Wunschbilder
Stadtimage nach dem Motto „Mehr scheinen als sein“
(noa) An welche Stadt denken Sie, lieber Leser, wenn Sie das Stichwort „alternative Energie“ hören? Nicht an Wilhelmshaven?!? Das müssen Sie aber! Ebenso: „Wer an Einkaufen und Bummeln in einer Küstenmetropole denkt, muß auch an Wilhelmshaven denken.“
Wenn sie „momentan noch nicht so denken, dann mangelt es Ihnen, wie vielen Mitbürgern, offenbar noch „an einer aktiven, emotionalen Identifikation“ mit Ihrer Heimatstadt. Aber warten Sie’s ab! Die Stadt hat sich von einem Public-Relation-Unternehmen ein Image-Konzept schreiben lassen und wird künftig kaum etwas unversucht lassen, Sie entsprechend zu beeinflussen.
Es ist in Mode gekommen, daß Städte etwas tun, um ihr Image auf zupolieren, und da darf Wilhelmshaven nicht zurückstehen. Angesichts der Strukturkrise der norddeutschen Bundesländer ist das verständlich und bestimmt auch in Ordnung. Es ist in Ordnung, wenn „Neugierde auf und Interesse für Wilhelmshaven“ geweckt wird, „mit dem Ziel, in der Stadt aktiv zu werden, sei es touristisch, journalistisch oder geschäftlich“-arbeitsplatzträchtige Betriebe z.B. könnten in Wilhelmshaven bestimmt nicht schaden (vorausgesetzt, es werden tatsächlich „umweltfreundliche Technologien entwickelt und angewendet“, wie es in der „Konzeption Image-Förderung Wilhelmshaven“, aus der die Zitate stammen, behauptet wird) .
Die Werbekampagne zur Image-Förderung ist schon angelaufen. Bestimmt ist es unseren Lesern nicht entgangen, daß der alte Slogan „Grüne Stadt am Meer“ abgelöst wurde durch einen neuen, der zwar etwas ungrammatisch, dafür aber, wie die Werbespezialisten behaupten, „einfach“, „glaubwürdig“, „selbstbewußt“ und „einprägsam“ ist: „Wilhelmshaven. setzt Zeichen“. Der Punkt hat stets“ blau zu sein, was eine Menge Extrakosten z.B. beim Druck von Plakaten verursacht, aber wir haben’s ja – nicht.
Wenn man die letzten paar Ausgaben des GEGENWIND durchblättert, so erinnert man sich an mancherlei Aktionen, die diese Behauptung stützen: Werbeaktion prominenter SPD-Funktionäre für Spielhallen (vgl. GEGENWIND 84 vom Februar 1989), Abholzungsaktionen an vielen Stellen im Stadtgebiet (vgl. GEGENWIND 85 vom März 1989), Gastfreundschaft für bayerische Altrechte (vgl. GEGENWIND 86 vom Mai 1989) usw. Aber nein, solche Sachen sind nicht gemeint!
So schön wie die professionellen Image-Förderer kriegen wir das selber nicht formuliert, deshalb zitieren wir wörtlich: „Neben dem Corporate Design bildet die Corporate Communication die tragende Säule des neu aufzubauenden Images. Der emotionale Gehalt des Logos und der neue Slogan sollen durch eine Vielfalt von abgestimmten und zielgerichteten öffentlichen Aktionen mit Kommunikationsinhalten gefüllt werden.“
Unterteilt in die Bereiche „externe“ und „interne Kommunikation“ listet das Papier fein säuberlich eine Reihe von Aktionen auf, versehen mit Nummer, Bezeichnung, Ziel, Zielgruppen, Veranstalter und Zeitplanung. Eingedenk der desolaten Wirtschaftslage interessierte uns an erster Stelle, was in Sachen Wirtschaft geplant ist. Da gibt es von sechs Aktionen immerhin eine, die sich an „potentielle Existenzgründer“ und „Vertreter von Unternehmen mit der Tendenz zur Verlagerung und Filialgründung“ wendet und eventuell die Ansiedlung neuer Betriebe in Wilhelmshaven zum Ergebnis haben könnte. (Zum Vergleich: An Journalisten, die über die Wirtschaft hier schreiben sollen, wenden sich drei Aktionen.)
Sieben Aktionen zum Bereich Forschung/Technologie/Umwelt sollen u.a. Wilhelmshaven als Stätte reger Forschung und wissenschaftlicher Arbeit darstellen. Gut. Nur: Wie vereinbart sich das Ziel, Wilhelmshaven als Ort zu profilieren, „an dem Innovationen im Bereich Energie und Umweltschutz entwickelt werden“, mit dem Knebelvertrag, durch den unser Gas- und Elektrizitätswerk auf 20 Jahre der PreußenElektra ausgeliefert wird (vgl. GEGENWIND 81 vom September 1988)? Wie vereinbart sich der Anspruch des Wattenmeerschutzes mit einer Befahrensregelung, die dem Leben im Wattenmeer keine Ruhe mehr läßt?
Von der Vielzahl der Aktionen sei noch eine recht lustige genannt: Mit dem Ziel der „Schaffung einer unverwechselbaren Wilhelmshavener gastronomischen Spezialität als Mittel der positiven Emotionalisierung“ soll ein „Wettbewerb unter den Wilhelmshavener Gastronomen zur Entwicklung eines Wilhelmshaven-Snacks“ initiiert werden.
Anders als dieser Wilhelmshavenburger ist der Wilhelmshavener Bürger in der Konzeption nicht als Image-Träger vorgesehen. Sind wir hier alle so gesichtslos und fad?
Ein Image ist ein Bild, eine Vorstellung, die man sich macht bzw. die man bei jemandem hervorrufen möchte. Da wird häufig nach dem Motto „mehr scheinen als sein“ verfahren. Klar, daß bei der Image-Förderung „die vorhandenen positiven Elemente der Stadt offensiv“ dargestellt werden. Die negativen Elemente haben da keinen Platz.
In der Aktion „Wilhelmshaven macht mit“, organisiert vom Pressereferat, sollen zum Zwecke der „Übertragung der Grundidee und der Inhalte der Stadtimage-Konzeption auf … Institutionen mit Multiplikator-Wirkung“ die Wilhelmshavener Bevölkerung und die „Meinungsbildner der Stadt“ auf das neue Image eingeschworen werden. Das soll wohl heißen, daß Missstände verschwiegen werden sollen. Wir machen da nicht mit!
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