Gegenwind-Gespräch: WALLI
Sep 052000
 

Wer ist Walli?

GEGENWIND-Gespräch mit der Wilhelmshavener Alternativen Liste

(ub/noa) Seit einem halben Jahr gibt es die „Wilhelmshavener Alternative Liste“. Sie ist hervorgegangen aus dem Kommunalpolitischen Arbeitskreis. Im Gespräch mit Gudrun Klöpper und Johann Janssen erfragten wir Motive und Ziele.

Gegenwind: Seit wann gibt es euch?
Gudrun: Gegründet haben wir uns im Februar 2000.

Was bedeutet „WALLI“?
Gudrun: Es ist die Abkürzung für Wilhelmshavener Alternative Liste. Es gibt in manchen Orten eine AL Mit dem W für Wilhelmshaven davor wäre es WAL geworden. Wir wollten, dass es ein eingängiger Begriff wird, und so kamen wir auf Walli.

Wie viele seid ihr?
Gudrun: Das schwankt. Gegründet haben wir es mit sieben – wie sich das gehört.

Heißt das, es war eine „richtige“ Parteigründung?
Gudrun: Wir sind eine WählerInneninitiative, ganz bewusst. Wir haben es so aufgebaut, mit Satzung, dass man eventuell mal eine Partei draus machen kann.

Kann man euch mit den „Alternativen Listen“ woanders vergleichen? Also: Seid ihr Teil einer bundesweiten Bewegung, oder seid ihr einzigartig?
Johann: Wir sind Teil einer größeren Bewegung links von den Grünen.
Gudrun: Es gibt z.B. Grün-Links in Oldenburg, und das fanden wir auch nicht schlecht. Da gibt es die Möglichkeit gemeinsamer Veranstaltungen und des Informationsaustauschs.

Gleichzeitig habt ihr euch von Grün-Links distanziert.
Gudrun: Wir wollten nicht in eine Schublade geraten und haben uns deswegen anders genannt.

Und gibt es inhaltliche Unterschiede?
Johann: Deren Programm kennen wir nicht so genau. Und unser Programm ist auch noch nicht fertig. Wir haben einige Eckpunkte formuliert. Das haben wir gemacht, damit wir nicht die „Nörglerpartei“ werden, der Anlaufhafen für die, die in Wilhelmshaven nicht zufrieden sind. Einer „Alternativen Liste“ laufen erst mal alle Unzufriedenen zu, aber wenn es dann ernst wird, gibt es mit denen Schwierigkeiten. Deshalb haben wir einige Essentials festgelegt, unter denen nichts geht. (siehe unten)

Das ist ja ein Mix aus kommunalpolitisch realisierbaren Forderungen und bundespolitischen Themen.
Gudrun: Als wir die Eckpunkte erarbeitet haben, haben wir festgestellt, dass vieles auf kommunalpolitischer Ebene gar nicht zu lösen ist. Man muss über die Kommune hinaus blicken. Von diesen Eckpunkten gehen wir nicht ab. Diskutierbar für neue Mitglieder sind die kommunalpolitischen Fragen.
Johann: Damit regeln wir, dass bestimmte Leute zusammenkommen, die in einigen grundsätzlichen Punkten unserer Meinung sind.

Gewissermaßen als Filter.
Johann: Ja.
Gudrun: Am Anfang haben wir geglaubt, wir müssten uns auf kommunalpolitische Themen beschränken. In Sachen Massentierhaltung kann man auf kommunaler Ebene tätig werden, z.B. eine BürgerInnenbewegung ins Leben rufen oder unterstützen, aber die Gesetze werden woanders gemacht. Daher müssen wir beides im Auge behalten.

Wie sollen wir das mit den Eckpunkten verstehen? Muss man, um bei euch willkommen zu sein, auf jeden Fall für die sofortig Abschaltung aller AKW, gegen Massentierhaltung und gegen den JadeWeserPort sein?
Johann: Ja.

Das ist ja eher ungewöhnlich. Das ist ja eine sehr starre, dogmatische Linie, wo festgelegt wird, was man mitbringen muss, um beitreten zu können. Dass ein Linker kein Rassist, kein Militarist und kein Atomkraftbefürworter ist, kann man voraussetzen. Aber es könnte doch Leute geben, die euch so weit unterstützen, die aber trotzdem sagen: Der JadeWeser- Port ist ökologisch nicht so schlimm, und ökonomisch ist er sinnvoll, weil ich ja auch für den Abbau der Arbeitslosigkeit bin. Und so jemand kann nicht zu euch gehören…Selbst bei den Grünen ist die Haltung zur Kernkraft kein Essential mehr.
Gudrun: Ja, so weit sind die inzwischen. Das ist es ja genau. Wir haben uns ja gegründet, weil von dem, was wir von den Grünen mal erwartet haben, nichts mehr da ist. Und an bestimmten Grundsätzen möchten wir festhalten. Das ist der wesentliche Grund. Wir sagen: Bis hierher und nicht weiter. Sonst kommen zu unterschiedliche Leute zusammen, und es gibt keine Ruhe bei der Arbeit.
Johann: Bei der Elefantenpartei, die sich von 20 Jahren in Rüstersiel gründete gegen ICI und Mobil-Oil, haben wir gesehen, wohin es geht mit einer Ein-Punkt-Partei: Sie ist weg.

Ihr schränkt den Zugang auf diese Weise ja ein. Gibt es denn die Leute hier, die eine solche Bewegung bilden können?
Gudrun: Wir denken schon. Es gibt Leute, die sich von den Grünen abwenden und sagen: Diese Anpassung geht mir zu weit. Enttäuschte Grüne, aber auch enttäuschte Sozialdemokraten.
Johann: Das ist gewiss kein sehr großes Spektrum, aber es gibt Leute, denen wir damit eine politische Heimat bieten können. Es gibt viel Unmut in der Stadt auf Grund des SPD-Filzes. Wir wollen mit diesen Leuten, nicht für sie, arbeiten. Die Leute, die zu uns stoßen, müssen unsere Essentials nicht unterschreiben. Aber sie sollen wissen, dass das unsere Eckpunkte sind, von denen wir nicht abrücken.

Euer Strategie-Eckpunkt nennt auch die parlamentarische Arbeit. Werdet ihr zur Kommunalwahl antreten?
Johann: Ja. Aber wichtiger, als in den Rat zu kommen, ist uns die Politisierung unserer Mitbürger, besonders der jungen.

Und wenn ihr in den Rat kommt – wie seid ihr geschützt davor, in den Filz zu geraten, korrupt zu werden?
Johann: Die Grünen haben das schon richtig vorgedacht, es ist nur nichts davon übriggeblieben. Hinter den gewählten Leuten müssen andere stehen, die ihnen zuarbeiten. Eine Rotation ist so möglich und sinnvoll. Eine Partei, die von Berufspolitikern, lauter Adams, benutzt wird, ist demokratietot.
Gudrun: Ein Gedanke dabei ist auch, überhaupt rechtzeitig an Informationen zu kommen. Wenn erst in der Presse etwas steht, ist es schon zu spät. Das hat man am Beispiel der Schließung der Helene-Lange-Schule gesehen. Bevor die Elternvertreter etwas erfuhren, stand es für bestimmte Leute im Rat schon fest, dass die Schule dichtgemacht wird.

Aber bevor der Rat etwas erfährt, steht es in der Verwaltung schon fest. Bei der Helene-Lange-Schule stand es in der Verwaltung schon fest, und der Rat hat es erst ganz kurz vor der Elternschaft erfahren.
Gudrun: Das stimmt. Es gibt Ratsmitglieder, die eng mit der Verwaltung zusammenarbeiten und immer früher Bescheid wissen, und die mehr wissen. Und die anderen sitzen tatsächlich nur da, um das abzunicken. Es gibt Informationshierarchien und Herrschaftswissen.
Johann: Aber da wir ungebunden sind und auf keine Partei Rücksicht nehmen müssen, können wir so etwas enthüllen. Wir können der Öffentlichkeit dann mitteilen, wie es im Rat vor sich geht: Einige wissen immer ganz viel, und viele wissen immer nur ganz wenig. Das werden wir dann publik machen, dass die Ratsarbeit eine Nickarbeit ist. Wir denken, dass das transparenter sein muss.
Gudrun: Und wenn dann tatsächlich jemand von uns im Rat säße – es gibt ja auch in den anderen Parteien kritischere Leute, die eigentlich auch gerne mal was sagen würden. Und da kann man sich untereinander stärken gegen diejenigen, die die Information blockieren.

Parlamentarismus ist für euch also ein Weg neben der außerparlamentarischen Arbeit?
Johann: Ja. Doch genau an diesem Punkt haben wir Leute verloren. Im Kommunalpolitischen Arbeitskreis waren ein paar gute Leute, die abgesprungen sind, als wir die Gründung der Initiative beschlossen haben.

Warum habt ihr überhaupt die WALLI gegründet? Was war der Auslöser?
Gudrun: Der Kosovo-Krieg. Als die Grünen einen Angriffskrieg befürworteten, haben wir endgültig aufgegeben, von ihnen noch etwas zu erwarten.

Ein in den letzten Wochen viel diskutiertes Thema ist die Frage eines Verbots der NPD. Welche Position vertretet ihr da?
Gudrun: Wir werden darüber noch diskutieren. Wir haben uns einen anderen Weg vorgestellt. Wir alle sind ja auch noch in anderen Bewegungen tätig.
Johann: Von der plötzlichen Verbots-Debatte sind wir im Urlaub überrascht worden. Wir haben dazu noch keine gemeinsame Linie.

Nun eine Gretchenfrage: Wie haltet ihr es mit der PDS?
Johann: Wir haben nichts gegen die PDS, doch in Wilhelmshaven hat sie sich kommunalpolitisch noch nicht hervorgetan. Wenn sie das täte, würden wir mit ihr zusammenarbeiten. In dem Jahr, in dem wir den kommunalpolitischen Arbeitskreis hatten, hat sich die PDS dafür nicht interessiert.

Dann hättet ihr ja der PDS beitreten und dort eine kommunalpolitische Arbeit initiieren können.
Johann: Wir haben unterschiedliche Ansichten über die PDS. Die einen halten sie für eine sozialdemokratische Partei, die anderen für eine sozialistische. Aber so große Gedanken machen wir uns darüber nicht. Wir haben die WALLI gegründet, weil wir kommunalpolitisch tätig werden wollen.

Plant ihr Aktionen und Veranstaltungen?
Gudrun: Wir haben vor, in bestehende Gruppen zu gehen, uns vorzustellen und nachzufragen, wo’s brennt, was nötig wäre in dieser Stadt.
Johann: Wir sind ja nur wenige, und in vielen Fragen fehlt uns einfach der Sachverstand. Da werden wir in die Initiativen gehen und uns informieren.

Die WALLI soll also auch eine Plattform für andere Gruppen sein. Wie kommt man in Kontakt zu euch?
Gudrun: Wir haben unseren offenen Treff am 3. Dienstag im Monat um 20 Uhr in der Perspektive. Da kann jede und jeder kommen. Am 1. Dienstag im Monat trifft sich ein kleinerer Kreis, um konkret zu diskutieren und an den programmatischen Sachen zu feilen.

Und wie kommt man da rein?
Gudrun: Das ist kein Geheimzirkel. Wenn du am 3. Dienstag in die Perspektive kommst und dein Interesse bekundest, dann sagen wir dir, wo wir uns 14 Tage später zur Diskussion treffen.

Vielen Dank für das Gespräch!


GESCHMIERT

Am Rande unseres Interviews mit der WALLI stellten wir speziell Johann Janssen eine weitere Frage.
Gegenwind: Angesichts der von den JadePort-Gegnern auf einer Veranstaltung der BI gegen den JadePort vorgebrachten Argumente hast du die Frage gestellt, ob die Mitglieder des Stadtrats vielleicht geschmiert seien, weil sie den JadePort-Plä- nen zugestimmt haben. Deine Äußerung wurde dann sowohl in der Wilhelmshavener Zeitung als auch in einem Fernseh- bericht des NDR einer breiten Öffentlichkeit publik gemacht. Glaubst du wirklich, dass unsere Kommunalpolitiker geschmiert werden?
Johann: Wilfrid Adam hat sich fürchterlich darüber aufgeregt. Wer neben seinen Mandaten im Stadtrat und im Landtag noch ein halbes Dutzend Aufsichtsratsposten bedienen muss, der muss es sich schon gefallen lassen, nach seinen Einnahmen aus diesen vielen Jobs gefragt zu werden. Wie stimmt denn jemand ab, der seine Tantiemen von den Firmen bekommt, über deren Pläne gerade ein Beschluss gefasst werden soll? Da werden doch keine Argumente mehr gehört – da wird der Arm gehoben und zugestimmt. Der Rat der Stadt Wilhelmshaven hat auf der Grundlage eines inhaltslosen Papierchens dem JadePort zugestimmt, ohne vorher andere Argumente zu hören. Durchgesetzt wurde der Beschluss von denjenigen, die in irgendeiner Form direkt mit den Betreibern verbunden sind. Und das nenne ich geschmiert. Die Entscheidung des Stadtrates ist undurchschau- bar für uns Bürger (und wohl auch für die meisten Mitglieder des Stadtrats). Das muss aufhören!


Wilfrid Adams Tätigkeiten und Funktionen nach I.3 und I.4 der Verhaltensregeln des Nds. Landtags:
  • Vorsitzender des Aufsichtsrates der Stadtwerke Wilhelmshaven GmbH
  • Vorsitzender der Gesellschaftsversammlung der Hafenbetriebsgesellschaft Wilhelmshaven GmbH
  • Vorsitzender der Gesellschaftsversammlung der 1. City-Parkhausgesellschaft Wilhelmshaven GmbH
  • Mitglied des Aufsichtsrates der Gas- und Elektrizitätsgesellschaft Wilhelmshaven GmbH
  • Mitglied des Aufsichtsrates der Wilhelmshavener TeleCommunication GmbH
  • Vorsitzender des Beirates der Port Promotion Agency Niedersachsen
  • Beisitzer im Rat
  • Vichy-Beauftragter
  • ???

(Wahrscheinlich sind es noch ein paar mehr Funktionen, doch um sie alle aufzulisten, hätten wir zuletzt noch viele, viele Zeitungsartikel durchforsten müssen.)
Uns sind dazu zwei Äußerungen eingefallen: In einem Interview mit der „WZ“ (1.11.1996) sagte der damalige Landtagspräsident Horst Milde: „Das Bild, das der Bürger von Abgeordneten hat, ist nicht objektiv. Viele wissen nicht, dass der Beruf des Abgeordneten ein Full-Time-Job ist, der mit keinem anderen Beruf von der zeitlichen Belastung her – und manchmal auch seelischen – zu vergleichen ist.“ Und Wilfrid Adam selbst sagte bei der Jubilarehrung der ÖTV: „Wer auf den eigenen Vorteil schielt, der schafft kein besseres politisches Klima.“ („WZ“ vom 23.11.1996)


Diese Eckpunkte hat die WALLI bereits festgelegt:

Eckpunkt Umwelt:

  • Sofortige Abschaltung der Atomkraftwerke
  • Keinerlei Massentierhaltung
  • Kein JadeWeserPort
  • Unterstützung der Agenda 21

Eckpunkt Wirtschaft – Arbeit – Soziales:

  • Finanzielle Grundsicherung
  • Radikale Arbeitszeitverkürzung

Eckpunkt Frauen – Männer:

  • Frauenspezifische Belange sollen in der Kommunalpolitik stärker berücksichtigt werden.

Eckpunkt Bewaffnung in Deutschland:

  • Kategorische Ablehnung von Angriffskriegen
  • Umstrukturierung der Bundeswehr zu einer Verteidigungsarmee

Eckpunkt Ausländer:

  • Freiwillige Flüchtlinge gibt es nicht!
  • Die Lebenssituation der ausländischen Menschen hier muss verbessert werden; dazu besteht die Forderung: Verknüpfung von Arbeitsamt, Ausländeramt und Ausländerbetreuung

Eckpunkt Strategie:

  • Die WALLI agiert sowohl parlamentarisch als auch außerparlamentarisch.

Sorry, the comment form is closed at this time.

go Top