Die Stadt Jever fand mit Yvonne Erdmann eine "maßgeschneiderte" Billiglösung gegen die Frauenpolitik
(noa) Als im Frühling erstmalig zu lesen war, daß die Stadt Jever die Stelle einer Frauenbeauftragten als einen 610 DM-Job ausschreiben werde, bezeichnete Birgit Puvogel dies in einem Leserinnenbrief an die WZ als „Realsatire“. Was nun daraus geworden ist, ist sogar eine Groteske.
Im Frühling konnte man ja noch hoffen, daß sich auf diese Ausschreibung einfach niemand bewerben würde. Die Verlautbarung der Jeverschen Stadtspitze, die Bewerberinnen hätten sich sogar ganz erfreut gezeigt über die Möglichkeit, 610 DM monatlich für einen Arbeitstag pro Woche zu verdienen, machte diese Hoffnung wieder zunichte. Und nun hat die Stadt Jever mit Yvonne Erdmann eine Frau eingestellt, die diese 610 DM neben einer vollen versicherungspflichtigen Beschäftigung beim Fliegerhorst Upjever verdienen will!
Die nicht versicherungspflichtige („geringfügige“) Beschäftigung einer Gleichstellungsbeauftragten auf 610 DM-Basis neben einer vollen Stelle ist nach dem Überblick der Wilhelmshavener Frauenbeauftragten Dr. Jutta Niedersen-Marchal (bislang) einmalig in Deutschland. Und die Schortenser Frauenbeauftragte Dora Fuhlbohm sagt: „Ein 610 DM-Job ist schon schlimm genug – ein 610 DM-Job zusätzlich zu einer vollen Stelle ist aber das Schlimmste, was passieren konnte.“
Für Jever ist das eine „maßgeschneiderte“ Lösung, beileibe aber nicht aus dem Grund, den Stadtdirektor Ingo Hashagen in der WZ vom 23.7.97 nennt, nämlich „weil sie (Frau Erdmann) für ihren Job bei der Stadt Erfahrungen vom Fliegerhorst mitbringt und beim Bund auch entsprechende Kurse besucht hat“, sondern weil die Stadt Jever sich bis auf weiteres davor geschützt hat, eine richtige Arbeitsstelle einzurichten.
Nach der Niedersächsischen Gemeindeordnung von 1993 war Jever zur Bestellung einer hauptamtlichen Frauenbeauftragten verpflichtet, und als viele Gemeinden gegen diese Bestimmung klagten, war Jever mit dabei. Im März 1996 wurde per Gerichtsbeschluß die 10.000 EinwohnerInnen-Grenze auf 20.000 heraufgesetzt. Mit dem Bückeburger Urteil war Jever aus dem Schneider.
Eine der Aufgaben einer kommunalen Frauenbeauftragten besteht darin, sich für die Schaffung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen für Frauen einzusetzen. Eine 610 DM-Kraft ohne volle Stelle im Hintergrund hätte vielleicht nach ein oder zwei Jahren gegenüber der Stadt auftreten und belegen können, daß ein Arbeitstag pro Woche nicht genügt und die Stelle zumindest in eine hauptamtliche Teilzeitstelle umgewandelt werden müsse. Nach einem Jahr guter Arbeit wäre vielleicht der entsprechende Druck der Öffentlichkeit ausreichend groß gewesen, um das durchzusetzen.
Um eine hauptamtliche Frauenbeauftragte in Jever zu bekommen, ist solch öffentlicher Druck notwendig. Yvonne Erdmann hat selber überhaupt keinen Grund, sich dafür stark zu machen. Als vollbeschäftigte Sachbearbeiterin bei der Bundeswehr verdient sie mehr als eine hauptamtliche Frauen- beauftragte mit halber Stelle. Sollte sie tatsächlich feststellen, daß ihre 7 Stunden 42 Minuten nicht ausreichen, um ihr Amt vernünftig zu versehen, dann müßte sie bald für ihre Entlassung eintreten. Sie möchte aber ihre „zusätzliche Aufgabe gerne langfristig ausüben“, denn „ihre Nebentätigkeit werde mit 610 Mark netto gut bezahlt, beurteilt die neue Gleichstellungsbeauftragte ihren zusätzlichen Job, den sie nach Feierabend ausüben werde“, lesen wir in der WZ.
Wie viele andere Frauen nennt Wilhelmshavens Frauenbeauftragte die Jeversche Billiglösung „empörend“, und sie sagt: „Jever hat damit die Frauenpolitik lächerlich gemacht.“ Sie hegt erhebliche Zweifel daran, daß Frau Erdmann auch nur annähernd die Aufgaben wahrnehmen wird, die sie als kommunale Frauenbeauftragte hat: „Natürlich ist ein Schwerpunkt dieser Arbeit die Einzelberatung. Frau Erdmanns Arbeitszeit wird aber für mehr nicht reichen.“ „Sie wird mit einem Handy ausgerüstet und dann jederzeit erreichbar sein“, versichert Ingo Hashagen laut WZ, und donnerstags wird sie im Rathaus eine Sprechstunde abhalten. Doch außer Einzelberatung gibt es noch erheblich mehr zu tun. „Die kommunalen Frauenbeauftragten haben die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß das Gleichberechtigungsgesetz angewandt wird. Das bedeutet, daß sie bei Einstellungen mitwirken. Und in der Zeit der Verwaltungsreform der öffentlichen Dienste müssen sie aufpassen, daß kein schleichender Abbau bei Frauenarbeitsplätzen stattfindet“, beschreiben Jutta Niedersen-Marchal und Dora Fuhlbohm die weitergehenden Aufgaben.
Gegenüber dem Jeverschen Wochenblatt beschrieb Yvonne Erdmann, wie sie sich ihre Arbeit vorstellt: Alleinerziehenden Müttern etwas bieten, ihnen helfen, mal rauszukommen, Kontakte zu älteren Frauen herstellen, auch alleinerziehende Väter bekommen Rat und Hilfe, Tips für Hilfen beim Lohnsteuerjahresausgleich, der Volkshochschule Bewerbungstraining für Mädchen vorschlagen, beim Arbeitsamt sollten die Mädchen für nichttypische Berufe interessiert werden, Frauen aus der Stadtverwaltung während des Erziehungsurlaubs auf dem laufenden halten, damit sie fit für den Beruf bleiben, Frauen und Mädchen, die in Not sind, zur Kriminalpolizei begleiten. (vgl. JeWo vom 26.7.97) Dora Fuhlbohm zu diesen Vorstellungen: „Eine Frauenbeauftragte muß in der Stadtverwaltung sitzen und bei allen Entscheidungen darauf achten, daß Frauenrechte gewahrt bleiben.“ Für die Pläne, die Erdmann aufzählt, gibt es andere (kompetentere) Stellen.
In der Bundeskonferenz der kommunalen Frauenbeauftragten haben nur die Hauptamtlerinnen Sitz und Stimme. Die anderen – wie z.B. die Kolleginnen aus Rastede oder Wiesmoor, die ihre Aufgabe ehrenamtlich versehen, und nun auch Deutschlands einzige 610 DM-Frau – können lediglich als Gäste teilnehmen. Man wird sehen, ob Frau Erdmann dort mal zu Gast sein wird. Wenn ja, hat sie mit einer Sitzung schon ihre gesamte Wochenarbeitszeit aufgebraucht.
Ihren Spitznamen hat Frau Erdmann schon weg. Frau Makrinius aus Jever nennt sie in einem Brief an die NWZ „Handywoman“ (25.7.97). Ihren Hinweis, daß Frau Erdmanns jederzeitige Erreichbarkeit per Handy Arbeitszeit kostet, die die SteuerzahlerInnen finanzieren, kontert die Handyfrau: „Für sie sei erstaunlich, wie viele Menschen sich noch nicht mit den technischen Möglichkeiten eines Handy auskennen. Während ihrer Dienstzeit in Upjever sei sie nämlich nicht zu erreichen, sondern nur die Mail-Box.“ (JeWo vom 26.7.97) Dazu hätte ein Anrufbeantworter zu Hause es auch getan, und die Kosten für die Ratsuchenden, die sie anrufen, wären erheblich geringer.
Es steht zu befürchten, daß diese Handywoman sich mangels Akzeptanz als Handicap für die Frauen erweisen wird.
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