach sich ziehen würden, wurde von der Bezirksregierung Weser-Ems beschieden, dass dafür dann Ausgleichsflächen geschaffen werden müssten.
Nicht so leicht abzubügeln war der Kraftwerksbetreiber e.on, der sich Gutachten hat erstellen lassen, aus denen hervorging, dass das erwärmte Kühlwasser des Werks nicht mehr ungehindert vom Ebbstrom davongetragen werden könne, weil durch den Vorbau des JWP in die Jade ein Strömungsstau entstehe. Dadurch würde sich das Wasser im Bereich der Kühlwasserentnahmestelle erhöhen. Dies hätte schon bei einer durchschnittlichen Wassertemperatur zu Folge, dass das Kraftwerk die Leistung zurückfahren müsse, weil die e.on verpflichtet sei, bestimmte Temperaturgrenzwerte einzuhalten. Bei starker Erwärmung der Jade im Hochsommer müsse das Werk sogar ganz abgeschaltet werden. Der JadeWeserPort würde somit den Bestand und die Ausbauoption des Kraftwerkstandortes Wilhelmshaven und die dortigen 200 Arbeitsplätze gefährden.
Damit nicht genug, fuhr die Gemeinde Butjadingen mit Prof. Ulrich Zanke vom Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft an der TU Darmstadt das nächste Kaliber auf:
Dieser demonstrierte an Hand einer Langzeituntersuchung die Wechselwirkungen zwischen der durch den JWP veränderten Tideströmung und dem dadurch ausgelösten Umbau des Jadegrundes. Letztere schaukeln sich demnach immer weiter auf und werden sich nach sechs Jahren über das gesamte Hohewegwatt hinweg bis hin zur Weser ausbreiten.
Die Erörterung musste durch lange Beratungen unterbrochen werden, bis man sich schließlich darauf verständigte, dass Prof. Zanke seine Untersuchungsmethodik bis zum 10. Oktober vorlegt.
Obwohl aus dem Planfeststellungsverfahren ausgeklammert, setzten die Einwender die Zukunft des Voslapper Grodens wieder auf die Tagesordnung. Sie verwiesen darauf, dass unnötig Eisenbahngleise im Vogelschutzgebiet verlegt werden sollen und es der Verlärmung durch den Hafen- und Verkehrsbetrieb ausgesetzt werde.
Die Einwender sprachen sich dagegen aus, dass der Eingriff in Natur und Landschaft, den der Hafenbau darstellt, ortsfern bei Wittmund kompensiert werden soll statt vor Ort, durch Erhalt des Voslapper Grodens als Vogelschutzgebiet.
Die Planfeststellungsbehörde – die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nordwest (WSD) – hat nun als Genehmigungsinstanz die Mammutaufgabe, die Angaben des Antragstellers an Hand der Einwendungen Punkt für Punkt hinsichtlich ihrer Belastbarkeit zu überprüfen. Und wenn nicht alles täuscht, dann wird sie jede Menge von Belegen für die Unbedenklichkeit des Planfeststellungsantrags einfordern müssen, bevor sie einen Planfeststellungsbeschluss fasst – die Antragsunterlagen scheinen nämlich alles andere als gerichtsfest zu sein…

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