Gegenwind-Gespräch: Johan Anton van Weelden
Jul 012001
 

Ich brauche meine Hand nicht aufzuhalten

Gespräch mit dem parteilosen CDU-OB-Kandidaten Johan Anton van Weelden

(hk/ft) Gereizt reagieren insbesondere die Wilhelmshavener Sozialdemokraten auf jede Äußerung des zum Oberbürgermeister-Kandidaten der CDU gekürten Raffineriechefs Johan Anton van Weelden. Dabei sind seine Forderungen wirklich nicht revolutionär. Van Weelden verlässt mit seinen Gedanken und Ideen allerdings die festgetrampelten Pfade, auf denen die SPD-Heroen so viele Jahre gemütlich vorankamen. Der Gegenwind sprach mit dem Industrieboss, der angetreten ist, seine erfolgreiche Industriepolitik auf die Verwaltung der Stadt zu übertragen.

Gegenwind: Wie kamen Sie auf die Idee, für den Posten des Oberbürgermeisters zu kandidieren?
Van Weelden: Das war Rolf Rütters’ Idee. Rolf Rütters meinte, dass ich in die Politik gehen solle, um etwas in Wilhelmshaven zu ändern. Das ist bei mir hängen geblieben. Dann kam diese neue Wahl des Oberbürgermeisters. Da hab ich gesagt: Ich bin noch fit genug, um hier in dieser Stadt etwas zu bewegen, und habe mich als Kandidat ins Spiel gebracht. Die CDU und die FDP sind auf mich zugekommen und haben mich gebeten, für sie als Kandidat – ich möchte das bekräftigen: als parteiloser Kandidat – anzutreten. Ich will eine breite Bevölkerungsmasse als Wähler und Wählerinnen gewinnen und auch die mobilisieren, die sonst nicht zur Wahl gehen würden. Ich stehe als parteiloser Kandidat für alle Bürger und Bürgerinnen dieser Stadt.

Aber auf der Liste der CDU!
Nein, ich bin parteiloser Kandidat der CDU.

Und warum mit der CDU?
Weelden_Hans vanWeil die CDU auf mich zugekommen ist und gesagt hat, das ist sehr vernünftig, dass Sie kandidieren wollen. Und die CDU hat auch eingesehen, dass es sehr vernünftig ist, jemandem ohne politische Vergangenheit das Steuer in die Hand zu legen, wenn sie in dieser Stadt etwas ändern will.

Die CDU gehört doch in Wilhelmshaven auch zum “Filz“ und zu den „Machenschaften“, die Sie anprangern.
Das haben Sie gesagt. Ich habe keine politische Vergangenheit – ich habe nichts mit Filz und Machenschaften von einer oder von der anderen Seite zu tun. Ganz unabhängig und ruhig betrachtet: Ich habe meine Rente, ich brauche meine Hand nicht aufzuhalten und kann unabhängig zu Gunsten der Bürger dieser Stadt entscheiden.

Ihre Forderungen, Ihre Gedanken, die sie öffentlich machen, sind die mit der CDU abgesprochen?
Zufälligerweise kommt das genau überein. Da ist nichts abgesprochen. Ich kenne das Wahlprogramm der CDU, und ich kenne auch die Sachen, die hier meiner Meinung nach passieren sollten, und ich glaube, die beiden Dinge kommen ziemlich gut überein.

Sie mit der CDU?
Die CDU mit mir und ich mit der CDU.

Sie sind unabhängig von der Partei CDU – entscheiden Sie selbst, mit welchen Themen Sie in die Öffentlichkeit gehen – ist das Ihr Gutdünken?
Genau – aber ich stimme natürlich mit der CDU ab, was ich nach außen bringe.

Und das wird, angenommen Sie gewinnen die Wahl, auch nach der Wahl Bestand haben?
Ich bin parteiloser Kandidat der CDU. Wenn ich als unabhängiger Kandidat antreten würde, dann kann ich am nächsten Tag wieder abgewählt werden. Man braucht eine Rückendeckung innerhalb des Stadtrates. Ich möchte ausdrücklich sagen, ich bin parteilos und gehe nicht mit einer politischen Geschichte in das Rennen um das Amt des Oberbürgermeisters.

Und hier in der Raffinerie haben Sie alles geregelt? Haben Sie schon einen Nachfolger?
Nein – das kommt noch.

Es bleibt kein Loch hier, wenn Sie gehen?
Nein. Ich würde nicht gehen, wenn hier ein Loch bleiben würde.

Sie werden ja gerne und oft als Visionär bezeichnet. Doch was steckt hinter diesen Visionen? Die Probleme mit der ständig versandenden Fahrrinne ließ bei Ihnen die Vision vom JadePort wachsen. Der JadePort ist jetzt beschlossene Sache, aber das Problem der Versandungen wurde nicht gelöst. Was ist mit Ihren anderen Visionen – Cracker, Pipeline, eigenes Kraftwerk, Tunnel nach Bremerhaven…?
Mit der Cracker-Anlage sind wir sehr weit vorangeschritten – das ist auch ein Grund, warum ich meine, dass ich die Raffinerie in Ruhe verlassen kann. Die nächste Sache, die ich hier anstrengen möchte, ist die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Region. Deswegen habe ich letzte Woche auch eine Bürgermeisterkonferenz zusammengerufen, und wir haben da die wirtschaftliche Situation und die möglichen Auswirkungen des JadeWeserPorts auf die Region besprochen. Es ist ja auch interessant, zu sehen, welcher Bürgermeister nicht dabei war. Es gibt Unstimmigkeiten zwischen Schortens und Wilhelmshaven und zwischen Wangerland und Wilhelmshaven, und so sollte man nicht mit der Region umgehen, wenn ein so wichtiges Projekt wie der JadeWeserPort davor steht, gebaut zu werden.
Der Tunnel als Transportweg nach Bremerhaven – das müssen wir noch mal richtig betrachten, wenn der JadeWeserPort in Angriff genommen wird. Wie transportieren wir auf eine umweltfreundliche Weise diese Containerströme von Bremerhaven? Die Tunnellösung ist eine ausgesprochen umweltfreundliche Lösung – aber das muss mit dem gesamten JadeWeserPort-Projekt betrachtet werden.
Eine andere Vision ist der Transrapid. Der muss so weit wie möglich nach Norden kommen – die Gleise müssen über Wilhelmshaven und Bremerhaven laufen.

Transrapid zur Beförderung von Gütern?
Nein. Der Transrapid ist ein Personenzug.

Bisher haben wir den Eindruck, dass Sie Stadtpolitik von der Raffinerie aus machen – aus der Sicht des Raffineriebosses.
Ich werde mich von der Raffinerie trennen und mich für die Interessen der Bürger dieser Stadt einsetzen. Die Hauptaufgabe in dieser Region ist, die wirtschaftliche Situation zu verbessern – inklusive einer vernünftigen Sozialpolitik.

Aber Ihre Aussagen beziehen sich doch in erster Linie auf Themen, die in irgendeiner Form mit der Raffinerie zusammen hängen. Ob es darum geht, dass wir plötzlich nur noch Öl verheizen sollen…
….Augenblick! Ich habe über Schulpolitik geredet, ich habe über die Südstadt geredet, ich habe über den Bahnhof geredet, ich habe über Ausländer…

…jetzt mit uns hier?
…nein, nein – in der Öffentlichkeit. Ob die Öffentlichkeit das auch erfährt – die Wilhelmshavener Zeitung gibt wieder, was sie wiedergeben will – da haben Sie jetzt die Chance, das zu korrigieren.
Zur Schulpolitik. Ich bin der Meinung, dass eine Schule in der Südstadt vorhanden sein muss, wo man eine Integration der ausländischen Jugend in die deutsche Sprache, in die deutsche Kultur anstrebt. Das heißt: Die falsche Schule wurde geschlossen!

Sie meinen die Helene-Lange-Schule?
Richtig.

Sie haben ja auch die Sanierung der Wilhelmshavener Schulen mittels des „Contracting-Verfahrens“ durch die Gas- und Elektrizitätswerke Wilhelmshaven (GEW) kritisiert.
Ist GEW zuständig für die Schulen? Oder die Stadt?

Die Stadt konnte es nicht leisten und hat darum dieses Contracting-Verfahren…
…warum nicht? Dann sollten die GEW mehr Geld an die Stadt abgeben – aber die Stadt sollte bestimmen, was da passiert und nicht die GEW. Das darf doch nicht war sein!

Was muss in der Stadt noch angepackt werden?
In der Stadt sollte der Bahnhof nach Bant verlegt werden – so dass wir endlich mal eine Innenstadt bekommen und die Südstadt in das Stadtzentrum integrieren – ein gemeinschaftliches städtisches Zentrum. Die Stadt wird geteilt durch die Bahn. Abgesehen davon behindern die Bahnübergänge die wirtschaftliche Entwicklung der Nordseepassage. Was ich anstrebe, ist die Verlegung des Bahnhofs von der Nordseepassage nach Bant.

Das ist ja eigentlich eine ganz alte Forderung.
Es scheint ja alles alt zu sein, wenn ich etwas Neues sage. Das ist typisch. Immer wenn ich etwas sage, z.B. JadeWeserPort, dann haben zig Leute das schon gesagt – das einzige Problem ist nur: Es ist nie zustande gekommen. Ich sage nur: Ich als Oberbürgermeister werde mich dafür einsetzen, den Bahnhof zu verlegen.
Meine Aufgabe wird sein, die Wirtschaft in der Region, nicht nur in Wilhelmshaven, anzukurbeln, so dass der neue Hafen auch mit Leben erfüllt wird. Das wird meine erste Priorität sein. Zweite Priorität ist, die Südstadt, die manchmal abgestempelt wird als Ausländerquartier, als Ghetto, als Armenquartier, in die Stadt zu integrieren. Dann die Wohnungsleerstände in dieser Stadt. Dieses Problem will ich lösen! Jungen Leuten billig Wohnungen anbieten, die sie dann selber instandsetzen – damit können wir die ganze Stadt wieder mit Leben erfüllen – mit jungem Leben. Das kann man nur, wenn man die Wirtschaftskraft dieser Stadt erhöht. Es kommen noch einige Probleme auf uns zu. Wenn die Marine oder das Rechenzentrum hier weiter reduziert werden, dann haben wir erhebliche Probleme für den weiteren Aufbau und die Kaufkraft dieser Stadt. Das sind Sachen, mit denen wir zu tun haben – da müssen wir wirtschaftliche Alternativen bieten.

Ihr Ansatz zur Südstadt ist ja sehr interessant. Aber so einfach ist das sicher nicht, wenn Sie sich einmal die Eigentumsverhältnisse der Häuser in der Südstadt anschauen. Das ist ja nicht ein Bauverein – da treffen Sie ja auf viele private Besitzer, die irgendwo in Deutschland wohnen und gar kein Interesse an Stadtpolitik und -entwicklung haben. Deswegen läuft jetzt in der Südstadt auch das Förderprogramm „Soziale Stadt“. Da stehen Millionen aus Landesmitteln zur Verbesserung der Südstadt bereit.
Aber wer bekommt diese Gelder? Werden damit junge Leute unterstützt? Oder der anonyme Eigentümer aus München? Ich stelle mir vor, eine junge Familie kauft eine Wohnung für wenig Geld, hat aber die Verpflichtung, innerhalb von fünf Jahren diese Wohnung auf einen bestimmten Stand zu bringen. Wenn man so etwas auf die Beine stellt, die Eigeninitiative der jungen Leute fördert – das hätte einen guten Effekt auf die Bauwirtschaft dieser Stadt, auf Handel und Handwerk und auf die jungen Menschen.

Was, meinen Sie, befähigt Sie dazu, Oberbürgermeister dieser Stadt zu werden? Dass Sie eine Raffinerie geleitet haben – ist das schon Qualifizierung genug?
Es geht doch grundsätzlich darum: Ich verwalte hier in der Raffinerie das Geld meiner Aktionäre. Als Oberbürgermeister verwalte ich das Geld und das Vermögen der Bürger dieser Stadt. Das ist Verwaltung. Das ist in einigen Köpfen noch nicht drin. Aufgabe der Verwaltung ist es, Ihr und mein Steuergeld, das in diese Stadt reinfließt, zu verwalten. Genau das Gleiche mache ich in der Raffinerie, wo ich einen Jahresumsatz von 4 Milliarden steuere. Ich erachte mich sehr wohl in der Lage, diese Stadt zu steuern und zu verwalten! Das macht man ja nicht alleine, man hat Dezernenten und Abteilungsleiter. Es geht darum, wie gut man das Team motivieren kann, um die Arbeit anzupacken. Betrachten Sie, was in den letzten 10, 20 Jahren passiert ist: Abbau von Stellen, Abbau von Leuten, Schuldenerhöhung – wurde hier alles richtig verwaltet? Das WPG-Desaster – und jetzt will man die Stadtwerke auch noch privatisieren. Man muss erst einmal die Fähigkeit zeigen, ein Privatunternehmen zu führen, bevor man privatisiert. Deswegen muss man die Verwaltung erst einmal neu organisieren, bevor überhaupt weiter geredet wird über weitere städtische Verkäufe und Postengestaltung für ausrangierte Politiker. Wo liegen da die Interessen? Das Interesse muss doch sein, dass die Bürger für einen vernünftigen Preis eine vernünftige Stadt bekommen – das ist die Aufgabe.

Sie würden einer Verwaltung von über 2000 Leuten vorstehen…
…2800

…das ist ja nicht einfach – es wird sicherlich viele Widerstände geben. Was will der Industrieboss hier bei uns – der hat doch keine Ahnung, was für Probleme mit der Verwaltung einer Stadt verbunden sind – der weiß doch nicht, wie so ein Organismus Stadt funktioniert – der kommt her und versucht, seine Raffineriepolitik in die Stadt umzusetzen …
Sie glauben doch nicht, dass hier in der Raffinerie alles ohne Widerstand abläuft. Wir haben mit Menschen zu tun – es geht darum, diese Menschen in eine bestimmte Zielrichtung zu kriegen. Die Verwaltung ist da für den Bürger – die Bürger sind nicht für die Verwaltung da. Die Frage ist auch, können wir als Wilhelmshavener uns eine Verwaltung in diesem Umfang leisten – oder sollten wir eine größere Stadt haben? Bei der Größe dieser Verwaltung sollte die Stadt etwa eine Größe von 200.000 Einwohner haben! Sie und ich – wir bezahlen das – was wollen Sie da tun? Wollen Sie sagen, ich lass das mal ruhig weiter kappeln, oder sagen sie, lass uns mal nach vernünftigen Lösungen suchen, so dass wir eine größere Bürgernähe in dieser Verwaltung haben.

Das heißt also Abbau der Verwaltung.
Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt: Vergrößerung dieser Stadt.

Das ist doch schlitzohrig!
Nein. Das hat mit Schlitzohrigkeit nichts zu tun. Ich werde mich dafür einsetzen, diese Stadt zu verjüngen und zu vergrößern, und das ist nicht schlitzohrig, sondern die andere Seite der Medaille.

Hatten Sie denn schon Kontakt mit Leuten aus der Verwaltung?
Vor ungefähr einem Monat war ich bei den Leuten, die im Keller der Verwaltung sitzen – bei den Personalräten. Das war mein erster Gang! Ich bin der Auffassung, ich rede mit den Leuten, mit denen ich zusammenarbeiten will und muss. Ich will auch auf eine vernünftige Weise mit den Leuten zusammenarbeiten und nicht, wie es jetzt ist, dass die Leute nicht wissen, was los ist. Ich habe hier einen Betriebsrat – da rede ich mit – ich habe hier keine Probleme.

In Wilhelmshaven läuft das ja anders, man muss, um etwas zu werden, schon eine Hausmacht haben, man muss die Zeitung auf seiner Seite haben. Die Wilhelmshavener Zeitung, oder besser Herr Adrian, bestimmt doch, was in Wilhelmshaven geschieht.
Diese Einschätzung habe ich nicht – ich lese auch gerne den Gegenwind….

…aber wir bestimmen in Wilhelmshaven nicht die Politik.
Ich bin keine Verlängerung von Herrn Adrian, und ich werde es auch nie sein. Ich bin ein sehr unabhängiger Geist, und ich werde das für die Bürger tun, was ich für richtig halte, und ich werde mich nach den Ratsbeschlüssen richten. Man darf ja auch nicht vergessen, dass es noch einen Rat gibt und der Oberbürgermeister nicht die Macht an sich hat – der Oberbürgermeister sollte die Fähigkeit haben, mit seiner Verwaltung für die Bürger das zu tun, was notwendig ist – auf Grundlage der demokratischen Beschlüsse. Aber natürlich werde ich meinen Stempel darauf setzen.

Wir danken Ihnen für das Gespräch.

Foto: Frank Tunnat


 

Das Gespräch wird im nächsten Gegenwind fortgesetzt – dann geht es unter anderen um Filz und Machenschaften, um die WPG und um die Frage, wie die Raffinerie nach dem Bau des JadeWeserPorts weiter existieren will.


Wer will da Oberbürgermeister werden? Wer kennt Johan Anton van Weelden? Der Gegenwind hat sich in mehreren Artikeln mit dem „Baas“ van Weelden auseinandergesetzt. Wir haben einige Artikel aus alten Ausgaben ausgewählt, um unseren LeserInnen einen kleinen Einblick in das Denken und Handeln des Industriebosses zu geben, der angetreten ist, der SPD das Fürchten zu lehren.
Der Gegenwind kann sich diesen „Personenkult“ leisten – steht er doch bestimmt nicht in Verdacht, einem so engagierten Befürworter des JadeWeserPorts (auch noch mit der CDU im Rücken) die Stange zu halten!

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