Gegenwind-Gespräch: Mehmet Ateş
Apr 151991
 

Hilfe für Kurdistan

(noa) Abend für Abend sehen wir in den Fernsehnachrichten Bilder von Hunderttausenden von Kurden, die vor den Truppen Saddam Husseins in Richtung Türkei und Iran flüchten. In Wilhelmshaven hat der Kurde Mehmet Ateş die Aktion zur Unterstützung der kurdischen Flüchtlinge initiiert. Der GEGENWIND führte das folgende Gespräch mit ihm.

Gegenwind: Am 13. April war in der Marktstraße der erste Infostand zur Unterstützung der kurdischen Flüchtlinge. Wer trägt diese Aktion?
Mehmet Ateş: Außer einigen in Wilhelmshaven lebenden Kurden beteiligen sich auch Deutsche, Türken und Libanesen an der Kampagne. Wir verteilen ein Flugblatt der KKDK (das ist die Föderation Demokratischer Arbeitervereine aus Kurdistan) mit Informationen und dem Aufruf, an die Menschenrechtsorganisation Medico International zu spenden. Außerdem sammeln wir Geld, das wir auch auf das Spendenkonto von Medico International überweisen.

kurden_1Gegenwind: Auf dem Flugblatt fordert die KKDK u.a., daß die Bundesregierung und die EG Druck auf die Türkei ausüben, damit sie die Grenzen für die Flüchtlinge öffnet. Gerade jetzt steht die Türkei mit ihrer Kurdenpolitik international im Blickpunkt. Am 12. April hat des türkische Parlament beschlossen, daß den in der Türkei lebenden Kurden endlich erlaubt werden soll, ihre Sprache zu sprechen. Wie schätzt du das ein?
Mehmet Ateş: So einen Beschluß gab es schon 1982, und dennoch sind seither Kurden gefoltert und getötet worden, die kurdisch sprachen. Außerdem bleibt der Parlamentsbeschluß weit hinter den Forderungen zurück. Sogar der ehemalige türkische Präsident Bülent Ecevit, der jetzt für die Demokratische Sozialistische Partei im Parlament sitzt, hat schon vor Wochen gefordert, daß allen in der Türkei lebenden Völkern erlaubt werden soll, ihre eigene Kultur zu pflegen. Dazu gehört mehr als nur die Möglichkeit, die eigene Sprache zu sprechen. Dieser neue Beschluß erlaubt uns nicht einmal, unsere Sprache zu schreiben und zu drucken.

Gegenwind: Die USA haben des Gebiet nördlich des 36. Breitengrads jetzt für die irakische Armee gesperrt und damit eine Art Schutzzone für die Flüchtlinge, wie sie von der EG vorgeschlagen worden ist, geschaffen. Wes hältst du davon?
Mehmet Ateş: Das ist in Ordnung; um die Kurden für den Augenblick vor weiteren: Angriffen zu schützen. Aber damit wird das Problem nicht gelöst! Ich denke, man will warten, bis nach außen hin wieder „Ruhe“ einkehrt, und danach sollen die Rechtlosigkeit und die Unterdrückung des kurdischen Volkes schnell wieder in Vergessenheit geraten.kurden 2

Gegenwind: Der US-Außenminister Baker hat geäußert, dass im Irak eine Lage geschaffen werden soll, die es für die Flüchtlinge wünschenswert erscheinen läßt, in ihre Heimatorte zurückzukehren. Hältst du es für möglich, daß irakische Kurden wieder zurückkehren werden?
Mehmet Ateş: Bestimmt nicht. Irak betreibt ’seit Jahren Völkermord an seiner kurdischen Bevölkerung. Im Krieg Iran-Irak wurde bekannt, daß der Irak Giftgas gegen kurdische Zivilisten eingesetzt hat. In der Zwischenzeit wurde nichts mehr bekannt, aber jetzt geht der Massenmord weiter. Wie sollten die Kurden darauf vertrauen können“ jemals in Ruhe in Irak leben zu können? Wir fordern deshalb auch, daß das Kurdenproblem in die Nahost-Konferenz einbezogen werden soll.

Gegenwind: Was werdet ihr weiter tun, um eure Forderungen zu propagieren und Geld zu sammeln?
Mehmet Ateş: Zusammen mit der Wilhelmshavener Friedensbewegung planen wir eine Kultur- und Informationsveranstaltung im Mai. ‚Wir versuchen, weitere Organisationen dazu zu gewinnen, diese Veranstaltung mit vorzubereiten und zu tragen. Außerdem werden wir weiterhin samstags in der Marktstraße den Stand betreiben. Da sammeln wir auch Unterschriften unter einen Brief an den UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar, in dem er gebeten wird, sich für die Behandlung des Kurdenproblems in der UNO einzusetzen. Wer sich diesem Aufruf anschließen möchte, kann uns samstags am Stand besuchen oder sich. mit mir (Friederikenstraße 55, Telefon 304622) in Verbindung setzen.

Gegenwind: Wir danken dir für das Gespräch und wünschen euch viel Erfolg.

Mehmet Ates

 

 

 

 

 

 

 

 

Unser Gesprächspartner:
Mehmet Ates ist Kurde aus der Türkei. Er lebt seit elf Jahren in Wilhelmshaven und setzt sich seither in vielfältiger Weise für seine Landsleute, aber auch für andere Ausländer ein. Nun hat er hier die Kampagne „zur Unterstützung der kurdischen Flüchtlinge initiiert.

Kurdistankomitee
In Anbetracht der erschreckenden Ereignisse in Kurdistan haben wir beschlossen, ein Kurdistankomitee zu gründen. Dieses Komitee soll die Möglichkeit bieten, die verschiedenen gerade jetzt wichtigen Aktionen in Bezug auf die Kurdenfrage zu organisieren und zu koordinieren.
Um effektiv arbeiten zu können und das Komitee auf eine möglichst breite Basis zu stellen, laden wir alle Personen und Organisationen, die in diesem Komitee mitarbeiten wollen, recht herzlich ein.
Das Gründungstreffen findet am
Dienstag, den 23.4.91 um
20.00 Uhr im Jugendheim Kirchreihe
statt.
Darüber hinaus sind weitere Treffen an jedem 1. und 3. Dienstag im Monat vorgesehen.
Mehmet Ateş
Auch die Wilhelmshavener Friedensbewegung unterstützt die Aktion für Kurdistan. Ihre Mitglieder beteiligen sich an den Infoständen in der Marktstraße. Außerdem haben sie beschlossen, die Kosten der Veranstaltung am Ostermontagabend im Kling Klang selber zu tragen. Die bei dieser Veranstaltung erzielten Einnahmen haben sie auf das Spendenkonto von „Medico International“ überwiesen.
AWO-Basar für Kurdistan
Auch die MitarbeiterInnen der Arbeiterwohlfahrt unterstützen die Kurden. Der Erlös eines Basars am Nachmittag des 13.4. ist für die Kurdistanhilfe vorgesehen.
Solidarität mit Kurdistan
auch an der Fachhochschule Wilhelmshaven. Eine Gruppe von Studenten hat eine Spendenaktion zur Unterstützung der kurdischen Flüchtlinge organisiert.

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