Hochspannung
Nov 042009
 

Landschaftsverdrahtung

Wilhelmshaven ist in die engere Auswahl zur Anknüpfung des von der „NorGer“ – einem norwegisch-schweizerischen Konsortium – geplanten 500-kV-Kabels für die ‚Hochspannungsgleichstrom-Übertragung’ (HGÜ) von Norwegen via Nordsee nach Deutschland einbezogen worden. Dies geht aus einem Schreiben des u.a. für die Landesentwicklung in Niedersachsen zuständigen Ministeriums im Rahmen des laufenden Raumordnungsverfahrens hervor (s. Gegenwind Nr. 244).

Ursprünglich war neben Stromanschlüssen an Elbe und Ems auch Conneforde (Landkreis Ammerland) in Erwägung gezogen worden. Doch jetzt sind nur noch das Umspannwerk Maade sowie zwei Anknüpfungspunkte an der Unterweser übrig. Alle drei liegen im Kartellgebiet des E.ON-Konzerns. An einem dieser Punkte soll der Strom von deren Tochter – der „E.ON Netz“ – zum Weitertransport übergeben werden.

StromDa die E.ON (wie auch die anderen der Vierergruppe des deutschen Netzkartells –Vattenfall, E.ON, RWE und EnBW) dafür kein HGÜ-Netz bereithält, muss der Gleichstrom an dem noch festzulegenden Anknüpfungspunkt in 380-kV-Wechselstrom umgewandelt und transformiert werden. Um die Elektroenergie effizienter und damit kostengünstiger zu den Verbraucherschwerpunkten zu leiten, könnte es langfristig von Vorteil sein, ein Gleichstrom-Langstreckennetz als Alternative zum Wechselstromnetz einzurichten. Auf Langstrecken treten bei der HGÜ nämlich weit weniger Leitungsverluste und  Elektrosmog-Emissionen auf. Dementsprechende innovative Erwägungen sind nicht bekannt. Stattdessen planen und bauen große europäische Stromkonzerne ineffiziente Mega-Kraftwerke – wohl um der gesellschaftlich gewollten Erhöhung der Stromversorgung aus regenerativen Energien technische Grenzen zu setzen. Denn kohle- so wie auch uranbefeuerte Großkraftwerke können nicht flexibel auf Stromschwankungen durch Wind- und Solarstromerzeugung reagieren. Und durch neue Kohlekraftwerke und Laufzeitverlängerungen von Atomkraftwerken erhöht man hastig die Dämme gegen die anrollenden Wogen regenerativ erzeugter Energien. Das dahintersteckende Motiv der Stromkartelle lässt sich nur als Verteidigung ihrer Oligopolstellung auf dem Strom„markt“ durch Kleinhalten mittelständischer und privater Stromproduzenten erklären. Da passt es ins Bild, dass der in Norwegen eingespeiste Hochspannungsgleichstrom nicht mehr beim Fernleitungsknotenpunkt Conneforde an die E.ON-Netz, sondern schon möglichst dicht hinterm Deich zum Weitertransport ins Binnenland übergeben werden soll. Das deutet darauf hin, dass die E.ON-Netz keinen Mitverdiener in ihrem Kartellgebiet dulden will. Dies könnte einem als Zaungast ja auch wurscht sein, falls die E.ON das Gleichstromkabel von der Küste wenigstens bis zum Stromknotenpunkt Conneforde fortführen würde. Da der Gleichstrom jedoch in einem der an der Wasserkante vorgesehen E.ON-Umspannwerk landen soll, kann man sich an seinen fünf Fingern abzählen, dass die „E.ON Netz“ die Leitungslücke zwischen Waterkant und Binnenland lieber mit weiteren 380-kV-Wechselstromleitungen schließt. Falls Wilhelmshaven den Zuschlag bekommt, würde die „E.ON-Netz“ den Jaderaum sogar mit mehreren Stromleitungen beglücken wollen: Neben den bestehenden 110- und 220-kV-Fernleitungen ist ja schon eine 36 km lange 380-kV-Wechselstromleitung für die Energieabfuhr von künftig zwei Kohlekraftwerken auf dem Rüstersieler Groden nach Conneforde genehmigt worden. (Dafür sollen 21 km Freileitungen gespannt und 15 km verkabelt werden.)

Doch die drei allein können die Stromkapazitäten der in Wilhelmshaven mittelfristig vorgesehenen vier Kohlekraftwerke sowie der ‚Offshore-Windkraftparks’ nach Ansicht der Antragstellerseite nicht mehr bewältigen. Dafür wird bereits über eine zweite 380-kV-Leitung nach Conneforde nachgedacht. Und wenn jetzt noch der Strom aus Norwegen in Wilhelmshaven anlanden soll, könnten auch die dann schon vier Stromleitungen nicht mehr ausreichen. Ob es da nicht angezeigt wäre, die damit von der Landesregierung zu genehmigende und der E.ON-Konzernzentrale zu beschließende Landschaftsverdrahtung noch mal zu überdenken und zu untersuchen, ob sich ein ausreichend dimensioniertes HGÜ-Kabel nicht besser rechnet als vier bis fünf Wechselstromleitungen? Bürgerverbände wie der „Bund der Energieverbraucher“, „Attac“ und „Robin Wood“ meinen dagegen ganz generell, dass die Übertragungsnetze des Stromkartells in die Öffentliche Hand gehören, denn die „… Stromkonzerne hätten aufgrund ihrer Monopolstellung in den vergangenen Jahren die Netzentgelte auf Kosten der Verbraucher in die Höhe getrieben, das Geld einkassiert und die Netze verrotten lassen.“ (Attac, 27.11.08). Von der Bundesregierung fordern sie deshalb eine soziale und ökologische Stromversorgung. (jm)

 

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