Gegenwind-Gespräch: Udo Grubert
Mrz. 152000
 

Nicht maaßlos verbiestert

Gespräch über das Innenleben der Christdemokraten

(ef/noa) Für die letzte GEGENWIND-Ausgabe sprachen wir mit dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Klaus Friedrich. Auf unsere Frage nach den Querelen in der Wilhelmshavener CDU antwortete er ausweichend und ließ uns ziemlich „unbefriedricht“. Um der Frage nach den zwei Lagern – pro Maaß und kontra Maaß – doch noch auf den Grund zu gehen, sprachen wir mit Udo Grubert, Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes Stadtmitte Heppens und Mitglied des Rates der Stadt.

Zur Person:

Im Kreisverband Wilhelmshaven der CDU gibt es sechs Ortsverbände. Unser Gesprächspartner Udo Grubert ist Vorsitzender des Ortsverbandes Stadtmitte Heppens.
Grubert, Jahrgang 1959, ist 1989 nach WHV gekommen. 1995 ist er der CDU beigetreten und wurde bald Ortsverbandsvorsitzender. Ein Jahr später zog der in den Rat der Stadt ein.
Bis September 1999 war er Vorsitzender der Mittelstandsvereinigung.
Er ist stellvertretender Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses und Mitglied des Kulturausschusses und des Aufsichtsrates der Jade Wobau. Da er als Mitinhaber einer Marketing-Firma „nebenbei ein Unternehmen zu führen hat“, strebt er „höhere Weihen“ nicht an, möchte aber im Kreisvorstand der CDU aktiver mitarbeiten.

Schwarze Kassen?

Gegenwind: Einige aktuelle Fragen vorweg: Wie sieht es im CDU-Kreisverband Wilhelmshaven mit schwarzen Kassen aus?

Grubert: Gute Frage. Nein – aus meinem jetzigen Kenntnisstand heraus kann ich sagen, dass es bei uns keine schwarzen Kassen gibt. Wir haben im Gegenteil den Zustand, dass unsere Mitglieder mit 60 DM pro Kopf verschuldet sind. Wir haben kürzlich den Rechenschaftsbericht von unserem Schatzmeister, Herrn Rech, entgegennehmen dürfen, und ich denke, dass das alles höchst zuverlässig und wahrheitsgetreu ist.

Wobei sich ja auf Bundesebene gezeigt hat, dass auch Rechenschaftsberichte nicht immer stimmen müssen…

Richtig.

Werden die Mitglieder der CDU nach der Spendenaffäre höhere Beiträge bezahlen müssen?

Das wird wohl nicht der Fall sein. Es gibt aber das Solidaritätskonto, auf das Mitglieder und Nichtmitglieder einzahlen können. Ich bin mir nicht sicher, dass sich die Mitglieder an der Basis eine Erhöhung der Beiträge wegen Vorfällen in Bonn und Berlin gefallen lassen würden. Ich kenne solche Bestrebungen aber auch nicht.1

Gibt es aufgrund der Affäre Austritte aus der CDU?

Ich vermute es. Ich denke, so etwas geht nicht spurlos an einer Partei vorbei. Nach dem, was ich gehört habe, war das aber sehr begrenzt; es war keine große Austrittswelle.

Haben Sie Verständnis für Leute, die jetzt austreten?

Ja.

Haben Sie auch mit dem Gedanken gespielt?

Absolut nicht. Ich habe mich aber maßlos geärgert.

Maßlos mit einem oder mit zwei a?

Mit einem a, und ich war auch nicht verbiestert.

Muss Dr. Kohl Ihrer Meinung nach sein Bundestagsmandat zurückgeben?

Ja, es ist meine persönliche Meinung, dass er sein Mandat zurückgeben muss. Ein Ehrenwort kann nicht über Recht und Gesetz stehen. Man darf darüber aber nicht übersehen, dass Dr. Kohl in sechzehn Jahren Amtszeit als Kanzler eine Menge getan hat. Das ist unbestreitbar. Aber es rechtfertigt nicht sein gegenwärtiges Verhalten.

Und finden Sie Schäubles Rücktritt richtig?

Ja und nein. Da bin ich geteilter Meinung. Er ist sicherlich ein Opfer der Umstände geworden, nicht so sehr ein Opfer seiner Falschaussage. Obwohl ich die schon recht merkwürdig finde. Das Gleiche macht ja auch Koch: „Einen Fehler darf man mir nicht krumm nehmen…“ Ich gestehe Herrn Schäuble etwas zu: Wenn ich meine Terminkalender von vor fünf oder zehn Jahren durchkrame, kann ich auch nicht mit jedem Eintrag etwas anfangen. Sein Rücktritt war bestimmt richtig, wenn mir diese Entscheidung auch etwas zu spät kommt.
Insgesamt ist diese ganze Affäre eine höchst fragwürdige Geschichte, und ich kann nur hoffen, dass die Demokratie in diesem Land keinen Schaden nimmt. Ich will keine Behauptungen aufstellen, doch ich halte es für denkbar, dass Ähnliches auch in anderen Parteien vorfällt. Und insofern sollten die Bürger dieses Landes endlich wieder anfangen, ihren Politikern auf die Finger zu schauen und nicht annehmen, dass man mit dem Urnengang die staatsbürgerliche Pflicht vollendet hat. Politiker gehören unter Aufsicht gestellt.

Glauben Sie, dass die CDU erneuert aus dieser Sache herauskommt?

Momentan nicht. Selbst die neuen Gesichter werden das System Kohl nicht restlos beenden. Die Affäre muss restlos aufgeklärt werden. Und die CDU braucht Zeit, um die Erneuerung zu vollziehen und nach außen zu zeigen.

Schlangengrube

Nun aber zur Situation der CDU in Wilhelmshaven. Wenn man in der „WZ“ etwas über den Kreisverband Wilhelmshaven liest, dann ist meistens von Querelen die Rede. Da liest man über Miesmacher, politisch Enttäuschte, Lautsprecher, Intriganten und Feiglinge. Muss das nicht jeden Bürger abschrecken? In eine Schlangengrube von Intrigen zu geraten, ist ja gefährlich. Was ist los in Ihren Laden?

Das schreckt den Bürger tatsächlich ab. Sie können das aber aus zwei Gesichtspunkten beterachten. Zum Einen: Eine demokratische Partei lebt nicht nur davon, dass sie sich nach außen demokratisch darstellt, sondern auch davon, dass sie sich nach innen demokratisch auseinandersetzt. Die CDU kehrt diese Auseinandersetzung nicht unter den Tisch. So kommen auch Kontroversen an die Öffentlichkeit. Der Bürger ist damit überfordert – er war nicht dabei und weiß nicht, was er mit solchen Schreckensmeldungen anfangen soll. Zum andern: Es gibt in der CDU Wilhelmshaven Strömungen…

…Das sind bei Ihnen ja schon eher Fluten!

… und mit diesen Strömungen ist bislang nicht so umgegangen worden, wie man damit umgehen könnte. Man kann Strömungen leiten und lenken und Energie daraus gewinnen. Man kann aber auch Energie damit verlieren. Und im Kreisverband hat man die Strömungen bisher nicht energiegewinnend genutzt. Das hat nicht zur Freude aller beigetragen. In der Zeitung steht oft etwas von zwei Lagern und von Spaltung. Die CDU ist nicht gespalten, aber es gibt tatsächlich kontroverse Meinungen und kontroverse Standpunkte.

Lediglich personelle Differenzen

Wenn etwas in der „WZ“ steht, dann klingt es nach zwei Lagern, nämlich nach Maaß-Anhängern und Maaß-Gegnern. Worum es inhaltlich geht, steht nicht dabei. Worin besteht denn die inhaltliche, die politische Kontroverse? Oder trifft es zu, was MdL Biester gesagt hat, dass es keine politische, sondern lediglich eine personelle Kontroverse gibt?

Wir haben keine Kontroverse über das politische Programm, und wir sind uns auch einig darüber, was in Wilhelmshaven getan werden muss. Es sind in der Tat personelle Kontroversen. Es ist eine lange Geschichte. Die Uranfänge habe ich selber gar nicht mitbekommen. Als ich 1995 eingetreten bin, bestand das Problem schon, und ich habe es nach und nach mitbekommen. Es geht nicht um politische Differenzen, sondern um menschliche Kontroversen, um Informationswege, um Kanäle. Diese Differenzen haben letztendlich dazu geführt, dass es heute die öffentliche Darstellung „Gegner von Maaß – Freunde von Maaß“ gibt. Ich denke jedoch, dass keiner sich als einen Gegner von Maaß bezeichnen würde, auch nicht die, die einer kontroversen Strömung zuzurechnen sind – auch ich nicht. Ich sehe mich als einen Gegner der Führung des Kreisverbandes.

Heißt das, es geht nicht um die Person Erich Maaß, sondern um seinen Führungsstil?

Darüber könnte man lange diskutieren. Was heißt „Führungsstil“?

Ist er ein „autoritärer Sack“?

Nein, absolut nicht.

Was ist es dann?

Erich Maaß kann sich sehr für Dinge einsetzen. Und er hat auch schon über den Tellerrand hinausgeschaut. Andererseits ist er jemand, der unantastbar, unnahbar wirkt. Auf mich persönlich hat er allerdings nie unnahbar gewirkt. Es gibt zwischen ihm und mir Gegensätze, die wir sicherlich lösen könnten, aber vielleicht beide nicht lösen wollen.
Jedenfalls bin ich kein Maaß-Gegner, wenn er selber auch gerne behauptet, ich sei einer. Er hat behauptet, ich hätte gesagt, er muss weg, und das habe ich nicht gesagt.
Es gibt zwei Strömungen. Es gibt eine Strömung, die ganz klar in Richtung Erneuerung des Kreisvorstandes geht, und zu dieser gehöre ich. Und es gibt eine Strömung, die alles so lassen will, wie es ist.
Im Juni werden wir den Kreisparteitag haben, und da wird ein neuer Kreisvorstand gewählt werden. Und der zukünftige Kreisvorsitzende hat es in der Hand, diese integrative Kraft darzustellen und die Strömungen zu bündeln und energiegewinnend zu nutzen und die CDU wieder zu dem zu machen, was sie eigentlich sein müsste.

Und wer wird das sein? Der Wunschkandidat von Herrn Maaß, der Kronprinz also, ist ja Uwe Biester.

Er ist nicht nur der Wunschkandidat von Herrn Maaß, sondern ich denke, es gibt in der CDU viele, die sich ihn als Nachfolger wünschen. Er ist auch mein Wunschkandidat. Er hat diese Fähigkeit zur Integration. Und er ist auch sicherlich einer der Strategen in der Partei. Eine Alternative zu Biester sehe ich nicht, weil er auch über Jahre die Fraktion hervorragend geführt hat.

Herr Biester ist ja auch Oberleutnant der Reserve. Wird es unter ihm auch zackiger zugehen im Kreisverband?

Zackiger würde ich das nicht nennen. Aber es wird eine andere Arbeit werden, es wird strategischer, zielorientierter zugehen.

Schwarze Mitglieder

Kommen wir zu einem Thema, das auch gelegentlich in der Zeitung erwähnt wird – die Karteikarten im Parteibüro. Sie sind Ortsverbandsvorsitzender Stadtmitte Heppens. Wissen Sie, wie viele Mitglieder Sie haben?

Ich weiß, wie viele Mitglieder wir etwa haben. Und das Thema ist nun endlich erledigt. Das ist auch etwas, was die „jungen Wilden“ erreicht haben, dass nämlich die Namen endlich freigegeben werden. Es gab ein Rundschreiben an die Mitglieder der CDU, in dem sie ankreuzen konnten, ob sie angeschrieben werden wollen oder nicht. Es gibt viele, die das nicht wollen, und das verstehe ich auch. Die sagen: Ich gehöre der CDU an, aber ich oute mich nicht.

Das finden wir eher seltsam.

Ich verstehe das. In Wilhelmshaven kann es berufliche Nachteile mit sich bringen, in der CDU zu sein.

Sie haben also – wahrscheinlich – keine schwarzen Kassen, aber schwarze Mitglieder.

Ja. Ich habe dann nach der Rundschreiben-Aktion 103 Namen bekommen, und ich vermute, das sind etwa drei bis vier Fünftel der Mitglieder des Ortsverbandes.

Damit ist das Thema ja nicht wirklich erledigt. Das heißt ja, Sie kennen nicht alle Mitglieder Ihres Ortsverbandes.

Ich könnte in die Kreisgeschäftsstelle gehen und in den Karteikasten schauen. Aber nur die 103 Mitglieder, die sich einverstanden erklärt haben, darf ich anschreiben.

Es gab doch mal eine Brandstiftung in der Kreisgeschäftstelle. Da hätte die gesamte Kartei vernichtet werden können.

Nein. Die Kartei lagert im Stahlschrank.

Gelegenheit verpasst

Zum Abschluss noch: Bei der letzten Jahreshauptversammlung standen als Delegierte für den Landesparteitag mal wieder nur – wir müssen das Wort schon wieder sagen – Maaß-Freunde zur Wahl. Sie waren nicht dabei.

Nein. Und Weerda auch nicht, und Gottschalk auch nicht… Es hat dazu ja Leserbriefe gegeben. Und was uns gewundert hat, ist, dass die Leserbriefschreiber gegen die „WZ“ gewettert haben statt über ihre Parteiführung.

Ja, wissen Sie, da wurde dann gesagt: „Das sind ja nur Vorschläge, meine Damen und Herren. Sie können jederzeit weitere Vorschläge machen.“ Die Mitglieder sitzen schon auf heißen Kohlen und wissen, dass eine Delegiertenwahl unendlich lange dauert.

Wenn ich das wirklich fair und ausgewogen machen will, dann setze ich die Namen aller drauf, die mir einfallen, und ich nenne Mitglieder aus beiden Strömungen.

Es gab also vorbereitete Stimmzettel, auf denen nur Namen von genehmen Kandidaten standen, und man hätte weitere Mitglieder dazuschreiben können – aber wer tut das schon?!

So war es. In der Situation denkt man: Mach deine Stimmen und Thema durch. Aber man ist dann natürlich gefrustet und geht raus und sagt: Das hätte man wirklich mal anders machen können. Das hätte ein Signal sein können auf der Jahreshauptversammlung, aber das kam nicht.

Es war zu lesen, dass es ein Versöhnungsgespräch gegeben habe. War das nichts?

Es hat ein Gespräch gegeben, bei dem die Standpunkte beider Strömungen erläutert wurden, und das war sehr konstruktiv. Und alle haben sich davon erhofft, dass es genauso konstruktiv weitergeht. Das Signal, das auf der Hauptversammlung erwartet wurde, ist dann aber nicht gekommen. Die „WZ“ hat das schon richtig kommentiert. Der Bericht war keine Stimmungsmache, das war schon wirklich so.

Aber Sie werden weiter kämpfen?

Darauf können Sie sich verlassen.

Vielen Dank für das Gespräch.

1 Zum Zeitpunkt des Interviews konnte Herr Grubert solche Bestrebungen nicht kennen. Er wies uns später allerdings darauf hin, dass inzwischen in der CDU eine Zwangsumlage zur Behebung der durch die Finanzaffäre entstandenen Notlage im Gespräch ist.

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