Ich kaufe …?
Jun 302005
 

Ich kaufe hier

– natürlich. Es wäre ja wirklich total gaga, für eine Tüte Milch oder ein Kilo Äpfel aus der Stadt zu fahren. Oder habe ich da schon wieder mal etwas falsch verstanden?

kaufenTja, in Wirklichkeit kaufe ich hier ganz vieles nicht. Nicht etwa, weil ich den Wilhelmshavener Kaufleuten das Geschäft nicht gönnen würde, sondern weil ich vieles hier einfach nicht kriege. Das letzte Beispiel: Im Februar war in einer Wochenendausgabe der „WZ“ auf der Unterhaltungsseite die Besprechung des Spiels „Gartenzwerge e.V.“. Es klang ganz witzig, und ich legte den Ausschnitt beiseite, um bei Gelegenheit das Spiel zu kaufen. Neulich fiel mir der Zeitungsausschnitt beim Aufräumen wieder in die Hände, und da ich an dem Tag gerade in die Stadt musste, beschloss ich, das Spiel zu kaufen. Bei Karstadt riet man mir, es bei Lindemann und Lindemann zu versuchen – bestellen könnte man es mir nicht, denn man arbeite mit dem Verlag, in dem es erschienen ist, nicht zusammen. Bei Lindemann und Lindemann bekam ich telefonisch die gleiche Auskunft. Bei Dannmann habe ich es gar nicht erst versucht, weil ich da vor einiger Zeit bei einem anderen Kaufversuch schon erfahren hatte, dass die einem nichts bestellen. Ich habe das Spiel dann direkt beim Verlag bestellt.
Als ich im Bekanntenkreis von diesem Ärger erzählte, trat ich geradezu eine Lawine los. Der 14-jährige Jonas nutzt Berlin-Besuche, um sich einzukleiden, weil er hier weder Baggys in dem von ihm bevorzugten Schnitt noch die T-Shirts der unter Jugendlichen angesagten Marken (Bushido, Daven, Aggro Berlin) bekommt. Die Hosen, die er hier kriegen könnte, gefallen ihm nicht nur wegen des Schnitts nicht, sondern sie sind auch erheblich teurer als die „richtigen“.
Uwe hat versucht, in Wilhelmshaven ein Paar Hallentennisschuhe zu kaufen. Er hatte am Ende sogar Glück und fand ein einziges einsames Paar in seiner Größe im letzten Geschäft, in dem er es probierte, aber bis dahin lief er ein Paar Sohlen durch auf dem Gang durch alle anderen Sportgeschäfte.
Hannes suchte für sein Prägegerät brother P-touch 60 die passenden Prägebänder. Alles, was er angeboten bekam, waren Bänder für die vorsintflutlichen Geräte, in denen noch mit Hartkunststoffen die Buchstaben in die Bänder geprägt wurden. Das P-touch wird millionenfach verkauft, ist aber offenbar in Wilhelmshaven weniger bekannt – für die Bänder musste er nach Oldenburg fahren.
Und er erzählt gleich weiter. Er ist Hobbyfilmer. Ein Videofilm vernüdelte sich in der Kamera. Um ihn nicht ganz zu ruinieren, blieb nur, den Film durchzureißen oder zu –schneiden. Und dann? Früher haben wir Tonbänder und Super8-Filme geklebt. Heute? Es muss doch Reparatursets für Videofilme geben! „Versuchen Sie es doch bei Photo Porst, das ist ein Fachhändler“, riet man ihm bei ProMarkt. „So etwas werden Sie in Wilhelmshaven nicht bekommen“, sagte man ihm dort jedoch. Bei fotopoint schaute ihn die hübsch gestylte Verkäuferin ungläubig an, als er seinen Wunsch vortrug – sie hielt ihn offenbar für einen Zeitreisenden aus der Vergangenheit.
Whisky- oder Whiskeytrinken – eine Weltanschauung, die man in Wilhelmshaven allerdings nicht so richtig ausleben kann. Wer den sanften, den Gaumen schmeichelnden irischen Whiskey liebt, hat es schwer. Eine Flache Tullamore oder Kilkenny bekommt man leicht, aber für den qualitativ nicht besseren Paddy muss man einige Geschäfte ansteuern und hat mit viel Glück im zweiten Erfolg. Doch wer sich einen Jameson gönnen will, muss die Stadtgrenzen hinter sich lassen. Da kann man froh sein, dass man sich nicht auf schottische Qualitäten eingetrunken hat – da bliebe wohl nur der Seeweg nach Helgoland! (noa)

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