Galerie M
Mrz 261997
 

Aufbrechen zu Aufbruch und Ausbruch

Zum Ausstellungskatalog „Aufbruch/Ausbruch“ der Galerie M

(iz) Man bricht auf, um eine Reise anzutreten oder etwas Neues zu beginnen. Der Weg will geebnet sein. Man bricht Strukturen auf – Bestehendes, Verhärtetes, Einengendes – dingliche Strukturen wie Steine, Gitter, hinter denen man gesellschaftliche Strukturen findet – Normen, Dogmen, und erst wenn diese aufgebrochen sind, ist der Ausbruch gelungen und der eigentliche Aufbruch möglich …

galerie mKunst und Architektur spiegeln den Wunsch des Menschen, den umgebenden Raum sinnlich wie gegenständlich zu erfassen, zu strukturieren und zu begrenzen. Ein begrenzter Raum, ein Bild, ein Bauwerk geben Sicherheit und Freiheit – und schränken sie gleichzeitig ein: Was liegt hinter dem Übersichtlichen, dem Vertrauten?Seit Menschengedenken wurden Kunst und Architektur von den jeweils Herrschenden beeinflußt. Sie geben die Strukturen vor, in denen die Menschen sich sicher fühlen sollen, ohne ihre Gefangenschaft zu bemerken. Aus- und Aufbruchsversuche werden mit den zeitgenössisch gängigen Methoden geahndet.„Eine Kunst“, so Wilhelm der II. in der berühmten Rede zur Einweihung der Siegesallee 1901, „die sich über die von mir bezeichneten Gesetze und Schranken hinwegsetzt, ist keine Kunst mehr, sie ist Fabrikarbeit, ist Gewerbe, und darf nie Kunst werden. Die Kunst, die hiergegen verstößt, verfällt dem Vorwurf der Rinnsteinkunst.“Dieses Zitat aus dem Katalog zur Ausstellung „Aufbruch – Ausbruch – eine Annäherung“ stellt den lokalen Bezug her: Ausgehend von einem Wilhelmshavener Gebäude aus der Kaiserzeit und seiner wechselvollen Geschichte, dem Marinewaschhaus an der Kanalstraße, wird die Verknüpfung zwischen Kunst, Architektur, Politik und Gesellschaft hergestellt – lokal, aber auch im gesamtdeutschen und europäischen Zusammenhang.Ausgangspunkt war die Aktion des Wilhelmshavener Künstlerduos Kruda/Wölbern „Wir wissen nicht, was uns erwartet“ – ein „Aufbruch“ des Fußbodens in der alten Marinewaschanstalt, jetzt Galerie M. Tatsächlich verbarg sich mehr darunter, als die beiden erwartet hätten, und die Bohrung führte wie bei einem schwelenden Vulkan zu einem „Ausbruch“ von Reaktionen und Inspirationen – den es nie gegeben hätte, wenn die Neugier nicht die Ehrfurcht vor der Integrität des alten Gemäuers überflügelt hätte. In tiefster Symbolik hat sich gezeigt, daß es sich lohnt, alte Strukturen zu hinterfragen und eben aufzubrechen.Die hierdurch ausgelösten folgenden Prozesse, an denen KünstlerInnen (Malerei, Bildhauerei, Dichtung und Prosa), Historiker und andere beteiligt waren, mündeten in eine Ausstellung, die von Januar bis März in der Galerie M zu sehen war. Wer den Besuch versäumt hat, dem sind Material und Information nicht verloren: mit finanzieller Unterstützung des Landes Niedersachsen konnte ein Katalog erstellt werden. Das Material – Sach- und literarische Texte, Zeittabellen, Fotos und Faksimiles ist nicht fest verwoben: „ein Kraftwerk der Gefühle“ – „ein Gesamtkunstwerk“ – „ein Patchwork“, so Prof. Dr. Detlef Hoffmann, Uni Oldenburg, in seiner Einführungsrede zur Ausstellung. Die offene Zusammenstellung lässt dem Leser, dem Betrachter die Möglichkeit, an dem Prozeß teilzuhaben, ihn fortzuführen. In dieser Form ist der Katalog auch ein geeignetes Material z. B. für den Geschichts- oder Kunstunterricht, in erster Linie aber ein Muß für jede/n geschichtlich, politisch und künstlerisch interessierten VVilhelmshavener/in.


„Aufbruch/ Ausbruch – eine Annäherung. Architektur, Archäologie, Bildende und darstellende Kunst, Literatur.“ Din A4, 60 S. Hrsg.: Galerie M. Erhältlich bei der Galerie M (Wilhelmshaven, Weser-/Allerstr.), Mi 16-20, Fr 17-19, Sa, So 15-17 Uhr, Tel. 454104) und in der Buchhandlung Lohse-Eissing, Wilhelmshaven, Marktstr. Preis: DM 10,-.

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