Gegenwind-Gespräch: Corinna K.
Aug 022000
 

Ein Hundeleben

Halter großer Hunde haben es im Moment nicht leicht

(noa) Corinna K. besitzt eine große Hündin, die ihr seit anderthalb Jahren eine liebe Begleiterin und Hausgenossin ist. Seit einigen Tagen hat sie aber auch viel Stress und einen Haufen Sorgen. Wir sprachen mit ihr über die Situation, die nach dem tödlichen Angriff eines Kampfhundes auf einen kleinen Jungen in Hamburg entstanden ist.

Gegenwind: Ist Angie ein Kampfhund?
Frau K.: Das weiß ich selber nicht so genau. Der Vorbesitzer sagte, an der Mischung seien Pitbull und Rottweiler beteiligt. Der Tierarzt meint, Rottweiler könnte wohl sein, Pitbull eher nicht. Ich sehe noch einige andere Ahnen, aber tatsächlich weiß ich es nicht.
Als Rottweiler-Mischling wäre sie ein Hund der Kategorie II und müsste einen Maulkorb tragen.
Ich werde einen Maulkorb besorgen. Aber da sie immer, wenn wir unterwegs sind, einen Ball im Maul trägt, weiß ich gar nicht, wie das klappen soll.

Sie führen ihren Hund neuerdings an der Leine.
Ja. Sie ist das allerdings nicht gewohnt. Ich habe sie vor anderthalb Jahren von einem Wohnungslosen übernommen, der eine Wohnung gefunden hatte und da keine Hunde halten durfte. Das Tier wäre ansonsten eingeschläfert worden, und da es so lieb ist, habe ich es halt genommen, damit es nicht getötet wurde. Berberhunde kennen keine Leine, und Angie will hier schnüffeln und da schnüffeln und zerrt natürlich in alle Richtungen. Es ist schwierig, einen Kinderwagen zu schieben und gleichzeitig einen so lebhaften Hund an der Leine zu führen. Ein Kinderwagen ist schon kaputt.

Und wie begegnen Ihnen die Leute in den letzten Tagen?
Das ist das Schlimmste: Ich werde angeschrieen, als Schlampe bezeichnet, und manche werfen mit Steinen oder Stöcken nach uns. Angie will mich dann natürlich verteidigen, und ich weiß nicht, wie sie reagieren würde, wenn ich sie nicht halten könnte. Ich weiß, wie man mit großen Hunden umgeht und sie zurückhält. Ich finde es aber schlimm, dass ich sie jetzt überhaupt zurückhalten muss. Sie hat noch niemals jemandem etwas getan, aber auf die Aggressivität der Leute könnte sie ja vielleicht aggressiv reagieren.

Haben Sie schon eine Genehmigung bei der Stadt beantragt?
Ich weiß nicht, ob ich das muss. Ich habe Angst, dass ich Angie nicht behalten darf. Einer Freundin von mir ist der Hund neulich weggenommen worden. Sie saß mit ihm in der Stadt auf einer Bank, wo auch andere Leute mit ihren Hunden sich aufhielten. Ein Polizeibeamter kam recht schnell auf sie zu, und ihr Hund bellte. Da wurde das Tier mitgenommen, weil es aggressiv sei. Und dieser Hund gehört mit Sicherheit zu keiner der beiden Kategorien, die jetzt verboten sind.

Was würden Sie tun, wenn Sie die Hündin nicht behalten dürften?
Auf keinen Fall lasse ich zu, dass sie ins Tierheim kommt. Ich hoffe, dass ich sie behalten kann. Aber wenn ich sie wirklich hergeben müsste, dann würde ich jemanden suchen, der auf dem Land lebt, wo es viel Platz und Auslauf gibt, wo auch den ganzen Tag jemand zu Hause wäre, so dass sie artgerecht leben und sich bewegen kann und jemand sich um sie kümmert.

Ich hoffe, dass es nicht so weit kommt, und danke Ihnen für das Gespräch.

Kommentar:

Kampfhundjournalismus gab es in der Ausgabe vom 16. Juli 2000 des Anzeigenblattes „Guten Morgen Sonntag“.

Unter der Überschrift „Armes Deutschland“ vergleicht die verantwortliche Redakteurin des Blattes, Gabriele Zawarty, in einem Kommentar den Völkermord der Nazis mit einem Steinwurf nach einem Kampfhund. „Und wenn es nur darum geht, einen harmlosen Hund mit Steinen zu bewerfen. So etwas hatten wir doch schon mal in anderer Form, oder nicht? Armes Deutschland.“ Menschen zerfleischende Hunde mit dem jüdischen Volk zu vergleichen, das ist Volksverhetzung und gehört angeklagt!
Auch sonst ist der Kommentar eine einzige Katastrophe. Politiker werden normalerweise des Nichthandelns angesichts aktueller Vorkommnisse bezichtigt – was ja auch stimmt. Doch wenn die Politiker mal in die Puschen kommen und Maßnahmen beschließen, kommt Gabriele Zawarty daher und bezichtigt die Politiker, dass sie die Regelungen nur erlassen haben, weil sie „eine neue Bühne zur Demonstration ihrer angeblichen Handlungsfähigkeit gefunden haben.“ Wie hätten Sie’s denn gern Frau Zawarty? Erst einmal einen Ausschuss gründen und siebzehn Runde Tische initiieren?
Dieser Vergleich des Vorgehens des Staates und auch der Reaktion besorgter Menschen mit dem Nazi-Regime macht Schule. Da werden Kampf- und andere Hunde mit Judensternen zur Demo geschmückt, ein Kampfhundbesitzer schreibt an den Gegenwind über die „Nazimethodik dieses Landes“. Kein Deutscher darf nach Auschwitz und den ganzen anderen Vernichtungslagern einen solchen Vergleich anstellen!
Die USA machten (machen?) erfolgreiche Versuche, aus Menschen Kampfmaschinen zu machen, die ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben jeden Befehl ausführen. Proteste humanitärer Organisationen führten zum Abbruch dieser Versuche. Stattdessen wurden z.B. die Vietnam-Kämpfer mit Drogen aller Art vollgepumpt.
Bei den Hunden gab es keine Organisation, die in der Lage war, zu verhindern, dass aus Rassehunden Kampfmaschinen wurden. Hunde, die erst loslassen, wenn der Gegner tot ist!
Die Fakten sind eindeutig, und Handlungsbedarf gibt es allemal. Nur, und das sei einschränkend betont: Das, was zu diesem Thema in der Gesellschaft abläuft, seien es auf der einen Seite Steinwürfe oder nur verbale Angriffe auf Hunde und deren Halter und auf der anderen Seite die Verniedlichung der Aggressivität („Der tut nichts, der hat noch nie jemanden etwas getan!“) von Hunden und die Beschimpfung der Befürworter von Maßnahmen gegen die Haltung von Kampf- und anderen gefährlichen Hunden als Nazis, ist der Sache nicht dienlich.

Hannes Klöpper

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