JadeWeserPort 2
Jun 282000
 

Bürgerinitiative veröffentlicht geheimgehaltene Machbarkeitsstudie

Alle reden darüber, aber keiner hat sie gesehen

Am 21. Juni 2000 gab die Bürgerinitiative gegen den Jade-Weser-Port auf einer öffentlichen Veranstaltung im Kreuzelwerk bekannt, dass sie in den Besitz der Machbarkeitsstudie gelangt ist. Der Gegenwind dokumentiert die Rede des BI-Sprechers Manfred Berger anlässlich der Veröffentlichung der Machbarkeitstudie.

Guten Abend, liebe Damen und Herren, liebe Gäste!
Ich möchte heute über neue Entwicklungen um den JadeWeserPort berichten. Das wichtigste Problem ist die Machbarkeitsstudie. Ich möchte heute einen kurzen Ausflug in die Vergangenheit machen:

  • Die Machbarkeitsstudie sollte nach der Planung der Betreiber im November des vergangenen Jahres vorgestellt werden. Dieser Termin verzögerte sich, die Politiker und einige Bürger empfahlen uns, erst einmal auf die Studie zu warten und nicht unbegründete Panik zu verbreiten.
  • Anfang November des vergangenen Jahres haben wir ein Gespräch mit Herr Wilfrid Adam geführt, der uns versprach: „Wenn ich die Studie habe, werde ich sie der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.“
  • Einige Tage später erfuhren wir von Herrn van Weelden in einem Gespräch mit der Wilhelmshavener Hafenwirtschafts-Vereinigung: „Wenn ihr 100.000 DM auf den Tisch legt, könnt ihr die Studie bekommen.“
  • Am 18. Februar diesen Jahres wurde die Studie in Hannover im Rahmen des „Deutschen Verkehrsforums“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Nein, es wurde vorgestellt, dass die Studie vorhanden ist. Herr Baak, Leiter des Projektkonsortiums, zitierte einige Stellen, das war’s.
  • Oberbürgermeister Menzel versprach: „Nun , wo die Studie vorliegt, werden wir eine Informationsoffensive starten.“
  • Wir haben im Februar schriftlich bei der WHV nachgefragt, wann wir Einblick in die Studie bekommen; dieses Schreiben ist bis heute unbeantwortet.
  • Zwischendurch wurde wieder in Aussicht gestellt, dass die Studie eventuell auch nur in Ausschnitten veröffentlicht wird, aber auch diese Hoffnung wurde nicht wahr. Bröckchenweise veröffentlichte das eine oder andere Projektmitglied Fragmente der Studie in Fachzeitschriften oder der Tagespresse.
  • Am 7.Juni las ich in der WZ über eine Sitzung der Wilhelmshavener Grünen: „Die Studie muss her, alle reden darüber, aber keiner hat sie gesehen.“ 

BI JWPNun, meine Damen und Herren, wer uns und unsere Arbeitsweise in den vergangenen 10 Monaten beobachtet hat, weiß, dass es eine unserer Aufgaben ist, Informationen zu sammeln und ungefiltert an Sie weiterzugeben.

Hier ist eine weitere Information: Die Machbarkeitsstudie.

Am 8. Juni wurden die Umweltverbände AKN (Aktionskonferenz Nordsee), WWF, BUND, NABU und SDN (Schutzgemeinschaft Deutsche Nordsee) nach Oldenburg eingeladen, um von Mitgliedern des Projektkonsortiums über den Stand der Planungen zum JadeWeserPort informiert zu werden. In diesem Rahmen wurde die Machbarkeitsstudie gemäß dem Niedersächsischen Naturschutzgesetz übergeben.
Wir, Herr Freese und ich, haben anschließend Frau Ziebart und Herrn Ritterhoff von der AKN in Oldenburg getroffen. Dort haben wir die weitere Vorgehensweise im Zusammenhang mit der Studie besprochen. Wir waren uns einig, dass mit Aushändigung an die Umweltverbände Öffentlichkeit hergestellt worden ist.
Die Verbände werden die Studie an Gutachter, Universitäten usw. weitergeben, um sie dort analysieren zu lassen. Diesen Weg können wir vereinfachen.
Die Bürgerinitiative hat im Internet bereits eine ausführliche Informationssammlung angelegt. 700 Fachberichte, Studien, Arbeiten, Presseartikel und Leserbriefe haben wir bereits gesammelt. So macht es Sinn, auch diese Studie auf unserer InterSite unter www.antiport.de allen auf sehr einfachem kostenlosem Weg zur Verfügung zu stellen.

Wie sieht die Studie nun aus, welche Geheimnisse verbergen sich darin?

Das Papier, das uns vorliegt, ist nicht die komplette Studie. Diese besteht aus ca. 1 lfd. Meter Aktenordnern mit allen technischen Details, Simulationsergebnissen, Messergebnissen und Tabellen. Wir haben hier nur die textuelle Zusammenfassung der einzelnen Teilaufgaben, also die Kurzfassung. Für den heutigen Abend mag das genügen. Wir werden aber weiter versuchen, bestimmte Anteile aus der Studie einsehen zu können.
Diese Kurzfassung der Studie umfasst 139 Seiten, 13 Kapitel und 13 Anlagen.
Das Kapitel 12 und die Anlagen 9 bis 11 fehlen mit der Begründung „auf Wunsch des Auftraggebers – der Vertraulichkeit halber – ausgespart. Diese Teile sind nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Sie dienen ausschließlich zur Akquisition von Investoren für das Vorhaben.“
Im Kapitel 12 wird auf 33 Seiten die wirtschaftliche Bewertung des Terminals vorgenommen. Die regionalpolitischen Aspekte, hier sollten wir und auch die politischen Vertreter aufmerksam werden, sind auch in diesem Kapitel untergebracht.
Auf 4 Seiten werden die Beschäftigungseffekte beschrieben. Wir haben beim Leiter des Arbeitsamtes Dr. Lienau nachgefragt. Das Ergebnis: „Im Arbeitsamt liegen noch keine Plandaten für die Befriedigung eines etwaigen Personalbedarfs für das Projekt vor.“
Dafür ist die Studie bei der Beschreibung der Transportsysteme deutlich: „Systeme mit hohem Personalanteil sind für Jade-Port im Hochlohnland Deutschland nicht wirtschaftlich.“

Wirtschaftsprüfer beauftragt

Die fiskalischen Effekte werden auf einer Seite abgehandelt. Auch sie liegt uns nicht vor. Aber wir haben einen Wirtschaftsprüfer mit der Aufgabe betraut, eine fiktive Steuerrechnung in Bezug auf die Gewerbeertragssteuer zu erstellen. Dieses ist die einzige Steuer, die direkt der Stadtkasse zufließt. Sie können beruhigt sein, meine Damen und Herren, die Stadtkasse wird in den ersten 10 bis 12 Jahren nach Fertigstellung des JadeWeserPort keine Mark zusätzlich einnehmen!
Vertreter aus Politik und Wirtschaft haben vor einigen Wochen Rotterdam besucht. Von diesem beeindruckenden Hafen darf aber nur das moderne „EuropaTerminal“ betrachtet werden. Dort wird mit modernsten Anlagen eine Umschlagkapazität von 1100 TEU/Kajenmeter erreicht. Dieser Wert ist im weltweiten Vergleich absolute Spitze. Unser Stadtkämmerer, Herr Frank, setzte dem entgegen, dass im JWP 2000 TEU/Kajenmeter angestrebt werden! Diese Kapazität ist technisch nicht erreichbar. Also, Herr Frank, ich empfehle einen Blick in die Studie.
Die Studie macht hier eine klare Aussage: „Bei Errechnung der Leistungsfähigkeit des Jade-Ports wurde von einer Umschlagmenge von 1020 TEU/Kajenmeter ausgegangen.“

Erweiterung nach Norden

In der Studie heißt es weiter: „Beim frühzeitigen Erkennen von Kapazitätsengpässen in der Kajenabfertigung/Lagerkapazität ist der Terminal nach Norden zu erweitern.“
Meine Damen und Herren, diese Engpässe zeichnen sich laut Studie bereits heute ab. Im Jahr 2013 ist der Hafen mit der angestrebten Umschlagmenge von 1,8 Mio. TEU an seiner Leistungsgrenze angelangt. Will man hier die prognostizierten 4.1 Mio. TEU verarbeiten können, muss spätestens bei Fertigstellung des Terminals, also 2006, mit der Planung für die Erweiterung begonnen werden. Sie sehen, hier werden sich die Abläufe wie in Bremerhaven wiederholen.
Wir fordern hier: Hören Sie auf mit der Salamitaktik: Erst ein kleines Stück Hafen, dann eine größeres Stück, dann der Weser-Jade-Kanal. Legen Sie ehrliche Plandaten auf den Tisch!

Überbewertungen

Die Containerbrücken werden in der Studie mit 40 Bewegungen/Stunde angesetzt. In der HANSA[1] Ausgabe 6/99 und 11/99 wurde dieses Thema aufgegriffen und nachgewiesen, dass Bewegungszahlen von mehr als 30/Stunde in der Praxis nicht realisierbar sind. Also hier eine Überbewertung der Hafensuprastruktur.
Zum Thema „Überbewertung“ noch eine Anmerkung: Die Schiffsgrößenanalyse für den JWP bezieht sich auf Schiffe von maximal 14,50 Tiefgang. Also auch von Bremerhaven und Hamburg noch handelbar.
Warum in dieser Studie der Schiffstyp „MalakkaMax“ aufgeführt wurde, ist mir schleierhaft. Der MalakkaMax besteht nur in den Köpfen von Visionären und besitzt einen Tiefgang von bis zu 21m. Wenn dieses Schiff wirklich irgendwann einmal gebaut werden sollte, ist Wilhelmshaven mit Sicherheit aufgrund der geographischen Gegebenheiten nicht in der Lage, dieses Schiff aufzunehmen.
Die Studie ist so umfangreich, dass wir es noch nicht geschafft haben, uns ausführlich damit zu beschäftigen. In den nächsten Informationsveranstaltungen werden wir genauer auf den Inhalt eingehen. Ich hoffe, dass wir dann auch wieder Gastredner aus den Reihen der Umweltverbände dazu gewinnen können.

Jeder Hinweis ist wichtig!

Ich bitte Sie alle, laden Sie sich die Studie aus dem Internet, bearbeiten Sie sie. Denn Sie sind auch Fachleute und Gutachter. Sie kennen die lokalen Gegebenheiten, Sie kennen die Geschichte dieser Region. Wenn sie auf Ungereimtheiten stoßen, wenn Sie Fragen oder Anregungen haben, wenn Sie Betroffener sind, melden Sie sich bei uns. Wir werden diese Punkte aufnehmen und zusammen mit der AKN für das Planfeststellungsverfahren und das Raumordnungsverfahren aufbereiten. Bitte haben Sie keine Scheu, jeder noch so kleine Hinweis ist wichtig.
Noch eine Bitte an die Politiker der Stadt Wilhelmshaven und des Umlandes, auch an die WHV: Wenn Sie Studien oder andere Informationen besitzen, geben Sie diese zur Analyse und Veröffentlichung an uns weiter. Betrachten Sie uns bitte nicht weiter als polemische, panikmachende Monster. Wir haben das gleiche Ziel wie Sie:

  • Arbeitsplätze für Wilhelmshaven,
  • Gesundung der Stadtkasse,
  • eine lebenswerte Umwelt,
  • eine intakte Natur.

Wir möchten nur, dass der Entscheidungsprozess auf umfassendem, gesichertem Datenmaterial stattfindet.
Vielen Dank

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