Jadeversandung
Aug 021993
 

Sandalarm

Bürgerinitiative Umweltschutz Wilhelmshaven zieht verkehrspolitische Schlußfolgerungen aus der Jadeversandung

(buw) Der markerschütternde Heulton einer einschlägig bekannten Wilhelmshavener Alarmsirene hält seit Tagen die Stadt mit einer Warnnachricht in Atem: Dem Image Wilhelmshavens als einzigem deutschen Tiefwasserhafen droht tödliche Gefahr wg. mangelndem Baggereinsatz gegen Sandeintreibungen ins Jadefahrwasser.

Doch die für die Fahrwasserunterhaltung zuständige Wasser- und Schiffahrtsverwaltung muß angesichts der erdrückenden Schuldenlast auf die Staatskasse sparen. Man kann es sich ganz offenbar nicht mehr wie in der Vergangenheit leisten, mit einem Jahresaufwand von schätzungsweise 6 Mio. DM die Jadefahrrinne für einen einzigen Supertanker über 18 m Tiefgang pro Jahr schiffbar zu halten.
Auf der einen Seite stehen also diejenigen, die das Image: „Wilhelmshaven: einziger deutscher Tiefwasserhafen“ beschädigt sehen und auf der anderen Seite der Staat, der alle Ausgabenbereiche nach Einsparmöglichkeiten durchkämmt.
Über den Einfluß, den die Verflachung der Jadefahrrinne auf die Verkehrssicherheit hat, macht sich scheinbar keiner der bei den Kontrahenten Gedanken.
Von beiden Seiten wurde in den vergangenen Jahren stereotyp auf die vielen Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit verwiesen und deren Wirksamkeit damit zu belegen versucht, daß seitdem kein Tankerunfall auf der Jade geschehen ist.

Doch daran allein hat es wohl nicht gelegen: Erheblich beigetragen zur Unfallfreiheit hat mit Sicherheit zum einen die stark verminderte Anzahl von Tankerankünften bei der NWO bzw. die Stillegung der MOBIL OlL Raffinerie. Zum anderen blieben die gefürchteten Supertanker aus, von denen in den siebziger Jahren mehrere die Jade durch Havarien an den Rand einer Ölkatastrophe brachten.
So hatten wir seit Mitte der achtziger Jahre die (politisch ungewollte) Situation, daß im Schnitt täglich kaum mehr als ein beladener Tanker jadeaufwärts fuhr. Ein ankommender Tanker, der tideabhängig, d.h. wegen seines Tiefgangs nur unter Ausnutzung der Tidewelle in einer gerade 300 m breiten Baggerrinne nach Wilhelmshaven surfen konnte, bildete die Ausnahme. Die Regel war der Tanker, der gezeitenunabhängig – also in der Regel mit mehreren Metern Wasser unterm Kiel – die Jade befahren konnte. Die Mehrzahl der Tanker war noch nicht mal an die 300 m breite Baggerrinne gebunden sondern hatte zum Manövrieren die volle Fahrwasserbreite von ca. 700 m zur Verfügung.

Seit Wiederinbetriebnahme der Raffinerie trat insofern eine Verschlechterung dieser im Vergleich zu anderen Seeschiffahrtsstraßen idealen Verkehrssituation ein, als es infolge der damit verbundenen Zunahme des Tankschiffverkehrs seitdem zwangsläufig zu einer steigenden Anzahl von Schiffsbegegnungen auf der Jade gekommen sein muß. Eine Verschlechterung deshalb, weil es bei“ Schiffsbegegnungen und Überholmanövern zu Zusammenstößen und/oder Strandungen kommen kann.
Das wirkt sich auf der Jade im Vergleich zu anderen Revieren ungleich dramatischer aus, weil hier Schiffe bei Ebbe schon ab 13,50 m Tiefgang aufwärts bereits vor den Sandeintreibungen nicht mehr überall die volle Fahrwasserbreite nutzen konnten – die sich also nicht durchweg an das Rechtsfahrgebot halten konnten. In solchem Falle stand für Schiffsbegegnungen schon zuvor lediglich ein Bruchteil der Fahrwasserbreite zur Verfügung.
Das Hauptaugenmerk der BUW richtet sich davon ausgehend weniger auf die Verflachung der Baggerrinne, die gezwungenermaßen durch ein Einlaufverbot für Schiffe über 18 m Tiefgang kompensiert wird, als vielmehr auf die Sandeintreibungen in die Seitenräume des Fahrwassers. Sie zwingen sich begegnende Tanker mit gefährlichen Massengütern, die nicht nur aus Öl sondern auch aus Flüssiggas und brennbaren, hochgiftigen Chemikalien bestehen, möglicherweise zu riskanten Ausweichmanövern mit abenteuerlich engen Passierabständen untereinander bzw. vom Strandungsbereich.

Die BUW appelliert deshalb an die besorgte Öffentlichkeit, sich für die vollständige tideunabhängige Schiffbarmachung der Fahrwasserbreite von 700 m für Schiffe bis 13,50 m Tiefgang einzusetzen. Alternativ dazu darf nur ein absolutes Begegnungs- und Überholverbot von Schiffen, die auf die vertiefte Baggerrinne angewiesen sind, zur Anwendung kommen.
Die BUW sieht ferner eine Verminderung der Verkehrssicherheit auf der Jade darin, daß durch die Verflachung der Baggerrinne mehr Schiffe als zuvor nur tideabhängig nach Wilhelmshaven kommen können. Sie macht sich jedoch damit nicht die Proteste der Alarmauslöser zu eigen, denen es vernehmbar nur um die durch einige Stunden Wartezeit entstehenden Kosten für einige wenige tideabhängige Tanker geht.
Sie sieht dagegen in jedem zusätzlichen Tanker, der nur unter Ausnutzung der Flutwelle die Jade befahren kann, ein vermeidbares Katastrophenrisiko. Doch dieses Problem läßt sich auch ohne Kosten für die Wiederherstellung und Instandhaltung der alten Solltiefen lösen: Einlaufverbot für alle Tanker, deren Tiefgang das sichere Befahren der Jade bei Niedrigwasser nicht zuläßt.

 

Seeschiffahrtsstraße Jade

Gezeitenverhältnise: mittlerer Tidenhub: 3,00 m (seeseitig), 3,80 m (hafenseitig)

Fahrwasser: Länge: 55 km, Breite: ca. 700 m (zw. den Tonnenpaaren der Fahrwasserbegrenzung)

Solltiefe: *)

Baggerrinne (Trasse ): Breite: 300 m (in der Mitte des Fahrwassers ausgebaggert)

Solltiefen über mittlerem Tideniedrigwasser (Zustand vor den Sandeintreibungen): 20,0 m ( seeseitig ); 18,5 m ( hafenseitig)

Höchst zulässige Schiffsmaße: Länge: 350 m; Breite: 52 m; Tiefgang: 20 m

Trassengebundene Schiffe: bei Flutstrom ab 16,5 m Tiefgang

Benutzung des äußersten rechten Fahrwasserrandes: bei Niedrigwasser (keine Angaben; aber bei Berücksichtigung des Böschungswinkels und einem Meter Wasser unterm Kiel sind das) max 13,5 m Tiefgang

Neue Tiefgangsbeschränkung: maximal zulässiger Tiefgang 18,0 m;  Trassen- und tidegebunden >14,5 m; rechter Fahrwasserrand bei NW < ??? m

*) Die seitlichen Fahrwasserbereiche außerhalb der Baggerrinne sind die Böschungsbereiche, für die uns keine Solltiefen bekannt sind. Es ist uns aber bekannt, daß auf Grund der hydromorphologischen Verhältnisse mit einem natürlichen Böschungswinkel von 1:50 zwischen Baggerrinnensohle und der ans Fahrwasser grenzenden Flachwasserzone gerechnet wird. Das würde heißen, dass das Jadefahrwasser an seinen seitlichen Fahrwasserrändern 4,0 m flacher ist als in der Baggerrinne.

 

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