Verhöhnung von Arbeitslosen
Keine Zustimmung für Menzel auf der ALI-Versammlung
(noa) Traditionell ist Oberbürgermeister Eberhard Menzel Gast bei der Januar-Versammlung der Arbeitsloseninitiative Wilhelmshaven/Friesland. Am 11. Januar hatte er um die Zeit noch andere Verpflichtungen und kündigte eine beträchtliche Verspätung an.
Werner Ahrens nutzte die Wartezeit für einige Hinweise an die Versammelten zu den Bescheiden über Alg II. Einige nützliche Hinweise kamen auch aus der Versammlung.
Ganz wichtig ist: Wer einen Widerspruch gegen seinen Alg II-Bescheid erwägt, muss sich beeilen. Bis spätestens muss 31. Januar muss der Widerspruch bei der Agentur für Arbeit bzw. dem Sozialamt vorliegen. Vorsichtshalber sollte jeder, der seinen Bescheid nicht nachvollziehen kann, z.B. weil darin andere Zahlen stehen als im Antrag angegeben, dem Bescheid widersprechen, denn nach Ablauf von 4 Wochen ist er rechtsgültig und kann nicht mehr angefochten werden. Wer eine Begründung für den Widerspruch so schnell nicht zustande kriegt, kann auch „zur Fristwahrung“ mit einem Satz Widerspruch einlegen und ankündigen, dass er die Begründung nachreicht, und als wichtig bezeichnete Ahrens es auch, sich nicht durch die Angabe einer sehr kurzen Frist bis zur Begründung selber zu binden.
Auch alle diejenigen, die die so genannte 58-er-Regelung unterschrieben haben, sollten jetzt an die Arbeits-Agentur schreiben und fordern, dass sie ihre Arbeitslosenhilfe weiter bekommen – immerhin bestehen zwischen ihnen und der Agentur Verträge, die jene nicht einfach ignorieren kann.
Aus dem Publikum kam ein wichtiger Tipp an Alg II-Empfänger mit erwachsenen Kindern, die schon eine eigene Wohnung haben und noch Anspruch auf Kindergeld haben: Das erwachsene Kind soll sein Kindergeld selbst beantragen und sich direkt auf das eigene Konto überweisen lassen, damit es nicht in das anzurechnende Einkommen der Eltern fällt und damit das Familieneinkommen schmälert.
Und noch ein wichtiger Hinweis: In der Beratung zeigte sich, dass jeder Bescheid für einen anderen Zeitraum gilt. Manche Bescheide gelten drei Monate, andere sechs Monate, und auch dazwischen gibt es welche. Deshalb sollten alle Betroffenen sich den Termin für die Neubeantragung im Jahreskalender vormerken, weil noch keiner weiß, ob sich die Arbeits-Agentur selber melden wird oder nicht – tut sie es nicht und stellt ein Betroffener nicht selber rechtzeitig den Folgeantrag, fehlt ihm das Geld, denn rückwirkend geht dann nichts mehr.
Gegen 11 Uhr kam Menzel dann, als die Stimmung in der Versammlung schon wieder so richtig “gut“ war, nachdem Werner Ahrens noch eben darauf hingewiesen hatte, dass Hartz IV keinen Urlaubsanspruch, den Arbeitslosenhilfeberechtigte immerhin noch hatten, vorsieht.
Menzel trug vor, dass 30 Beschäftigte der Stadt jetzt in der Arbeitsgemeinschaft mit der Agentur für Arbeit (ARGE) arbeiten. Auch er übte Kritik an Hartz IV: Das Gesetz sei in einer Nacht- und Nebelaktion entstanden und musste infolgedessen unter großem Zeitdruck – gleichsam auch in einer Nacht- und Nebelaktion – umgesetzt werden. Stolz äußerte er sich darüber, dass trotz der großen Eile am Ende fast alles geklappt hat. Inhaltlich jedoch scheint er kein Problem mit Hartz IV zu haben: Es sei sehr sinnvoll, so sagte er, dass die beiden steuerfinanzierten Leistungen, die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe, in einer Leistung zusammengeführt worden seien, und alle sozialen Systeme müssten neu organisiert werden. Es müsse eine Umkehr geben zu einem System, das die Verantwortung des Einzelnen einfordert. Das Publikum zeigte sich wenig beeindruckt von diesen Ausführungen Menzels, viel Zustimmung gab es aber für die Kritik an dieser Meinung: Die beiden „steuerfinanzierten Leistungen“ seien zwei vollkommen unterschiedliche Dinge gewesen. Durch Arbeit und Beitragszahlung erworbenes Recht die eine, ein Recht auf Versorgung in Notlagen die andere; Menzel solle doch bitte nicht die Leute, die lange gearbeitet und ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld und danach -hilfe erworben hätten, in einen Topf werfen mit denen, die er zwar nicht mit Worten, aber mit seiner Beschreibung („seit drei Generationen nie gearbeitet…, Sozialhilfekarriere vorgezeichnet…“) als Sozialschmarotzer bezeichne. Was er da tue, sei Verhöhnung von Arbeitslosen!
Und ebenso viel Beifall gab es für einen Beitrag, in dem eine Teilnehmerin Menzel ihr Befremden darüber ausdrückte, dass er den Sozialabbau befürworte (Menzel dazu: „Das habe ich nicht gesagt! Ich befürworte den Sozialumbau“ – was im Fall Hartz IV dasselbe ist).
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