Gegenwind-Gespräch: Axel Troost
Aug 252004
 

Wahlalternative

Auch in Wilhelmshaven formiert sich eine Gruppe, die gegen die etablierten Parteien antreten will

(hk) Was soll man denn noch wählen? Die SPD? Es hat ja ganz den Anschein, als würde diese Partei bald mit der FDP in einer Liga spielen. Und die Grünen? Die tragen das ganze Hartz-Gewurschtel mit auf ihren Schultern – auch wenn sie oft so tun, als wäre das alles Sache der SPD. Verfolgt man die Meinungsumfragen, dann sehen die meisten BürgerInnen in der CDU eine Alternative. Man mag es nicht glauben!

Diese Alternativen-Leere versucht jetzt der Anfang Juli gegründete Verein „Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ (WAsG) zu füllen. Inzwischen hat der Verein über 3.000 Mitglieder. Auch in Wilhelmshaven gibt es schon Aktivitäten zur Etablierung einer WAsG-Gruppe. Ein erstes öffentliches Treffen findet am 6. September 2004 im Pumpwerk (Orange) statt.
Der streitbare ehemalige SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine hat seine Sympathien für die Wahlalternative öffentlich zum Ausdruck gebracht. Unterstützer der Wahlalternative gibt es nicht nur in der SPD und den Gewerkschaften. Auch viele Globalisierungsgegner z.B. von attac engagieren sich in der Wahlalternative. In Umfragen (Welche Partei würde Sie wählen…) pendelt sich die Wahlalternative zwischen ernst zu nehmenden 10 und 18 Prozent ein.

Der Gegenwind sprach mit Axel Troost aus Bremen, einem von vier Mitgliedern des geschäftsführenden Bundesvorstands der Wahlalternative.

Gegenwind: Die Gründung der Wahlalternative sorgte für ziemlich bedenkliche Gesichter bei den kanzlertreuen Sozialdemokraten. Ist die Wahlalternative noch immer ein Angstmacher für die SPD?
Axel Troost: Ich glaube schon. Es wird in der Parteizentrale der SPD sehr genau registriert, dass wir immer mehr Zulauf haben, dass wir immer breitere Zustimmung bekommen. Wir werden nicht unbedingt als Bedrohung angesehen – aber man sieht schon, dass wir die Möglichkeit für die Wähler und Wählerinnen bieten, etwas anderes zu machen.

Was anderes machen – das ist ja auch eine Sache, die uns als Wählern besonders am Herzen liegt. Da bieten Sie schon eine Alternative, eine Wahlalternative. Steckt da so ein bisschen „Retten vor Stoiber“ hinter?
Ich glaube schon. Das bringt ja auch der komplette Name ‚Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit’ zum Ausdruck. Es geht um eine Sammlungsbewegung von Sozialdemokraten, von Grünen, von Wechselwählern, aber eben auch von christdemokratischen Wählern. Hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit und hin zu einer wirklichen Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und nicht einer Bekämpfung der Arbeitslosen.

Was waren die Auslöser zur Gründung der Wahlalternative? Welche Punkte brachten das Fass zum Überlaufen?
Es ist die gesamte Ausrichtung der Wirtschaftspolitik, die ganz klar zu immer mehr sozialer Ungerechtigkeit führt und die letztlich aber ihr eigenes Ziel, die sozialen Sicherungssysteme zu sanieren und Arbeitslosigkeit abzubauen, überhaupt nicht erreicht. Genau das Gegenteil ist der Fall.

Sachsens Ministerpräsident Milbradt geht richtig auf die Palme, wenn man Worte wie Vermögenssteuer oder Kündigungsschutz in den Mund nimmt. Sind das Bestrebungen, Deutschland zum Billiglohnland zu machen?
Ich glaube, das Ganze ist nicht letztlich durchdacht. Die Bundesrepublik lebt davon, dass sie als Hochlohnland mit hoher Produktivität international konkurrenzfähig ist. Und über viele Jahrzehnte hat das auch funktioniert, dass wir einen relativen Ausgleich zwischen Binnenmarktentwicklung und Export hatten. Und seit mindestens 10 Jahren ist dieses Gleichgewicht überhaupt nicht mehr gegeben. Es geht nur noch darum, exportfähig zu sein – und davon profitieren natürlich nur die großen Konzerne. Der Binnenmarkt wird vernachlässigt. Insofern wird eine Billiglohn-Strategie bzw. auch eine Reduzierung der Sozialausgaben dazu führen, dass wir noch weniger Binnennachfrage und damit noch weniger Beschäftigung im von der Binnennachfrage abhängigen Mittelstand haben.

Welche Alternativen hat die Wahlalternative?
Um die wirtschaftlichen Wachstumskräfte anzukurbeln, müssen öffentliche Ausgaben gestärkt und gesteigert werden. Mehr kommunale Investitionen und mehr öffentliche Beschäftigung in sinnvollen Bereichen und darüber hinaus auch eine Stärkung des privaten Verbrauchs. Das heißt: Steuersenkungen, wenn überhaupt, dann nur im unteren Bereich. Aber eben auch keine Arbeitszeitverlängerungen oder so etwas, sondern vernünftige Beteiligung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerínnen am wirtschaftlichen Wachstum, das wir ja nach wie vor haben.

Arbeitslosen- und Sozialhilfe sollen durch Hartz IV zusammengelegt werden zum ALG II. Ist das nicht eigentlich eine vernünftige Sache?
Es ist eine vernünftige Sache und eine alte gewerkschaftliche Forderung, dass diejenigen, die durch Arbeitslosigkeit in Armut geraten, in ein Sicherungssystem kommen, das vom Bund finanziert wird. Was aber eben überhaupt nicht in Ordnung ist, ist, dass diejenigen, die lange gearbeitet und in die Sicherungssysteme eingezahlt haben, wenn die arbeitslos werden, in Armut gestürzt werden. Das muss bekämpft werden und deswegen sagen wir: Die Korrekturen, die jetzt gemacht worden sind, reichen überhaupt nicht aus. Hartz IV in dieser Form muss weg!

In den neuen Bundesländern sind die Demonstrationen gegen Hartz IV ja sehr viel stärker als hier. Nun muss man oft beobachten, dass die Rechtsradikalen da eine bestimmende Rolle spielen. Wie verhält sich die Wahlalternative dazu? Hat man plötzlich die gleichen Forderungen wie die, die man eigentlich gar nicht leiden mag?
Also, ‚eine bestimmende Rolle’ würde ich nicht sagen. Die hängen sich dran, die haben ja nicht die gleichen Forderungen. Wenn man sich die rechten Inhalte anschaut, dann haben die eben nicht vor, den Sozialstaat zu stärken, haben nicht vor, die sozialen Sicherungssysteme für Arbeitslose zu verbessern. Im Gegenteil! Man hängt sich nur demagogisch an diese Volksbewegung ran. Das muss in der Tat verhindert werden, da muss man schon zeigen, dass man mit diesen Kräften nichts zu tun hat.

Antreten wollen Sie als Partei erst 2006 zur Bundestagswahl. Zu den Landtagswahlen nicht?
Das ist erst mal so die Vorstellung des Vorstandes. Das wird sich aber alles noch entscheiden – wir haben am 27. November die Bundesdelegiertenkonferenz. Wir werden dann möglicherweise irgendwann Partei werden und dann wird man letztlich entscheiden. Ich gehe aber jetzt davon aus, dass wir erst zu den Bundestagswahlen antreten.

Egal ob sie vorgezogen werden?
Unser Zeitplan ist schon so, dass wir auch bei vorgezogenen Wahlen antreten können.

Vielen Dank für das Gespräch.

06.09.04: Erste Regionalversammlung der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit für die Region Wilhelmshaven
Uhrzeit: 19:00 Uhr
Ort: Pumpwerk (Im Orange)
Öffentliche Regionalversammlung für alle Interessierten und Mitglieder.

Kontakt: Werner Dalichow; werner.dalichow@epost.de 04421/466836
Im Internet: www.wahlalternative.de

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