Gastkommentar
Nov 021992
 

Neue Offenheit – oder auf dem ‚richtigen’ Weg

Wie auf Bundesebene, so auch in Wilhelmshaven: die SPD macht sich unglaubwürdig. Nachdem die „Petersberger Empfehlungen“ des großen Schweigers (und 180°-Wenders) Engholm nun doch auch die verträumte Stadt an der Jade erreicht hatten, fehlte es hier nicht an Lobpreisungen für Engholms angebliche Weitsicht.Doch was war das? – Vernahm man da nicht kritische Stimmen, die sich diesem Rechtsruck der Partei widersetzten? Besaßen doch einige Jusos und kritische Parteimitglieder die Frechheit, SPD-Unterbezirksvorstand (das höchste Parteigremium der Stadt) im August mit Fragen zur Stellung der Partei in dieser Sache und mit dem Wunsch nach Aufklärung zu belästigen! Mit dem Versprechen, dieses Thema mit den Anwesenden in einer der nächsten Sitzungen zu diskutieren, widmete man sich anderen Problemen. – Dabei war die vehemente Aufforderung der Jusos, sich nach den menschenverachtenden Ausschreitungen in Rostock endlich einmal den Themen Asyl und Rassismus zu stellen, nicht der erste Hinweis auf Klärungsbedürfnis seitens der Basis: Bereits auf dem Unterbezirksparteitag der SPD am 23. Mai 1992 in Wilhelmshaven hatte der Ortsverein Neuengroden einen Antrag eingebracht, in dem der UB-Vorstand aufgefordert wurde, „…geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Asyldiskussion zu verwirklichen.“
Dem UB-Vorstand in Wilhelmshaven scheint die Basisnähe abhanden gekommen zu sein. Wie sonst ist es zu erklären, daß erst nach massiven Druck seitens anwesender Gäste während der Veranstaltung im August ein Zugeständnis, sich diesem Thema zu widmen, herauskam? Während die Basis brodelte, bequemte sich der UB-Vorstand dann endlich am 21. September, sich in einer Sitzung mit dem Thema zu beschäftigen.
Doch was passierte dann? . Gerade diese Sitzung geriet zu einem Paradebeispiel in Sachen Demokratie. Obwohl Sitzungen des UB-Vorstandes in der Regel parteiöffentlich sind (UB-Parteistatut), beschloß die Mehrheit der anwesenden Mitglieder gerade zu diesem substanziellen, vielen unter den Nägeln brennenden Thema Ausschluß der Parteiöffentlichkeit! Dieses bedeutete, daß die anwesenden Gäste (darunter auch langjährige Parteimitglieder) die Sitzung verlassen mußten. Das taten sie unter starkem Protest, und unter dem Eindruck, daß hier eine Auseinandersetzung verhindert werden sollte.

Wie Hohn klingt es in den Ohren der Beteiligten (Hinausgeschmissenen), daß in der gleichen Sitzung später zum Ausdruck kam, „…daß das Thema Asyl auf keinen Fall tabuisiert werden darf.“ Gerätselt werden darf, warum dieser Herauswurf geschah. War es, weil unliebsame Beobachter nicht wissen sollen, was einzelne UB-Vorstandsmitglieder zu diesem Thema denken? Waren vielleicht die anwesenden Jusos der wirkliche Grund? Fand hier eine Verschwörung statt? – Wir wissen es nicht.
Was wir allerdings wissen, ist, daß die Partei mit dem großen ‚S‘ sich immer weiter von der Basis entfernt. Leute, die gewillt sind, Politik mitzugestalten, werden daran gehindert, sich an geeigneter Stelle (UB-Vorstand) zu informieren und sich an der Gestaltung der Politik zu beteiligen.
Diese Leute sind zum Teil schon so gefrustet, daß sie über einen Parteiaustritt nachgedacht haben. Dieses würde allerdings bedeuten, daß sie keinerlei Einfluß mehr gegen den Rechtstrend der ‚großen linken Volkspartei‘ hätten.
Deshalb, und um Schlimmeres zu verhindern, hat sich kürzlich der „Arbeitskreis kritischer SozialistInnen Wilhelmshavens“ (AKSW) formiert, der eine (linke) Strömung der SPD darstellt und bewusst Kritik an dem derzeitigen Rechtstrend innerhalb der Partei äußert.

H. Moll

 

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