Gegenwind-Gespräch: BAP
Jan 122000
 

Kaputtgeklatscht

„BAP“-Konzert in Wilhelmshaven wirft Fragen auf

(iz) Ein ruhiges, besinnliches, zumindest ein anderes Konzert als gewohnt sollte es laut Vorankündigung der Band werden. Das Wilhelmshavener Publikum reagierte mit Partystimmung wie eh und je. Klappte die Verständigung zwischen Band und Publikum nicht? Hat das Publikum sich verändert? Hat die Band sich verändert? Oder beide? Der GEGENWIND sprach nach dem Konzert mit Frontman Wolfgang Niedecken und Dany Dietz vom Management.

Gegenwind: Ihr wolltet diesmal nicht „die großen Hits zur Wanderklampfe bieten“, euch nicht „jukeboxmäßig auf Zuruf“ „an den spektakulären Karriere-Eckpunkten entlanghangeln.“ Die Tonfilm-Tour soll anhand wenig gespielter Titel bekannter Alben sowie bekannter Titel in neuem Gewand eure Bandgeschichte erzählen. Ein „Hörspiel“, das dem Publikum Konzentration abverlangt. Erst- und einmalig ist der Saal bestuhlt. Dann seht ihr euch mit einem Publikum konfrontiert, das wie auf Knopfdruck beim ersten Akkord jedes Songs aufspringt und mitklatscht. Gab es da ein Missverständnis zwischen eurem Anliegen und denen, die es erreichen sollte?
Dany: Diese Reaktion haben wir eigentlich bisher in allen Sälen erlebt.

Und wie hat die Band das wahrgenommen?
Dany: In der Tat war das Klatschen teilweise schon störend. Manchmal hat es die Band richtig aus dem Rhythmus gebracht.bap 1

Mit BAP verband man stets gute Musik, die gesellschaftlich relevante Inhalte transportiert. Die Neuinszenierung bekannter Titel ist eine gute Möglichkeit, die Inhalte aus der Gewohnheit, der Abgedroschenheit herauszuholen, das Publikum neu zum Zuhören zu zwingen. Ist dieser Versuch misslungen?
niedeckenWolfgang: Wir können und wollen das Publikum nicht gängeln. Wir müssen den Leuten überlassen, ob sie Party machen wollen oder nicht.

Wilhelmshaven ist die kleinste – jedenfalls die provinziellste Stadt, die ihr auf dieser Tour besucht. Das Publikum war hier also nicht anders als anderswo?
Dany: Nein. Ausverkauft waren die Konzerte nirgends und die Reaktionen auch nicht anders.
Wolfgang: Für uns war es an der Zeit, mal wieder hierher zu kommen, gerade hier mit vielen Problemen wie zwanzig Prozent Arbeitslosen.

Momentan sind in der deutschen Rock- und Popmusik statt politischer eher persönliche Inhalte, Beziehungskisten, angesagt. Wo liegen heute eure Schwerpunkte?
Wolfgang. Es ist schon so, wenn du starke persönliche Probleme hast, kannst du dich nur noch damit beschäftigen. Wenn die Frau, wo du dachtest, die ist es, dann weg ist mit den beiden Kindern, und dich das so stark vereinnahmt – dann wäre es sogar verlogen, sich in dieser Phase mit politischen Dingen zu beschäftigen. Das war auch eine der wesentlichen Auseinandersetzungen mit dem Major (Kernmitglied der Band, das unlängst BAP verlassen hat – GW), machen wir das, was uns beschäftigt, oder was das Publikum will, was verkaufs- trächtig ist? Mir liegt schon an der persönlichen Ehrlichkeit.

Welche Gewichtung haben nun persönliche bzw. politische Texte in eurem aktuellen Repertoire?
Wolfgang: Also, da sind schon neue Stücke wie „Mayday“, wo es um die Rolle der Medien in der Politik geht – der Kosovo als Quotenkiller.

Du sagst, ihr wollt das Publikum nicht gängeln. Habt ihr euch mit dem Publikum – in welcher Richtung auch immer – verändert? Beobachtet und verarbeitet ihr – trotz persönlicher Schwerpunkte – weiter gesellschaftliche Entwicklungen? Ist es noch das „Arsch hoch – Zähne auseinander“-Publikum, das ihr ansprechen wollt?
Wolfgang: Doch, wir beobachten schon, was passiert. Aber das Publikum will eben auch Spaß haben.

„Verdamp lang her“ ist ja ein Stück das sich mit beidem – gesellschaftlichen wie persönlichen Gedanken – beschäftigt…
Wolfgang: …ja, da sind Versatzstücke aus Gesprächen mit meinem Vater verarbeitet, die aber so, wie sie im Song verarbeitet sind, nie im Zusammenhang stattgefunden haben. Das Stück verursacht mir heute noch Gänsehaut…

…eben. Deshalb hat es auch richtig weh getan, als nach dem neuen, exzellenten Intro das Publikum beim ersten Wiedererkennungseffekt bierzeltmäßig losklatschte…
Wolfgang: Okay. Morgen treten wir in Hagen auf. Ich werde einmal den Versuch starten, das Publikum vorher auf ein anderes „Verdamp lang her“ einzustimmen.

Viel Erfolg weiterhin auf der Tour und danke für das Gespräch.

 

Kommentar:

BAP zum Beispiel
Kern unseres BAP-Themas ist kein klassischer Konzertbericht oder gar Verriss, sondern der Versuch, am Beispiel einer Gruppe „altgedienter“ MusikerInnen ein Phänomen zu ergründen.
Nur der Vollständigkeit halber: BAP liefert immer noch gutes Handwerk, der Rest ist, künstlerisch betrachtet, Geschmackssache. Niedecken hat nichts von seinem Charisma eingebüßt. Die beiden „Ossis“ (ein Sachse, ein Ostfriese) liefern instrumentelle Highlights, und die Frau an den Percussions besticht (leider viel zu selten) auch mit ihrer Stimme. Der Tontechniker begrub die kölschen Vokale unter viel Hall und Basslastigkeit. Die neuen Songs mit teilweise interessanten Intros verschwammen im Refrain per Schlagzeug zu einem Einheitsbrei. Uns gefielen die alten Lieder im neuen Gewand besser – um so bedauerlicher, dass sie von der Mehrzahl des Publikums kaputtgeklatscht wurden.
Was uns aber eigentlich beschäftigt: Welche Botschaften können und wollen heute (noch) deutsche Musiker vermitteln, die in den 70ern und 80ern hoffnungsvolle gesellschaftliche Bewegungen begleitet und auch geprägt haben? Haben die Bands sich veränderten Publikumswünschen angepasst oder umgekehrt?
In Zeiten, wo zweifelhafte Apologeten wie die Böhsen Onkelz oder Rammstein die Massen hypnotisieren, wäre es verfehlt, BAP und vergleichbare Bands zu schlachten, wenn sie auf der Suche nach dem Mainstream gelegentlich in Fettnäpfchen treten. Wenn Niedecken den Mauerfall feiert, ohne die neuen Mauern, die daraus gewachsen sind, zu reflektieren. Oder zum Kosovokrieg das Menschenrechtsgeheuchel von Scharping, Fischer und Co. nachplappert.
Es macht uns eben nur ein bisschen traurig und sentimental in Erinnerung an eine Zeit, als „Arsch hoch – Zähne auseinander“ sich nicht auf Tanzen und Mitsingen beschränkte.

Imke Zwoch

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