INEOS
Dez. 192006
 

Alles paletti?

INEOS ChlorVinyls will mehr produzieren – mit angeblich genehmigungsfähigen Mehrbelastungen für Mensch und Natur.

(jm) Seit dem 28. November liegen die Anträge des multinationalen INEOS- Konzerns (Ex-ICI) auf Erhöhung der vorhandenen sowie auf Zubau neuer petrochemischer Produktionskapazitäten aus. (Siehe Gegenwind Nr. 214; Artikel Keine rechtfertigende Geschäftsgrundlage)

Dafür braucht sie von den Genehmigungsbehörden je eine neue Genehmigung nach Bundesimmissionsschutz-Gesetz und Niedersächsischem Wassergesetz. Gegen die Anträge können bis zum 10.01.07 Einwendungen erhoben werden. Im Vorraum des Technischen Rathauses liegen die neun Ordner mit den Antragsunterlagen noch bis einschließlich 27.12. aus. Es liegen jedoch Exemplare mit der Kurzbeschreibung zum Mitnehmen bereit. (Die Kurzfassungen auf den Tischen im Vorraum scheinen schnell vergriffen zu sein! Man sollte dann im Auskunftsbüro nachfragen...) Wer Einwände gegen die INEOS-Anträge vorzubringen hat, muss diese bis spätestens 10. Januar abgeben. Am 17. Februar ab 10.00 Uhr soll dann der immissionsschutzrechtliche Teil in der Stadthalle erörtert werden.

Die Anträge und die Antragsunterlagen liegen bis zum 27.12. 2006 (einschließlich) bei den folgenden Stellen zu den üblichen Öffnungszeiten zur Einsichtnahme aus:
– bei der Stadt Wilhelmshaven, Technisches Rathaus, Rathausplatz 9, 26382 Wilhelmshaven (wasser- und immissionschutzrechtlicher Antrag
– bei der Gemeinde Wangerland, Rathaus, Helmsteder Straße 1, 26434 Hohenkirchen (wasser- und immissionschutzrechtlicher Antrag)
– beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), Direktion Geschäftsbereich VI —, Ratsherr-Schulze-Straße 10, 26122 Oldenburg (wasserrechtlicher Antrag)
– beim Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg, Theodor-Tantzen-Platz 8, 26122 Oldenburg, Zimmer 435 (immissionschutzrechtlicher Antrag).
An diese Stellen können auch fristgerecht die schriftlichen Einwendungen gesandt bzw. dort zur Niederschrift abgegeben werden.

Wir haben schon mal einen ersten Blick in die Kurzfassung der Anträge auf „Erweiterung des INEOS-Werkes in Wilhelmshaven am Standort Voslapper Groden“ geworfen:
Im ersten Teil wird die

  • Errichtung einer Ethylenanlage/Ethancracker
  • Errichtung einer Chloranlage
  • Wesentliche Änderung der VCM-Anlage
  • Wesentliche Änderung der PVC-Anlage

beantragt.

An die Beschreibung der Anlagen schließen sich Aussagen und Prognosen zur zukünftigen Luft- und Schallbelastung der Allgemeinheit und der Nachbarschaft sowie zur toxikologischen Beurteilung der Schadstoffimmissionen, der Störfallsicherheit mit „worst case“-Prognosen, Arbeitssicherheit, Abfallaufkommen und zu den schadstoffhaltigen Abwässern an.
Im zweiten Teil stellt die INEOS kurz die Ergebnisse der Umwelt-, Flora-Fauna-Habitat- und Artenschutz-Verträglichkeitsuntersuchung dar.
In dem Abschnitt „Toxikologische Beurteilung der Schadstoffimmissionen auf dem Voslapper Groden“, der im Folgenden unter die Lupe genommen wird, stellen die INEOS bzw. deren Gutachter das Vorhaben in allen Aspekten als genehmigungsfähig dar. Sie machen sich dabei zu Nutze, dass es für das durch Schadstoffimmissionen hervorgerufene Krebsrisiko offenbar keine kategorisch grenzsetzenden Rechtsmaßstäbe gibt.
So geht man zunächst von einer zusätzlich vertretbaren Krebserkrankung auf 100.000 Menschen aus (die lebenslang in Nachbarschaft der Beurteilungs- bzw. Immissionsaufpunkte wohnen), die die Gutachter dafür ausgesucht haben. Dann stellt sich bei Betrachtung der prognostizierten Gesamt-Immission der von INEOS emittierten krebserregenden Stoffe Ethylene-Dichlorid (EDC), Vinylchlorid-Monomer (VCM) und 1,3-Butadien heraus, dass dieser Maßstab mit einem Krebsrisiko von 1,195 : 100.000 – also um 19,5% – überschritten wird.
Das macht dann aber doch nichts, denn die „…gewählte Risikohöhe ist durch den LAI (Länderausschuss für Immissionsschutzfragen (bemüht sich um einheitliche Auslegung der Immissionsschutzbestimmungen durch die Bundesländer -red) nicht genau vorgegeben…“, und es wird „…auch ein höheres Risiko (bis 9:100.000) vom LAI als genehmigungsfähig diskutiert.“
Ähnlich verfährt man auch bei der Gesamtbelastung der Nachbarschaft durch Schadstoffimmissionen:
„Das Risiko im Ist-Zustand (ohne Erweiterung von INEOS) liegt bei 2,08 : 10.000 unter Einschluss der erwarteten Benzol-Zusatzemissionen nach Genehmigung der WRG und der JadeWeserPort Entwicklungsgesellschaft. Dieses Risiko ist im Vergleich zu ländlichen Gebieten mit einem assoziierten Risiko von 1,28 : 10.000 erhöht, ohne dass hierauf die Genehmigung oder Nichtgenehmigung relevanten Einfluss hat.“
Nachdem man eingeräumt hat, dass ein Gesamt-Krebsrisiko von 1,3 :10.000 sowieso nicht eingehalten werden kann, weil bereits jetzt eine deutlich höhere Belastung von 2 : 10.000 anlagenunabhängig vorliege, hängt man die Latte wieder mal eine Sprosse tiefer:
„Angesichts des im Vergleich zum Landesdurchschnitt niedrigen Hintergrundrisikos im Ist-Zustand vor Ort scheint es derzeit ein realistisches Ziel, ein Gesamtrisiko von 4 : 10.000 einzuhalten.“

Für die toxikologische Bewertung der lokalen Hintergrundbelastung mit Arsen, Asbest, Benzol, Cadmium, Dieselruß, Benzo(a)pyren, 2,3,7,8-Tetrachlor-Dibenzo-Dioxin, Nickel, VCM, EDC und 1,3-Butadien wurden drei Beurteilungspunkte festgelegt:

  • Bohnenburger Deich 24 (in Höhe des INEOS-Werksgeländes)
  • Hooksiel (am Bohnenburger Deich südlich des Hooksieler Binnentiefs)
  • Hooksieler Schleusenhaus

Schau’n mer mal, was beim weiteren Durchforsten des Antrages sonst noch alles ans Licht kommt…

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