JadeWeserPort
Jul 072008
 

Oldenburger Sandkuchen

Alternative Lösung des Sandabbaus für den JadeWeserPort wurde vom Gericht verworfen.

(jm) „Das Verwaltungsgericht Oldenburg – 5. Kammer – hat am 19. Juni 2008 die Klage des Landesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz Niedersachsen (LBU) gegen den Planfeststellungsbeschluss des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie abgewiesen, durch den dem Land Niedersachsen die Sandgewinnung auf dem Grund der Jade im Zusammenhang mit der Errichtung des Jade-Weser-Ports gestattet wird. Das Verfahren betrifft das Vorhaben, etwa 30 Mio. m³ Sand aus 2 Abbaufeldern östlich von Wilhelmshaven-Voslapp zu gewinnen und Ton aus der ausgebaggerten Fahrrinne in ein Abbaufeld einzubauen“, heißt es eingangs in einer Mitteilung der Pressestelle des Gerichts.


In der mündlichen Begründung des Urteils heißt es weiter: „Der vom Vorhabenträger eingereichte Rahmenbetriebsplan enthalte alle für die hier vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlichen Angaben, um die Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt feststellen und beurteilen zu können. Die Alternativenprüfung genüge bergrechtlichen Erfordernissen; zumal der Kläger mit dieser Rüge zu spät komme. Weiterer vom Kläger geforderter Untersuchungen zu den Auswirkungen des Vorhabens auf das Meer und den Meeresgrund bedürfe es nicht. Zwingende rügefähige Versagungsgründe lägen nicht vor. Auf Deichschutz und Küstensicherheit könne sich der Kläger als Naturschutzverband schon formal nicht berufen. Durch die angeordneten Nebenbestimmungen, insbesondere die umfangreiche Beweissicherung und den Vorbehalt etwaiger späterer Schutzmaßnahmen sei zudem gesichert, dass die Auswirkungen auf das Meerwasser und den Meeresgrund nicht über das zur Durchführung des Sandabbaus unvermeidliche Maß hinausgingen.“
Erstaunlich ist die Feststellung des Verwaltungsgerichts Oldenburg (VG), dass der LBU mit dem Alternativvorschlag, die versandete Jade-Fahrrinne wieder auf die planfestgestellte Sollbreite und –tiefe auszubaggern, statt bis zu 37 Meter tiefe Sandgruben wenige hundert Meter vor dem Voslapper sowie Rüstersieler Außendeich auszubaggern, zu spät komme. Dabei hatte der LBU genau das im Planfeststellungsverfahren vorgeschlagen! Denn die von der JadeWeserPort-Realisierungsgesellschaft (JWP-R) vorgelegten und von dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) dann auch genehmigten Alternativen sind im buchstäblichen Sinne sehr weit hergeholt:

  • Nutzung von Sandvorkommen im Binnenland
  • Nutzung von Brechsanden aus Schottland oder Norwegen
  • Nutzung von Waschbergmaterial aus dem Ruhrgebiet
  • Auch die vierte von der JWP-R angedachte Alternative, den Baggersand zwischen Jade-Fahrwasser und Außenweser zu gewinnen, ist im Vergleich zum LBU-Vorschlag der Wiederherstellung der Jade-Fahrrinne auf Solltiefe und –breite umweltschädlicher und teurer. Der LBU-Vorschlag hat zudem den Vorteil, ein noch größeres Polster für die Verkehrssicherheit insbesondere für die Groß- bzw. Tankschifffahrt auf der Jade zu schaffen.

Übrigens nahmen Hamburg und Bremen ein Vielfaches an Transportstrecken für die Aufspülung des Mühlenberger Lochs bzw. der Verlängerung des Bremerhavener Container-Terminals (CT IV) in Kauf: Sie holten sich einen Teil des Sandes aus der Jade-Fahrrinne (!)
Das Urteil des VG ist daher eine Riesenenttäuschung für die Kläger – zumal das Gericht zu der Beurteilung kommt, dass die angefochtene Alternativprüfung den bergrechtlichen Erfordernissen genüge. Zu dem im Naturschutzrecht verankerten Vermeidungsgebot von Umweltschäden schweigt das VG sich vorerst aus.
Man kann sich also nur in Geduld üben, bis das Gericht die ausführlichere schriftliche Urteilsbegründung fertig hat.
Überdies beschied das VG den Eilantrag des LBU abschlägig, die angelaufenen JWP-Aufspülmaßnahmen wegen unzureichender Abdämmung zu unterbinden. Der LBU hatte schon im Planfeststellungsverfahren vorgeschlagen, dass der Mengenbedarf an Spülgut verringert werden kann, indem durch vorangestellte Eindämmung des Spülfeldes der Rückfluss von Baumaterial in die Jade vermieden würde.
Das Gericht folgte der Behauptung der JWP-R, dass kein Sandrückfluss in die Jade festzustellen sei und dass man zur Überwachung Kontrollpeilungen vornehmen würde. Dazu ist festzustellen, dass man Trübstoffe bzw. die mit zunehmender Trübstoffdichte steigende Gewässerschädlichkeit nicht mittels Peilungen erfassen kann.
Leider hat der LBU bei der Beteiligung im Planfeststellungsverfahren bezüglich des Naturschutzes einen Punkt vernachlässigt, den die Verwaltungsgerichte auf Grund der EU-Rechtslage sehr ernst nehmen: die durch Baumaßnahmen bedrohten Tier- und Pflanzenarten, die auf der Roten Liste stehen.
Ein besonders geschützter Wattwurm wie der Sandriffe bauende Pümpwurm – deshalb auch Sandkoralle genannt – kann da mehr bewirken als alle anderen naturschutzrechtlichen Einwendungen zusammengenommen.
So wird z.B. der Start der Baggerarbeiten nach Einschätzung des Wasser- und Schifffahrtsamtes Hamburg sich um mehr als sechs Monate verzögern, weil „…die Planer zu Anfang unterschätzt (hatten), wie streng mittlerweile deutsche Gerichte die neuen EU-Naturschutzrichtlinien in sogenannten Flora-Fauna-Habitat-Gebieten (FFH-Gebiete) bewerten: Die bereits fertigen Planunterlagen werden daher jetzt noch einmal überarbeitet und müssen dann ein zweites Mal öffentlich ausgelegt werden. Die für Ende 2008 angepeilte Genehmigung und damit der Start der Baggerarbeiten dürfte sich damit erst einmal erübrigen.“ (Hamburger Abendblatt, 30.06.08)
Die Einwendungen des LBU zu Änderungen der Strömungsverhältnisse durch die Wasserbaumaßnahmen und die dadurch ausgelösten langfristig anhaltenden Umbauprozesse sowohl der Bodenstruktur als auch des Bodenprofils der Jade sowie der angrenzenden Wattengebiete reichten dem VG genauso wenig aus wie dadurch hervorgerufenen schädlichen Einwirkungen auf die Bioproduktivität der Bodentiere und des Planktons und somit der gesamten Nahrungskette. Kurz und bündig heißt es dazu in der Pressemitteilung des VG: „Der vom Vorhabenträger eingereichte Rahmenbetriebsplan enthalte alle für die hier vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlichen Angaben, um die Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt feststellen und beurteilen zu können.“
Nicht einmal die Hoffnung auf Anordnung eines Beweissicherungsverfahrens – wie es z.B. der NWO und der WRG bereits in den Antragsunterlagen bezüglich veränderter Sandeintreibungen an ihren Umschlagbrücken trotz Unbedenklichkeitsprognose zugestanden wurde – hat dieses Gericht erfüllt.
Auch der Klagepunkt, dass der Sandabbau zu nah vor dem Hauptdeich durchgeführt werde und sich dadurch laut Langzeitmodellversuchen des Prof. Zanker – neben Veränderungen der Strömungs- und Tiefenverhältnisse im Hohewegwatt – ein Priel am Deichfuß bilden kann, wurde zugunsten des Kurzzeitmodellversuchs der Bundesanstalt für Wasserbau verworfen.Da half es auch nichts, dass der LBU vor Gericht das Szenario entwickelte, dass in einer lang andauernden Sturmflutphase der Wellenschlag den Meeresboden vor dem Deich dermaßen aufwühlen könne, dass er infolgedessen in das benachbarte bis zu 37 m tiefe Baggerloch abrutsche. „Dann ist das Kind in den Brunnen gefallen.“ Das VG folgte da der Erwiderung der Genehmigungsbehörde (LBEG), dass man genügend Erfahrungen besitze, um das auszuschließen. Auf die Frage, wo denn diese Erfahrungen gesammelt wurden, nannte das LBEG die Weiße Bank und eine Stelle bei Hamburg.

Die Weiße Bank befindet sich in der von der internationalen Seerechtskonvention festgelegten „Ausschließlichen Wirtschaftszone“ (AWZ) vor der nationalen Küstenlinie – auch 200 Meilen-Zone genannt – die berg- und fischerei- und baurechtlich zu Deutschland gehört. Die Weiße Bank ist ca. 180 km von Wangerooge in nordwestlicher Richtung entfernt. Die Wassertiefe beträgt dort zwischen 35 und 39 Meter und ist damit etwas geringer als die des umgebenden Seegebiets mit mehr als 40 Metern.
Die Bank wurde von Baggern aufgesucht, die dort vermutlich mit Genehmigung des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) Sand für die Rotterdamer Hafenerweiterung abbaggern.

Der LBU wies darauf hin, dass die Weiße Bank weit draußen in der Deutschen Bucht liege und die Verhältnisse dort – genauso wie auf der Elbe – nicht mit der Situation im Bereich des Deichbandes vor den Wilhelmshavener Grodenflächen vergleichbar sei.
Diesen Einwand hörte sich das Gericht geduldig an und kam zu der Feststellung, dass ein Naturschutzverband nicht für Küstenschutz und Deichsicherheit zuständig sei.

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