JadeWeserPort 1
Mai 192010
 

Undank ist der Welt Lohn

Verzögerungen der Eurogate verunsichern die lokale Hafenlobby

(iz) Trotz aller Loyalitätsbekundungen der EUROGATE sollte die Stadt Wilhelmshaven endlich erkennen, dass die globale Hafenwirtschaft kein Ponyhof ist.

“Ich appelliere an die Beteiligten, schnellstmöglich einen Termin für den Start des Hafens zu nennen. Das erwarten die verunsicherten Menschen in der Region.” Enttäuschung und Wut schwingen mit in der Stimme des Oberbürgermeisters, der beim “WZ-Stammtisch” Anfang Mai diesen Appell an die Eurogate als zukünftigen Betreiber des JadeWeserPorts richtet. Verständlich, hat doch die Stadt seit über 10 Jahren den Inves-toren einen roten Teppich nach dem anderen ausgerollt, und plötzlich halten die sich sehr bedeckt. Menzel wittert “politisches Kalkül”, nachdem “bestimmte Dinge in bestimmten Zeitungen gestanden haben”.
“Kein Schiff wird kommen nach Wilhelmshaven” titelte die Financial Times Deutschland am 26.4.2010. “Der Jade Weser Port droht zu einer Investitionsruine zu werden. Der neue Containerhafen am Rand von Wilhelmshaven gilt unter Reedern als lästige Überkapazität. Die Betreiber wollen den Start um Jahre verzögern.” Durch die Containerkrise von 2009 hat allein die weltweit größte Reederei Maersk – als Partner von Eurogate mit 30% am JWP beteiligt – 2,1 Mrd. Euro verloren, die sie nun schleunigst wieder einfahren muss. Da bleibt kein Spielraum, um auf die großen Hoffnungen einer kleinen Stadt an der deutschen Nordseeküste Rücksicht zu nehmen.
“Der Jade Weser Port kommt zur Unzeit. Konzipiert wurde das rund 360 Hektar große Projekt, als die globale Containerschifffahrt von einem Rekordjahr zum nächsten eilte … Doch dann ließ die Weltwirtschaftskrise den Warenumschlag einbrechen. Das Überlaufventil JWP mit einer geplanten Startkapazität von 900.000 TEU (Standardcontainer) verwandelte sich plötzlich in eine ‘lästige Überkapazität’, wie aus Reederkreisen zu hören ist. Da hilft es auch wenig, dass der JWP der einzige deutsche Tiefwasserhafen sein wird … Viele Reeder winken ab”, ätzt die “Financial Times” weiter und schätzt die von Maersk und Eurogate angestrebte Verzögerung auf zwei bis drei Jahre. Das sei aber vertraglich gar nicht drin, versicherte Eurogate-Chef Emanuel Schiffer beim “WZ-Stammtisch”.

Bedürfnisse befriedigen
Schiffer ist gleichzeitig Vorstandsmitglied des Hafendienstleistungskonzerns BLG Lo-gis­tics Group. Dessen Wirtschaftsergebnis ist 2009 um 80% geschrumpft. Für das laufende Jahr rechnet man mit ähnlichen Zahlen. Dennoch will das Unternehmen eine Dividende von 25 Cent pro Aktie zahlen (dpa, 04.05.) Gleichzeitig wurden die Löhne der BLG-Beschäftigten über einen neuen Haustarif um bis zu 40% gesenkt. Zuvor waren 1.000 Jobs komplett gestrichen worden. Das persönliche Schicksal der Betroffenen vor Ort, ob in Bremer- oder Wilhelmshaven, steht nun mal nicht ganz oben auf der Agenda der Konzerne. Das ist nicht schön, aber die Realität, der man bei aller Begeisterung für den JWP ins Auge sehen muss.
Nicht nur in Wilhelmshaven steht das Ansehen der politischen Entscheidungsträger auf dem Spiel. “Die Niedersachen befürchten nun, dass der Hafen zwar pünktlich zum 5. November 2011 fertig wird, aber als Investitionsruine beste Wahlkampfmunition für die Opposition abgibt. Deshalb wird fieberhaft über Alternativen nachgedacht. Angeblich gibt es bereits Überlegungen, kurzfristig Offshore-Windenergie nach Wilhelmshaven zu holen … Ministerpräsident Christian Wulff persönlich soll sich um diese Option bemühen, die in Konkurrenz zu den Plänen in Bremerhaven, aber auch zu den niedersächsischen Offshore-Standorten Emden und Cuxhaven stünde. Das deutet darauf hin, dass niemand mehr ernsthaft mit einem schnellen Start des Containerterminals rechnet.” (Weserkurier 25.04.2010)
Von den früher prognostizierten riesigen Arbeiterkolonnen allein während der Bauphase sind nur 300 geblieben, die “konstant und bis zum Ende der Bauarbeiten” dort benötigt werden. Und die kommen überwiegend nicht aus Wilhelmshaven. “Die Bunte-Mitarbeiter kommen mit den Geräten, sozusagen als Nomaden”, wie die Realisierungsgesellschaft auf Anfrage beim “WZ-Stammtisch” ohne Umschweife klarstellte. Aber menschlich betrachtet ist es doch in Ordnung, dass Leute Arbeit haben – egal, ob sie nun von hier oder aus Hamburg oder Italien stammen. Selbst Schiffer wies darauf hin, dass es auch in Bremerhaven, Brake oder Nordenham viele Arbeitslose gibt. “So einfach ist es nicht, zu sagen, blockiert doch mal andernorts eure Aktivitäten, damit hier alles läuft.” Und überall gibt es Bürgermeister, die ihr letztes Hemd gegeben haben, um das Interesse und die Sympathie der Investoren zu gewinnen.
Zu Recht will auch die Region etwas vom großen Kuchen JWP abhaben. In Schortens entsteht das Gewerbegebiet JadeWeserPark, in Oldenburg baut Schenker eine neue Speditions-Drehscheibe. Nicht zuletzt muss die Bevölkerung “im Hinterland” auch negative Auswirkungen des Hafens mittragen. So gibt es in Bremen Protest gegen das Vorhaben der Deutschen Bahn, das Gleis 1 am Bremer Hauptbahnhof für den Güterverkehr vom JWP auszubauen.

Gefährliches Konkurrenzdenken
Tatsächlich ermöglicht erst das Kirchturmdenken der Länder und Kommunen den Konzernen, aus den verschiedenen Standorten Dumping-Bedingungen herauszukitzeln, um die eigene Rendite zu erhöhen. Die Global Player der Hafenwirtschaft gehen da sehr selbstbewusst ans Werk. Auf der einen Seite kritisieren sie zu teure Standortbedingungen wie zu hohe Hafengebühren oder Passage-kos­ten für den Nordostseekanal, auf der anderen Seite fordern sie ein höheres finanzielles Engagement der öffentlichen Hand zur Absicherung ihrer Aktivitäten. Bund und Länder sollen also auf Einnahmen verzichten, aber gleichzeitig aus den schrumpfenden Kassen mehr Investitionszuschüsse rausrü-cken.
Solidarität statt Konkurrenz forderte der ehemalige Raffineriechef Johan Anton van Weelden, der im Publikum des “WZ-Stammtisches” saß. “Wir sollten über einen Hafen reden, Bremerhaven, Hamburg und Wilhelmshaven zusammenfügen”. Das ist übrigens auch eine alte Forderung der Umweltverbände: auf unterschiedliche Schwerpunkte der einzelnen Standorte setzen, statt Elbe, Weser und Jade weiterhin parallel auszubaggern und zuzubauen, zu Lasten der Natur und der öffentlichen Haushalte.
Irgendein Schiff wird schon irgendwann kommen zum neuen Terminal am ehemaligen Geniusstrand. Dennoch haben die Skeptiker Recht behalten, was die Zweifel an den hochtrabenden Erwartungen unserer lokalen Politik und Wirtschaft betrifft. Die sich auch in den BürgerInnen festgesetzt haben. “Ich vermisse bei Eurogate ein klares Bekenntnis an die Reeder, nach Wilhelmshaven zu kommen, statt gleichzeitig die Elb- und Weservertiefung zu fordern”, ärgerte sich ein Zuschauer beim Stammtisch. Wieso sollten sie? Eurogate und Maersk sind nicht die Caritas und Herr Schiffer ist kein Abgesandter von Mutter Theresa.

Was lernen wir daraus?
In der Vergangenheit wurden die Skeptiker oft zurückgepfiffen, ja keine kritischen Nachfragen an die großen “Partner” zu stellen, um sie nicht zu verärgern und das Vertrauen nicht zu zerstören. Nun zeigt sich, dass schöne Pressefotos vom Bürgermeister neben Vertretern der Global Player keine Garanten für eine alles überdauernde Freundschaft sind. Selbst die Realisierungsgesellschaft lässt die Muskeln spielen und bereitet eine Klage gegen Eurogate vor für den Fall, dass die Terminzusagen für die Inbetriebnahme des JWP nicht gehalten werden. Und der niedersächsische Wirtschaftminister Jörg Bode drohte, Bremen beim weiteren Ausbau des Tiefwasserhafens außen vor zu lassen. Schluss mit Friede, Freude, Eierkuchen.
Es geht hier nicht um Schadenfreude darüber, dass Skepsis (leider) angebracht war – was nützte dem zerstörten Geniusstrand ein Denkmal aus 360 ha leerstehender Betonfläche? Es ist ja nicht das erste Mal, dass Investoren ihre Zusagen nicht einhalten. Am Anfang stand die Alusuisse, die ihren Plan für ein Aluminiumwerk auf dem Rüstersieler Groden ad acta legte. Der Bau des DFTG-Flüssiggas-Terminals löste sich nach fast 30 Jahren in heiße Luft auf. Bei der INEOS und der WRG-Raffinerie wurden Ausbau-Investitionen in Milliardenhöhe aufgegeben bzw. auf Eis gelegt. Und nach dem Großbrand weiß keiner, wie es mit der Raffinerie weitergeht. Unsere Lokalmatadoren sollten daraus lernen, zukünftig sachlicher und distanzierter mit potenziellen Partnern umzugehen und gleichzeitig offener mit kritischen Fragen aus der Bürgerschaft.

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