Gegenwind-Gespräch: Dalichow und Tjaden
Mrz 162005
 

Verschiedene Ebenen – gleiche Ziele

GEGENWIND-Gespräch mit Werner Dalichow und Joachim Tjaden

(noa) Auf einer Versammlung der – damals noch – WASG trafen wir zwei bekannte Mitglieder der WALLI. Einer von ihnen moderierte sogar die Diskussion. Was ist da los? Löst sich die WALLI in die WASG auf? Hat die WASG die WALLI geschluckt?

Wir wollten es genau wissen und sprachen mit WALLI-Ratsherrn Joachim Tjaden und Werner Dalichow von der – jetzt – ASG.

Gleich zu Gleich gesellt sich gern

Gegenwind: Acki, wir haben dich und Johann neulich auf einer WASG-Versammlung gesehen, und es sah nicht nur nach Besuch aus. Kannst du uns das erklären?
Tjaden: Ja, nun gibt es die WALLI seit drei Jahren, und sie ist ziemlich bekannt. Und da tauchte letztes Jahr die WASG auf und vertrat die gleichen Ziele wie wir, wenn auch auf anderer Ebene. Da bietet sich eine Zusammenarbeit doch an! Johann Janssen und ich sind mittlerweile Mitglieder in der ASG. Die ASG unterstützt uns, wo sich das ergibt. Die politische Richtung unserer beiden Gruppierungen ist dieselbe, wenn auch auf unterschiedlichen Ebenen.

Weil ihr ausschließlich kommunalpolitisch tätig seid, während die ASG bundespolitisch arbeitet?
Dalichow: Bundes- und landespolitisch.
Tjaden: Man sieht uns jetzt häufig zusammen, und da fragen sich wahrscheinlich viele, was da vorgeht.

Wenn ihr auf so unterschiedlichen Ebenen arbeitet – wie konntet ihr da überhaupt Übereinstimmungen feststellen?
Dalichow: Die wichtigen Themen wirken sich auf allen Ebenen aus. – Ich habe mich 1981 aus der Politik zurückgezogen und das Geschehen vom Sofa aus beobachtet. Letztes Jahr entstand an zwei unterschiedlichen Orten gleichzeitig etwas Ähnliches. Im Süden der Republik standen zwei Gewerkschafter, Thomas Hennel und Klaus Herbst, gegen die Reformpolitik der Bundesregierung auf, und hier im Norden waren es Wirtschaftswissenschaftler wie Axel Troost, die gleichzeitig die gleiche Kritik äußerten. Im Norden wurde die Wahlalternative gegründet, und im Süden entstand die Initiative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit. Diese beiden Gruppierungen haben sich zusammengetan und die Bildung von Regionalgruppen im ganzen Land angeregt. Ich habe es übernommen, hier in der Region die Idee zu verbreiten und Leute zu sammeln. Ich habe Acki angerufen, und so ist das ins Laufen gekommen. Ich kannte Acki Tjaden nicht persönlich, aber ich wusste natürlich, wer er ist und wofür er eintritt – ich hatte ihn ja auch gewählt.

Und was ist das mit der Änderung des Namens von WASG in ASG?
Dalichow: Die Wahlalternative hat sich am 22. Januar als Partei gegründet. Jetzt sind wir die Partei für Arbeit & soziale Gerechtigkeit mit dem Zusatz „die Wahlalternative“. Das hat u.a. den Grund, dass wir auf dem Wahlzettel dann nicht ganz unten stehen.
Tjaden: Bei der Veranstaltung damals im „Orange“, über die ihr ja auch berichtet habt (Anm.: Das war der Artikel „Partei neuen Typs“ im Gegenwind 202), war klar, dass die ASG (damals noch WASG) eine Chance ist, etwas zu verändern. Ich hatte das schon vorher verfolgt. Zwar hatte die WALLI noch nicht an eine Zusammenarbeit gedacht, weil wir hier so schon alle Hände voll zu tun haben.
Wir haben so viele Übereinstimmungen zwischen der WALLI und der WASG, da liegt eine Zusammenarbeit nahe, und warum sollte die ASG sich neue Wähler suchen gehen, wenn man die schon hat? Wenn wir den Zusammenhang deutlich machen können, dann werden vielleicht viele, die bei der Kommunalwahl die WALLI gewählt haben, bei der Bundestagswahl die ASG wählen.
Dalichow: Und da wir die gleichen Themen vertreten, liegen gemeinsame Veranstaltungen nahe. Warum sollten die WALLI und ASG getrennt voneinander je eine Veranstaltung z.B. zu Hartz IV machen?
Tjaden: Und Johann und ich sind ASG-Mitglieder geworden, weil so eine Partei Mitgliedermassen braucht, um die Bundeschance wahrzunehmen.

Ist denn jetzt klar, dass die ASG bei der Bundestagswahl antreten wird?
Dalichow: Ja, und auch schon zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai.

Könnt ihr den Wahlkreis hier vertreten und abdecken?
Beide: Ja.

Linke Spinner?

In den Medien wird die ASG kaum mal erwähnt. Doch bei Sabine Christiansen neulich, wo es eigentlich um das Thema Neonazis ging, sagte ein Gast, allerdings ohne den Parteinamen zu nennen, dass es neben den Nazis ja noch eine Gruppe gibt, die gegen Hartz IV arbeitet – er sprach von Leuten, die wirtschaftspolitischen Konzepten der 70er Jahre anhängen. Sein Beitrag hatte den Beigeschmack „linke Spinner“. Hört ihr das öfter?
Dalichow: Das hören wir dauernd.

Von wem?
Dalichow: Von allen Parteien. Sie nennen uns „Sozialromantiker“.

Hört ihr das auch aus dem Volk?
Dalichow: Nein. Viele glauben, man könnte die Vergangenheit zurückholen, man müsse nur an ein paar Schrauben drehen, um die soziale Gerechtigkeit wieder herstellen zu können. Dass das unter den herrschenden Gegebenheiten nicht möglich ist und auch in Zukunft in dieser Form nicht möglich sein wird, wissen viele nicht. Es wird anders sein, und es ist schwer, das zu vermitteln. Es wird ja auch innerhalb unserer Partei sehr unterschiedlich diskutiert. Da gibt es die Gewerkschafter ebenso wie die, die weiter links stehen, und auch solche, die von der christlichen Ethiklehre her kommen – in NRW z.B. aus der CDA. Da wird innerhalb der ASG ein Häutungsprozess stattfinden. Klar ist: Wir können uns nicht hinstellen und sagen: Wenn ihr uns wählt, wird alles wieder so, wie es vor 15 Jahren war. Das wäre völlig falsch.

Auf der Veranstaltung damals im „Orange“ hat einer von euch gesagt: Wenn einige von euch im Bundestag wären und das sagten, was zur Wirtschaftspolitik, zur sozialen Gerechtigkeit zu sagen ist, dann würden auch die Mitlieder der anderen Parteien, die ähnlich denken, sich wieder trauen, zu sagen, was sie denken. Es gibt ja seit längerem ein Denkverbot: Man weiß, dass die so genannten Reformen das Elend und die Ungerechtigkeit verschlimmern, aber man spricht es nicht aus und stimmt zu, dass diese Politik nötig sei. Geht es also darum, den Bundestag als Forum zu nutzen?
Dalichow: So wie es jetzt läuft, kann es nicht weitergehen. Es ist eine vollständige Zerschlagung des Sozialstaates. Kurzfristig geht es darum, die sozialen Errungenschaften, die noch nicht abgeschafft sind, zu sichern. Wir werden bestimmt nicht in den Bundestag gehen und den Sozialismus ausrufen!
Tjaden: Wir müssen ja erst mal sehen, wie wir reinkommen. Ob wir mit so vielen Abgeordneten reinkommen, dass wir direkt etwas bewegen können. Oder nur indirekt, indem wieder gedacht und darüber geredet wird, was man machen kann.

Und seid ihr nun Sozialisten oder Gewerkschafter oder linke Sozialdemokraten oder was sonst?
Dalichow: Von allen gibt es bei uns welche. Und man wird sehen, wie es sich entwickelt.
Tjaden: Wenn man mal die augenblickliche Lage betrachtet: Hartz IV ist ein Späßchen im Vergleich zu dem, was noch auf uns zukommen wird. Jetzt ist Hartz IV seit einigen Wochen in Kraft und betrifft eine bestimmte Zahl von Menschen unmittelbar. Und von den anderen denken viele, dass es sie nichts angehe. Aber von denen, die nicht direkt betroffen sind, machen viele sich Gedanken über die mittelbaren Auswirkungen. Man sieht den eigenen Lohnstreifen, man sieht die Arbeitsplatzunsicherheit, und man hört, was auf den Gehaltstreifen der Manager auf Kosten derer los ist, die arbeiten oder die keine Arbeit haben. Das muss gebremst werden. Man muss das Pferd bremsen, bevor man daran denken kann, es in eine andere Richtung zu lenken.
Viele Dinge sind kurzfristig nicht zu ändern. Selbst wenn im nächsten Bundestag nur Leute wären, die wie wir denken, wäre einiges nicht sofort zu ändern. Die Wirtschaft ist ja nicht dumm – es gibt Verträge, die eingehalten werden müssen.

Was tun?

Was meint ihr dann überhaupt tun zu können?
Tjaden: Es ist wichtig, die Lügen aufzudecken. Herr Schröder kann sich im Moment hinstellen und Sachen sagen, die einfach nicht stimmen. Wenn der Herr mit der Krawatte im Fernsehen oft genug gesagt hat, dass es so nicht weitergehen kann und die Lohnnebenkosten gesenkt werden müssen, dann glauben die Leute das irgendwann, ohne nachzufragen.
Dalichow: Lass es mich mal so sagen: Die ASG ist ein Versuch, die Linke in Deutschland zusammenzufassen. Es gibt ja viele Leute, die die Lügen erkennen und entlarven, die z.B. sagen, dass es Quatsch ist, die Arbeitszeit zu verlängern, weil wir damit nur mehr Arbeitslose produzieren. Oder die Steuersenkung: 2,4 Mrd. Euro entgehen dadurch dem Staat. Und wer soll diese 2,4 Mrd. Euro aufbringen?
Tjaden: Wer kommt in den Genuss dieses Geldes? Doch nur diejenigen, die die 20 Euro mehr nicht unbedingt brauchen. Der, der vom Gerüst steigt und 800 bis 900 Euro aufs Konto bekommt, der hat 5 Euro weniger!
Dalichow: Im Grundgesetz steht, dass Eigentum verpflichtet. Wer viel Geld verdient, soll auch entsprechend Steuern zahlen! Es kann doch nicht angehen, dass diejenigen, die durch die Arbeit der ganzen Bevölkerung reich geworden sind, keine oder nur minimale Steuern zahlen.

Sprichst du jetzt von der Kapitalflucht?
Dalichow: Gegen die Kapitalflucht kann man gar nichts machen. Wir haben eine soziale Marktwirtschaft, und jeder kann mit seinem Kapital machen, was er will. Aber wie sind die an ihr Kapital gekommen? Und es darf doch nicht sein, dass sie jetzt ins Ausland gehen, wo sie weniger Steuern und geringere Löhne zahlen und diejenigen, die ihnen das Kapital erarbeitet haben, auf die Straße setzen!

Jetzt argumentierst du moralisch. Was machst du politisch daraus?
Dalichow: Die Mitbestimmung muss nicht abgeschafft, sondern ausgeweitet werden.
Tjaden: Da kommt eine Drohung aus der Industrie: Wir produzieren hier zu teuer, wir müssen 1000 Arbeitsplätze abbauen. Die Regierung gibt dem Betrieb Millionen, um diese Arbeitsplätze zu retten. Der Unternehmer baut mit diesem Geld ein neues Werk in Polen auf und vernichtet die Arbeitsplätze in Deutschland ein paar Monate später doch. So etwas darf nicht sein – das muss man vertraglich regeln! So eine Subvention muss an Bedingungen geknüpft werden, und man muss das Steuergeld zurückverlangen können, wenn der Unternehmer es nicht zur Erhaltung der 1000 Arbeitsplätze verwendet hat.
Ich beschäftige mich neuerdings viel mit Aufsichtsräten. Wenn ich einen Bundespolitiker sagen höre, dass dieser oder jener Konzern subventioniert werden muss, und ich schaue anschließend im Internet nach, wo wir ja jede Information bekommen können, und ich stelle fest, dass dieser Politiker im Aufsichtsrat genau dieses Unternehmens sitzt – und der, der sich getraut hat, dagegen zu sprechen, sitzt im Aufsichtsrat der Konkurrenz – dann denke ich, die dürften bei so etwas gar nicht mitreden! Die entscheiden nur für sich selber.
Dalichow: Nimm das Beispiel Müller-Milch. Der Müller hat für einen (1!) Euro das Werk in Mecklenburg-Vorpommern mit 150 Mitarbeitern gekauft. Dann wollte er ein entsprechendes Werk in Sachsen gründen und bekam 20 Mio. Euro Steuergelder dafür. Er hat das Werk in Sachsen mit 120 Mitarbeitern eröffnet, und alle haben gejubelt. Dass er das Werk in Mecklenburg-Vorpommern geschlossen hat, wurde nicht groß bekannt. Und nun jault er, dass er hier zu viele Steuern zahlen muss und deshalb seinen Wohnsitz nach Österreich verlegen muss.

Was wollt ihr dagegen tun – die Freizügigkeit einschränken?
Tjaden: Nein, aber die Hilfe an Bedingungen knüpfen!
Dalichow: Eine Demonstration in Berlin mit Hunderttausenden von Menschen ist eine tolle Sache. Aber sie wird das Ruder nicht rumreißen. Wichtiger ist, so etwas im Parlament zu vertreten.

Viel Erfolg, und danke für das Gespräch.


Informieren Sie sich über die Partei für Arbeit & soziale Gerechtigkeit – die Wahlalternative auf www.wahlalternative-asg.de
Interessierte sollten sich schon mal folgenden Termin vormerken:
Beim Nordwesttreffen der ASG am 16. April im Dreimädelhaus wird der Wirtschaftswissenschaftler Herbert Schui sprechen.

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