Freie Humanisten
Nov 011997
 

 Absahnen auch ohne Konfirmation

Jugendfeier der Freien Humanisten als Alternative

(red) Wir veröffentlichen hier eine Presseerklärung der Freien Humanisten Wilhelmshaven. Es geht um die Jugendfeier, sozusagen die nicht christliche Alternative zur Konfirmation. Da uns nicht erinnerlich ist, dass die Kirche jemals per Inserat (gegen Geld) zur Konfirmation bzw. Firmung aufrufen musste, haben wir die Anzeige zurückgewiesen und geben stattdessen den Freien Humanisten die Gelegenheit, mit dieser Erklärung für ihre Jugendfeier zu werben.

„Ich höre schon das Protestgeschrei – natürlich ist die Konfirmation nicht gemacht worden, um bei Eltern, Verwandten, Freunden und Nachbarn kräftig abzukassieren, aber es ist doch ein wichtiger Nebenzweck geworden. Und der Zweck heiligt bekanntlich fast alle Mittel.
Was aber ist zu tun, wenn man selbst nichts mit der Kirche am Hut hat, die Eltern vielleicht schon längst wegen der Kirchensteuer oder aus anderen Gründen aus der Kirche ausgetreten sind und man dennoch nicht leer ausgehen will?
Die Freien Humanisten Wilhelmshaven bieten als Alternative zur Konfirmation auch für 1998 eine Jugendfeier zur Aufnahme in die Welt der Erwachsenen an. Doch auch hier gilt: Ohne Fleiß kein Preis. In 14 Wochen Vorbereitungszeit werden den Jugendlichen von verschiedenen Dozentinnen und Dozenten jeweils einmal wöchentlich Themen nahe gebracht, die ihnen Halt und Orientierung für ihr weiteres Leben geben sollen. Dabei geht es um eine Gestaltung des Lebens in persönlicher Freiheit, doch mit sozialer Verantwortung und Toleranz. Einige Einzelthemen sind: Religionen der Welt, Glauben und Wissen, Sinn des Lebens, Gewalt, Toleranz, Sexualität, Arbeitswelt sowie Rechte und Pflichten des Erwachsenen.
Die Freien Humanisten sind übrigens keine Sekte, sondern eine staatlich anerkannte Gemeinschaft von Menschen mit einer freiheitlichen, selbstbestimmten Weltanschauung ohne kirchliche Bindung.
Anmeldungen zum Unterricht und zur Jugendfeier nimmt Christa Timm, Tel. 04421/50 25 79, gern entgegen.“
Von Januar bis Mitte Mai wird die Vorbereitung der Jugendlichen auf die Jugendfeier stattfinden. Für den 18. November, 20 Uhr, laden die Freien Humanisten die Erziehungsberechtigten zu einem Elternabend in das Jugendheim Kirchreihe ein.


Die Freien Humanisten

Es war keineswegs immer so wie heute, dass in Deutschland die Kirchenmitgliedschaft den Menschen freigestellt war. Aus dem Geschichtsunterricht wissen wir, dass alle BürgerInnen der zeitweise über 400 deutschen Staaten zwangsläufig derselben Konfession angehören mussten wie der jeweilige Fürst.
In den letzten Jahren traten viele Menschen aus der Kirche aus, viele, um Kirchensteuer zu sparen, aber auch viele, weil sie Kritik an Religion und Kirche haben. Die wenigsten, die den Kirchen den Rücken zukehren, wissen, dass sie dieses Recht den Vorläufern der „freien Humanisten“ zu verdanken haben.

Geschichte
Es begann mit dem offenen Brief des katholischen Priesters Johannes Ronge im Jahre 1844 an den Bischof von Trier gegen die Ausstellung des so genannten „Rock Christi“. Dieser Brief gegen die kirchliche Sitte der Reliquienverehrung löste eine große Bewegung aus. Es gründeten sich zahlreiche freie Gemeinden, vielfach geführt von katholischen Priestern und protestantischen Pfarrern, die sich von der Kirche abwandten und auch den feudalen Staat ablehnten. Die Erlaubnis zum Kirchenaustritt in Preußen im Jahre 1847 war ein Erfolg dieser Bewegung.
Anfangs bekannten sich diese Gemeinschaften, die sich 1859 zum „Bund Freireligiöser Gemeinden Deutschlands“ zusammenschlossen, noch zum Christentum. Mit der Begründung, dass die christliche Ethik sich „auf Einsicht und Sittlichkeit verderblich auswirkt, Erkenntnis und Wissen behindert“, wurde das Christentum in diesen Gemeinschaften abgelöst durch eine „Religion der Menschlichkeit“.
Forderungen nach Anerkennung der Geistesfreiheit, Trennung von Kirche und Staat und der Gleichberechtigung der Frau waren die verbindenden Gedanken; der Fort- schritt der Wissenschaft und der Zugang breiterer Bevölkerungsschichten zu wissenschaftlichen Erkenntnissen förderten die Sache des freien Geistes. 1881 wurde der „Deutsche Freidenkerverband“ gegründet. In der Zeit der Weimarer Republik stieg mit der Mitgliederzahl der freigeistigen Gruppen auch deren Einfluss auf das gesellschaftliche Leben. Auf ihr Betreiben wurden z.B. weltliche Schulen ein- gerichtet.
Eine Arbeitsgemeinschaft freigeistiger Verbände und eine Vereinigung proletarischer Freidenker organisierten Massenkirchenaustrittswochen, die dazu führten, dass 1932 bereits 2 Millionen Deutsche keiner christlichen Religionsgemeinschaft mehr angehörten. Im Dritten Reich setzte die Verfolgung humanistischer Menschen wegen „politischer und antireligiöser Bestrebungen“ ein, und 1934 wurde die freireligiöse Bewegung „zur Abwehr staatsfeindlicher Umtriebe“ verboten.
Nach dem Nationalsozialismus kamen die FreidenkerInnen wieder aus dem Untergrund und schlossen sich z. B. in Niedersachsen zur „Freireligiösen Landesgemeinschaft Niedersachsen“ zusammen.
Heute nennen sich die örtlichen Gemeinschaften freireligiös, freigeistig, freigläubig oder humanistisch. Gemeinsam ist ihnen die Haltung eines von Dogmen freien Humanismus: „Der ethische Humanismus vereinigt alle Menschen, die nicht mehr an eine der verschiedenen konfessionellen Religionen glauben können, sondern gewillt sind, ihre Überzeugungen auf Ehr- furcht vor dem Menschen als einem geistigen und moralischen Wesen zu gründen.“

Grundsätze
Die Freien Humanisten nennen als Ziele ihres Zusammenschlusses die selbstbewusste Gestaltung des Lebens auf der Grundlage einer humanistischen Ethik und die Förderung und Vertiefung einer freien und dogmenlosen Weltanschauung, Religion und Kultur des Denkens und Handelns.
Daraus resultieren Forderungen nach Freiheit von allen staatlichen Vorschriften, die gegen die eigenständig und verantwortungsbewusst gewählten Formen einer sinnvollen Lebensführung gerichtet sind. Die eigene Freiheit des Menschen endet nach dieser Anschauung erst dort, wo er andere in ihrer Freiheit beeinträchtigt. Weiter fordern die Freien Humanisten, dass alle Einrichtungen, auf die die Menschen angewiesen sind (Bildungswesen, Medien usw.), von jeglichen konfessionellen Einflüssen freigehalten werden: die vollständige Trennung von Kirche und Staat.

Organisation
Um eine solche Auffassung zu entwickeln und danach zu leben, braucht ein Mensch nicht die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft. Die Mitgliederzahlen der Freien Humanisten steigen keineswegs in dem Maß wie die Kirchenaustritte. Die Wilhelmshavener Gemeinschaft zählt nur etwa 100 Mitglieder; landesweit sind es einige Tausend. Die Freien Humanisten sind seit 1950 eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit als einzige nicht christliche Organisation den Kirchen rechtlich gleichgestellt. Dieser Status räumt den Freien Humanisten Anhörungsrechte in staatlichen Organen ein. Per Staatsvertrag von 1970 erwarben sie weitere Zusicherungen und Rechte. Der Staatsvertrag hat einen ähnlichen Charakter wie die Staatskirchenverträge oder Konkordate. Im Vergleich zu den großen Kirchen können die Freien Humanisten auf Grund der geringen Mitgliederzahl wohl recht wenig Einfluss nehmen.

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