Gute Arbeit
Sep. 012011
 

DGB-Informationstour über die Arbeitsverhältnisse in Wilhelmshaven

Gute Arbeit, damit die Kommunen wieder atmen können 

(hk) Unter dieser Überschrift hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund die Vorsitzenden der zur Kommunalwahl antretenden Parteien und die Oberbürgermeister-Kandidaten zu einer Stadtrundfahrt eingeladen.

Was ist gute Arbeit – Die Gewerkschaft ver.di dazu in einer Grundsatzerklärung: Gute Arbeit ist eine Arbeit, die Menschen ausfüllt, die sie fordert, die ihrer Tätigkeit einen Sinn gibt. Menschen brauchen Anerkennung, Wertschätzung und Respekt. Sie wollen ernst genommen, informiert, an Planungen und Entscheidungen beteiligt werden. Gute Arbeit fördert die Gesundheit und wahrt die Persönlichkeitsrechte. Sie entspricht dem Leistungsvermögen, den Fähigkeiten und den Fertigkeiten der Beschäftigten. Arbeit muss gut entgolten werden, auf die Interessen von Frauen und Männern gleichermaßen ausgerichtet und planbar sein und umfassende Teilhabe ermöglichen. Jeder Mensch hat das Recht auf ein Einkommen durch Arbeit, das ein Leben in Würde ermöglicht. Das Entgelt der Beschäftigten muss entsprechend der Produktivitätsentwicklung steigen, den Anforderungen an ihre Arbeit Rechnung tragen, die Inflation ausgleichen, Ergebnis einer gerechten Umverteilung sein. Der Grundsatz muss gelten: Gleichwertige Arbeit muss gleich entgolten werden. Jedes Beschäftigungsverhältnis und auch die selbstständige Tätigkeit muss sozial abgesichert sein. Das Dauerarbeitsverhältnis muss die Regel sein. Befristete Beschäftigung bedarf immer eines sachlichen Grundes und darf nur die Ausnahme sein. Auch Leiharbeit muss die Ausnahme sein und für sie muss gelten: Gleicher Lohn und gleiche Arbeitsbedingungen vom ersten Tage an. Alle Beschäftigungsverhältnisse sind vor ungerechtfertigter Kündigung zu schützen.

Darum ging es also – doch was hat Wilhelmshaven da zu bieten?

Eingangstafel am Gewerbeforum Banter See

Die Fahrt führte zu den vielen Industriebrachen, wo es eben früher einmal gute Arbeit gab: Oldenburger Zahnradwerke, Kuhlmann, FMW, Autohaus Hillmann, KSW, Orgelbau Führer, Torde, Mangels, Lotze, Olympia-Werke … Wie es heute in diesen Stätten aussieht, macht das Beispiel KSW deutlich: wo viele hundert Menschen jahrzehntelang Arbeit fanden, finden wir heute das „Gewerbeforum Banter See“. Die Tafel mit den hier ansässigen Firmen ist ein Beispiel für den Niedergang und auch für die momentane Hoffnungslosigkeit. An einigen dieser Standorte findet man auch heute noch (oder wieder) „Gute Arbeit“: Krupp-Ardelt, Wessel-Hydraulik, Reichelt-Elektronik, JadeWeserPort, Ineos bis zum Marinearsenal. Als Beispiel hob der DGB-Kreisverbandsvorsitzende Axel Opitz die Firma Manitowoc hervor. Doch auch hier gibt es Schattenseiten – große Arbeitsbereiche, wie z.B. der Wach- und der Reinigungsdienst, wurden ausgesourct. Und hier zeigt sich, dass die Probleme vom Mindestlohn bis zur Leiharbeit inzwischen allgegenwärtig sind.

Schlechter sieht es dagegen in den Hallen der ehemaligen Olympia-Werke aus. Hier fanden einmal mehr als 10.000 Menschen „gute“ Arbeit. Heute gibt es dort noch 3.000 Arbeitsplätze, schlechte Arbeitsplätze, wie der AEW-Betriebsratsvorsitzende Georg Olbrich zugeben musste: „Das sind 3.000 Billiglöhner in Callcentern, hier findet keine Produktion mehr statt. Von den hier gezahlten Löhnen kann niemand existieren.“ Die Leiharbeit boomt, sie ist aber, das machten die Gewerkschaftsvertreter klar, nicht der oft beschriebene ‚Jobmotor’. Im Gegenteil, durch die Leiharbeit (Leiharbeiter bekommen ca. 40% weniger Lohn für die gleiche Arbeit als ihre festangestellten Kollegen) dreht sich die Abwärtsspirale noch schneller. Dorothee Jürgensen, DGB-Gewerkschaftssekretärin: „Deutschland ist inzwischen ein Billiglohnland!“ Die Gewerkschaftsforderung hierzu: Leiharbeit nur bei kurzfristigen Produktionsspitzen und gleicher Bezahlung.

Eine schlechte Note gab es auch für die Ansiedlungspolitik in Wilhelmshaven. Da werden nur noch Baumärkte und irgendwelche Supermärkte angesiedelt – und gerade diese Ansiedlungen produzieren schlechte Arbeit, solche Ansiedlungen senken das Niveau dieser Stadt. Es gibt nur noch prekäre Arbeitsverhältnisse, nur noch 400-Euro-Jobs, und diese Jobs verhindern sozialversicherungspflichtige Jobs.

Die Ansiedlung von Kaufland, das machte ein Sprecher der Gewerkschaft ver.di klar, heißt, wir siedeln hier 400 Euro-Kräfte an. Dazu noch einmal Dorothee Jürgensen: „Wir brauchen sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, damit die Kommunen wieder atmen können.“

Einige Beispiele guter Arbeit gab es noch – Neue Jadewerft, Turbo-Technik – doch auch hier gilt: Früher war mehr Arbeit (um es mit Loriot zu sagen). Auch im Marinearsenal gibt es gute Arbeit – doch auch die wird bedroht – nicht nur durch die momentan so viel und laut geäußerten Privatisierungspläne, sondern auch schon durch die jetzige Politik des Ausdünnens der Facharbeiter – pro Jahr gehen 50 Facharbeiter und nur 10 Auszubildende werden übernommen – so wird es nach Meinung des Personalrats und Vertrauensleutevertreters Frank Oltmanns schon bald so sein, dass das Arsenal ein reiner Vergabebetrieb ohne Facharbeiter wird.

Diskussionsrunde Gute Arbeit 9-2011Abschließende Diskussion auf der Bahnhofstraße – pünktlich und symbolträchtig um 5 vor zwölf, kamen die Parteispitzen und die OB-Kandidaten zu Wort, und hier kamen all die Argumente zusammen, die seit Wochen in der Stadt ertönen. SPD-OB-Kandidat Städtler meint, dass die Stadtverwaltung keine schlechte Arbeit geleistet hat; Nils Böhme will „Sachverstand an einem Tisch“ zusammenbringen. Frank Uwe Walpurgis sieht Chancen im Abbau der Bürokratie, die oftmals ein Hemmnis für Ansiedlungen oder positive Entwicklungen darstellt. Michael von Teichman fordert, endlich einen hauptamtlichen Wirtschaftsförderer einzusetzen, und setzt weiterhin auf Ansiedlung von Großindustrie, aber auch auf die Chancennutzung durch den Boom bei der erneuerbaren Energie. Von den Grünen, der BASU über die SPD und die Freien Wähler bis zur CDU ist man sich einig: Gute Arbeit muss her! Die Sprecherin der Piratenpartei setzt dabei zusätzlich noch auf die ökologische Ausrichtung der Betriebe. Der Vertreter der Linken, Ralph Herrmann: „Ich kann zu der Diskussion gar nicht viel beisteuern, alles das, was hier von den Gewerkschaften gefordert wird, könnte aus unserem Programm abgeschrieben sein.“ So blieb dann auch die einzige wirkliche Kontroverse die Auseinandersetzung zwischen dem schon beinahe trotzig das Hohelied der Privatisierung anstimmenden Michael von Teichman und dem Rest der Welt. Die Politiker und die Kandidaten ums Amt des Verwaltungschefs blieben insgesamt beliebig, offen nach allen Seiten – die wahren Gesichter werden wir wohl erst nach der Wahl kennen lernen.

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