Jade Hochschule prüft Südzentrale
Nov 292014
 

"Ein recht solides Gebäude!"

Ergebnisse der 3D-Laservermessung bescheinigen einen erfreulichen Zustand der Statik

3D-Laserscan der Südzentrale. Screenshot aus dem Kurzfilm der BIM.

3D-Laserscan der Südzentrale. Screenshot aus dem Kurzfilm der BIM.

(iz) 3000 Arbeitsstunden haben Studierende der JadeHochschule in die bauliche Analyse der Südzentrale investiert. Jetzt präsentierten sie Methoden und Ergebnisse des eingesetzten hochmodernen 3D-Laserverfahrens in einer öffentlichen Vortragsveranstaltung in der UCI Kinowelt. Die Schlussfolgerungen der Bauexperten übertrafen die optimistische Einschätzung des Vereins zum Erhalt der Südzentrale bei Weitem.

Unter Leitung von Professor Hans-Georg Oltmanns, Ideengeber und Katalysator des Projektes, erstellten die Studierenden im vergangenen Sommersemester ein komplettes Aufmaß des Industriedenkmals. Jelde Borgmann, Lydia Costen und Michael Buning haben ihre Masterarbeiten darüber geschrieben und präsentierten im UCI ihre Ergebnisse.

Vom Keller bis zum Dach wurde das Messgerät an 300 Positionen installiert und erfasste Milliarden von Messpunkten, gespeichert als 55 Gigabyte Rohdaten als Grundlage für verschiedenste Analysen. Ergänzend wurden historische Pläne und Bautabellen herangezogen.

Die Pfahlgründung ist sehr stabil. Solange das Holz in feuchtem Boden steht, wie es hier der Fall ist, verrottet es nicht. Zudem sind die Pfähle dicht an dicht gesetzt, waren sie doch auf extreme Belastung durch Kohleladungen und schwere Maschinen ausgelegt. „Nur an einer Stelle wurde eine Absenkung in einer Grundplatte festgestellt, die umgebenden Wände weisen jedoch keine Risse auf“, erläuterte Jelde Borgmann.

Als Michael Buning für die Vermessung erstmals die Südzentrale betrat, hinterließ sie „einen imposanten ersten Eindruck“. In Gruppenarbeit wurden alle Gebäudeteile erfasst und detailgetreu nachgebildet. Ein kurzer Film macht deutlich, welche Möglichkeiten der 3D-Laserscan ermöglicht. Schauen sie selbst.

Historische Stahlkonstruktionen sind in der Regel weniger stabil als moderne Legierungen. Sie weisen größere Schwankungen in der Zusammensetzung auf, in diesem Fall stammen sie zudem aus verschiedenen Werken. Es wurde festgestellt, dass es sich hier um Fluss-Stahl handelt, der nur minimal schlechtere Eigenschaften aufweist als heutige Legierungen. Schweißarbeiten sollten jedoch an historischen Stahlkonstruktionen nicht vorgenommen werden. Ursprünglich wurden die Konstruktionen genietet, was einer Schweißverbindung gleich kommt. Auch bei der Sanierung der Kaiser-Wilhelm-Brücke wurde so verfahren, wobei Schrauben eingesetzt wurden, die optisch wie Nieten aussehen, aber preisgünstiger sind.

Viele Reparaturen sind bei der Stahlkonstruktion der Südzentrale jedoch nicht erforderlich. Nur acht der 26 senkrechten Stahlträger der Maschinenhalle weisen in einem kleinen unteren Teilbereich Schäden auf. Ansonsten empfiehlt Oltmanns folgende

Sofortmaßnahmen zur Sicherung
      • Überprüfung des festen Sitzes der Nieten („eine recht einfache Sache durch Sichtkontrolle und Abklopfen“), ggf. Austausch / Ersatz
      • Sandstrahlen und neue Anti-Korrosionsbeschichtung der Träger
      • Ergänzung fehlender bzw. Austausch defekter Verbände in der Dachkonstruktion, um die Last wieder gleichmäßig auf die senkrechten Träger zu verteilen
      • Abdichtung der Fenster, zeitlich vorrangig vor
      • Abdichtung des Daches.

1914 wurde die 1908 erbaute Maschinenhalle um etwa ein Drittel Richtung (heutige) Ahrstraße verlängert. Dieser Abschnitt erhielt bereits zusätzliche Dachverbände, die im Ursprungsbau ergänzt werden sollten. Schäden bestehen beidseitig an den Hauptträgern 3 bis 6, von der Hauptfassade aus gezählt. Durch Ergänzung der Dachverbände würde die Last gleichmäßig auf alle Träger verteilt werden.

Die Analyse der Statik der Südzentrale präsentierte in eindrucksvollen Bildern Lydia Corsten, die an der RWTH Aachen ihre Masterarbeit zu diesem Thema geschrieben hat und jetzt im Bereich Stahlbaukonstruktionen und Tragwerksplanungen beruflich tätig ist. Anhand der grafischen Analyse ist genau zu erkennen, wo Teile der Stahlkonstruktion ausgetauscht oder ersetzt werden sollten – also in überschaubaren Bereichen von 8 der 26 Hauptträger und eher mehr kleinen Stellen in der Dachkonstruktion.

Nebengebäude nicht abreißen!

Lydia Corsten hat vier Modelle für die Maschinenhalle durchgerechnet – jeweils mit und ohne die Nebengebäude und mit (derzeit) zerstörten bzw. ersetzten Fenstern. Als Lastfaktoren hat sie Wind- und Schneelasten, das Eigengewicht, die Kranbahn und weitere eingerechnet. In jedem Fall rät sie davon ab, die Nebengebäude (links: Schalterhaus, rechts: Kesselhaus) abzureißen. Ihr Fazit „Das Gebäude ist derzeit in der Lage, seine Lasten abzuleiten“. Zusätzliche Sicherheitsreserven sind aber einzuplanen. Von einem Betreten rät sie ab.

Professor Oltmanns fasste zusammen: „Die Südzentrale ist ein recht solides Gebäude, auch wenn sie optisch desolat wirkt.“ Die Schäden sollten natürlich jetzt repariert werden.

In England, erklärte Oltmanns, werden derzeit alle historischen Gebäude mitels 3D-Laserverfahren erfasst und abgesichert. Der komplette Bau wird somit für die Zukunft dokumentiert.

„Diese Arbeit stellen wir für den Erhalt der Südzentrale gern zur Verfügung“. 3000 Stunden wurden investiert – unbezahlbar, ein großes Geschenk. Die Südzentrale biete Potenzial für weitere Masterarbeiten, erklärte Oltmanns. „Wir suchen solche praxisnahen Aufgaben für unsere Hochschule.“

„Professor Oltmanns hat uns Mut gemacht“, erklärte Rüdiger Nietiedt als Vorsitzender des Vereins zum Erhalt der Südzentrale. Er zeigte sich tief beeindruckt von den Ergebnissen der wissenschaftlichen Arbeit. Sein Dank galt auch Michael Kundy, der als Leiter der UCI Kinowelt Wilhelmshaven die Präsentation ermöglicht hatte.

Es wäre sehr erfreulich, wenn auch die Eigentümer des Industriedenkmals endlich realisieren, dass die Südzentrale keine „Schrottimmobilie“ ist, die einer Vermarktung des Grundstücks nur im Wege steht, sondern der Schlüssel für eine wirtschaftliche Inwertsetzung des Areals. Ganz aktuell haben sie ab der 49. Kalenderwoche den endgültigen Abriss angekündigt. Hoffentlich besinnen sie sich noch eines Besseren.

 

 

 

 

 

 

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