Flüssigerdgas-Terminal
Mrz 012006
 

Bittersüßer Kelch

Dritter Anlauf – Baubeginn Anfang nächsten Jahres?

(jm) Wieder mal wird der Bau eines Flüssigerdgas-Terminals in Wilhelmshaven ins Gespräch gebracht. Die größten Gasvorkommen liegen im politischen Spannungsbogen zwischen Algerien und Iran. Dessen ist sich E.on-Chef Wulf Bernotat auch bewusst. Trotzdem erwägt er laut Spiegel Nr. 2/2006, eine solche Anlage bis 2010 in Wilhelmshaven errichten zu lassen. Seines Erachtens wird Flüssigerdgas bzw. Liquified Natural Gas (LNG) eine wichtige Ergänzung zu Pipeline-Gas werden.

Das dafür erforderliche Gelände wird der Deutschen Flüssiggas Terminal Gesellschaft (DFTG) – bei der die e.on-Tochter Ruhrgas AG Mehrheitsgesellschafterin ist – seit gut 32 Jahren durch einen Vorvertrag mit der Landesregierung vorgehalten. Zwei Jahre später wurde dann der Ansiedlungsvertrag abgeschlossen. Im Vorfeld des Abschlusses, den auch die Stadt Wilhelmshaven mit unterzeichnete, hatte der damalige Oberstadtdirektor Dr. Gerhard Eickmeyer dem Rat der Stadt eine Kosten-Nutzen-Rechnung vorgelegt:
Er rechnete damals im Rahmen der Bautätigkeiten mit einem Gewerbesteueraufkommen von 2,2 Mio. DM für die Stadt. Für den anschließenden Terminal-Betrieb kam er auf 3,3 Mio. DM jährlich. Zudem sei mit einer noch nicht bezifferbaren Grundsteuerhöhe und einer rund 14%igen Beteiligung an der Lohnsteuer bei 140 Arbeitskräften zu rechnen.

Vorbescheid erteilt – Baubeginn vertagt

Nach Abschluss des Immissionsschutzverfahrens hatte die DFTG am 16.07.1979 den Genehmigungsvorbescheid erteilt bekommen. Darin war vorgesehen, bis zum 01.01.1982 mit dem Bau zu beginnen. Bereits am 03.07.1979 war ihr der Bau einer Umschlagbrücke an der Jade genehmigt worden. Doch der Firma passten die Genehmigungen der erforderlichen Bauanträge offenbar nicht mehr in die planerische Konzeption:
Sie öffnete ihre juristische Trickkiste, stellte Anträge auf Fristverlängerungen und Änderungen. Dadurch gelang es ihr, die zeitlich befristete Erteilung von Baugenehmigungen auf unabsehbare Zeit zu vertagen.
Dahinter steckten geplatzte Verhandlungen mit dem algerischen Gaslieferland, die durch Pipelinegas aus Norwegen, Dänemark und der Sowjetunion ersetzt werden sollten.
Damit verstießen die damaligen Vertragspartner Ruhrgas und Gelsenberg AG gegen die Bestimmung im Ansiedlungsvertrag, worin sie sich verpflichteten, die erste Teilmenge LNG bis zum 01.01.1985 in Wilhelmshaven anzulanden. Bis zum 30.06.1987 sollte laut Vertrag die Gesamtumschlagkapazität von ca. 8,7 – 10,5 Millionen m3 LNG bzw. 5 – 6 Milliarden m3 Erdgas der 1. Baustufe erreicht werden. Doch schon bald musste Dr. Eickmeyer bekennen, dass die DFTG ihre Planung mittelfristig nicht verwirklichen würde. An die Öffentlichkeit gewandt, stellte er die Frage in den Raum, “…welche Regressmöglichkeiten bestehen, wenn die Pläne in der Schublade bleiben und kommunale Erwartungen nicht erfüllt werden.” (WZ, 27.07.1982)
Nach 11 Jahren Zeitschinderei musste dann offenbar ganz schnell die Baugenehmigung für den Terminal her.
Nun ist es – wenn bei den Behörden mal was hakt – in Wirtschaftskreisen nicht ganz unüblich, traute Meinungsfabrikanten mit einer Schrotlandung polarisierender Halbwahrheiten zu munitionieren, die damit gerne für werbeträchtige Stimmungsmache sorgen…
“Bezirksregierung blockiert Chance für Millionen-Investition in Wilhelmshaven”, schlagzeilt die WZ am 20.10.1990. Aus ungenannter Quelle hatte diese Zeitung gesteckt bekommen, dass zwischen den Muttergesellschaften der DFTG und Nigeria “…zur Zeit intensive Verhandlungen über den Einkauf von Erdgas laufen.” Für eine Kostenkalkulation bräuchten die deutschen Verhandlungsführer dringend den Genehmigungsbescheid für die Errichtung des Terminals. Und der würde von der Bezirksregierung Weser-Ems seit Monaten zurückgehalten. Da könne in einem Gas-Rennen Zeebrügge der lachende Sieger sein – usw. usf.
In einem am 30.10.1990 abgedruckten Leserbrief verwahrt sich die derart angeschossene Bezirksregierung gegen diesen Vorwurf sowie weitere diskreditierende WZ-Kolportagen:
Die DFTG verhandele seit Oktober 1989 mit der Behörde über die Notwendigkeit der im Genehmigungsbescheid vorgesehenen Auflagen, “…will also deren Abschwächung erreichen. Hätte sie ein Interesse an der schnellen Genehmigung der Anlage gehabt, könnte sie den Bescheid der Bezirksregierung jetzt in den Händen halten – allerdings mit den von der Bezirksregierung vorgesehenen Auflagen.”

Baugenehmigung mit Restrisiko

15 Monate später, am 08.02.1992, meldete die WZ “Genehmigung in Sicht – Aber: Noch kein LNG-Liefervertrag”.
In der zweiten Hälfte des Jahres 1992 wurden dann die Baugenehmigungen erteilt, nachdem die DFTG ihre Änderungswünsche von der im Vorbescheid festgelegten Konzeption zurückgezogen hatte. Aus der Baugenehmigung geht übrigens hervor, dass die Auslegung des Terminals erheblich kleiner ausfallen wird, als im Vorbescheid festgelegt war:
“Der Umfang des mit den Teilerrichtungsanträgen definierten Vorhabens ist somit hinsichtlich der charakteristischen Größen des LNG-Terminals (Lagerkapazität und Durchsatzleistung) gegenüber dem Vorbescheidkonzept auf die Hälfte reduziert.” (Teilerrichtungsgenehmigung Nr. 1 vom 30.06. 1992). Im Wesentlichen bedeutet dies, dass die DFTG, statt mit ursprünglich sechs LNG-Tanks, mit nur noch dreien auskommen will.
Gebaut wurde aber trotzdem nicht! Knapp vier Jahre später konnte die WZ den Grund nennen: “Flüssigerdgas wegen Preisgestaltung zur Zeit ‚nicht marktfähig’”.
Jetzt – schon fast 14 Jahre nach der Baugenehmigung, die durch laufende Verlängerungen der auf drei Jahre befristeten Baugenehmigung überbrückt wurden – soll eine Machbarkeitsstudie darüber Aufschluss geben, ob der Terminal nun doch errichtet wird. Und falls in diesem Sommer positiv entschieden wird, könne schon Anfang nächsten Jahres mit dem Bau begonnen werden. Inzwischen sind die Baukostenschätzungen auf 500 MIO Euro gestiegen und die Zahl der angekündigten Arbeitsplätze auf “…bis zu 100…” – also mit nach unten offener Skala – geschrumpft.
Immerhin: Aus der verringerten Lagerkapazität ergibt sich eine Verminderung des Katastrophenpotenzials an der Jade. Denn allein aus einem der LNG-Tanks können bei Leckage z.B. durch Terrorakte bis zu 80.000 m³ Flüssigerdgas auslaufen, die dann zu einer Gaswolke von 575-fachem Volumen, d.h., zu 46 Mio. (46.000.000) m3 Erdgas verdampfen. Zunächst geht das auf -161Grad C herunter gekühlte Flüssiggas nach dem Tankaustritt in einen tiefkalten Bodennebel über, der sich flächenhaft ausbreitet und explosive Gemische mit der Luft bildet. Wenn das Gas sich auf die Umgebungstemperatur erwärmt hat, wird es leichter als Luft und steigt nunmehr unsichtbar auf. Ob eine Gaswolke bei der richtigen Vermischung mit der Luft durch eine Zündquelle detonieren und somit kilometerweite schadensträchtige Druckwellen erzeugen kann oder “nur” ein Flammeninferno mit mäßig Druck erzeugender Verbrennungswelle auslöst, das ist nicht zweifelsfrei geklärt.
Nicht vergessen sollte man dabei aber, dass dem Erdgas je nach Herkunft mehr oder weniger Ethan-, Propan- und Butananteile mit hochexplosiven Eigenschaften beigemengt sein können. Der Anteil von Ethan z.B. soll im Algeriengas gering, im Nordseegas jedoch verhältnismäßig hoch sein. Konsens ist, dass bei Verdämmungen (z.B. durch benachbarte Industrieanlagen bzw. Siedlungen) die Möglichkeit von Explosionen wahrscheinlicher wird.
Im Jahr 2010 soll neben dem Flüssiggasterminal wunschgemäß auch der JadeWeserPort betriebsfertig sein. Bei Halbierung der Durchsatzleistung des Terminals werden zwar weniger Tanker mit bis zu 125.000 m3 Flüssiggas im Bauch die Jade befahren. Es dürfte aber eng für ein flüssiges Verkehrsmanagement auf der Jade werden, wenn zu den Supertankern, Massengutfrachtern, Chemikalientankern, Stückgut- und Marineschiffen sowie den LNG-Tankern auch noch Mega-Containerjumbos hinzukommen.
So wird in dem Bericht “Transport gefährlicher Güter zu den geplanten DFTG-/ICI-Umschlagbrücken” der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest (Stand 13.10.1978/Entwurf) u.a. gefordert, “…von einem ein- laufenden Gastanker ab 40.000 m3 haben nachfolgende Schiffe mit einem Tiefgang von 13,50 m oder einer Länge von 300 m einen Abstand von 10 sm (18,5 km, der Verf.) einzuhalten.”

Was kann man noch tun?

Wenn auch die zuständigen Behörden in ihren durch Gutachten abgesicherten Genehmigungen versichern, dass alle denkbaren Sicherheitsmaßnahmen zur Verhinderung einer Katastrophe getroffen werden – grundsätzlich ausschließen kann man sie nicht.

  • Aus prophylaktischem Selbsterhaltungsinteresse sollten die Bürgerinnen und Bürger den zuständigen Behörden abverlangen, dass die Anlage nur unter Berücksichtigung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse und nach dem aktuellen Stand der Technik errichtet und betrieben wird. Wie gesagt: Die Baugenehmigungen sind schon fast 14 Jahre alt und basieren auf einem Vorbescheid aus dem Jahre 1979!
  • Ein besonderes Risikopotenzial birgt eine Schiffskollision unter Beteiligung eines LNG-Tankers. In Folge des – bei Betrieb des JadeWeserPorts – gesteigerten Schiffsverkehrs rückt diese Wahrscheinlichkeit auf der Jade näher. Ein Verkehrsmanagement mit Begegnungs- und Überholverboten sowie Passierverboten beim An- und Ablegen der LNG-Tanker kann dieses Kollisionsrisiko auf der Jade neutralisieren.
  • Auch sollte man sich danach erkundigen, ob die DFTG sich ausreichend gegen Katastrophenschäden versichert hat. Ihr Stammkapital von 250.000- DM (lt. Angabe im Ansiedlungsvertrag von 1976) jedenfalls dürfte für die Abdeckung der Schäden nach dem “Größten Anzunehmenden Unfall” (GAU) nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein sein. Das so genannte Restrisiko für unsere nicht wieder herstellbare körperliche und psychische Unversehrtheit ist allerdings ein Teil des Preises, den die meisten für unsere temporären – aus der großindustriellen Naturausbeutung resultierenden – Annehmlichkeiten zu zahlen bereit sind.
  • Eigentlich müsste die Stadt auch mal ermitteln, was die Bürger für diesen Preis erhalten: z.B., wie viele Wilhelmshavener und Friesländer nun tatsächlich eine Anstellung im Terminal finden würden und wie hoch sich das der Stadt zugute kommende Steueraufkommen nach derzeitigem Stand belaufen würde!?
  • Auch ein Teilpunkt aus der Baugenehmigung sollte noch mal auf die Tagesordnung gesetzt werden, nämlich der Teil, der es der DFTG erlaubt, das bei der Verdampfung des -161Grad C kalten Flüssiggases um 7 Grad C abgekühlte Wasser zurück in die Jade zu pumpen. Das wäre wahrscheinlich nicht gut für die Meeresorganismen und auch der Hooksieler Badesaison abträglich…

Darüber scheint man bei der DFTG aus ökonomischer Perspektive nachzudenken, wie aus einem WZ-Bericht vom 11.02.06 hervorgeht. Danach bemerkte der derzeitige DFTG-Geschäftsführer Eberhard Lange auf einem Vortrag vor Mitgliedern der hiesigen Hafenwirtschaftsvereinigung, dass “…auch mögliche synergetische Effekte – etwa die Nutzung der Kraftwerks-Abwärme bei der Rückversetzung des verflüssigten Erdgases in den gasförmigen Zustand…” geprüft werden. Man sollte diese Erwägung unterstützen.
In der Vergangenheit wurde schon mehrmals der Vorschlag gemacht, das erwärmte Kühlwasser des Kraftwerks für die Verdampfung des Flüssiggases zu nutzen und das dabei erkaltete Wasser zum Kraftwerk zwecks Abkühlung des Prozessabdampfes zurückzupumpen. Damit wäre das Kraftwerk seine durch den eventuellen Bau des JadeWeserPorts verschärften Kühlwasserprobleme los. Zugute käme das dem Jade-Biotop, und die erwartungsfrohen Hooksieler Badegäste dürften bei strahlendem Hochsommerwetter seltener beim Wassertest mit dem großen Zeh zurückzucken und leicht geschockt nach Luft schnappen…

Träume und Zwecklügen
Zum Titelbild
Als Russland der Ukraine den Gashahn abdrehte, weil diese nicht den geforderten Preis bezahlen wollte, sank auch der Druck in der Pipeline, die die Bundesrepublik mit russischen Gas versorgt. Und schon war das Thema Flüssiggasterminal wieder in aller Munde. Unüberlegt, uninformiert und mit Sicherheit zum Teil wahrheitswidrig wurde über die Medien Politik gemacht.
In der linken Monatszeitschrift konkret stochert ein Stefan Frank weit an der Realität vorbei: (…) Anschließend wird es mit speziellen Schiffen (für die wiederum spezielle Tiefwasserhäfen gebaut werden müssen, wie z.B. der seit Jahrzehnten geplante, aber bislang nicht gebaute Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven) in das Verbraucherland transportiert und regasifiziert.
Außer der Aussage, das der JadeWeserPort noch nicht gebaut ist, stimmt an dieser Aussage kein Wort.
Wenn man die Straße „Am tiefen Fahrwasser“ in Richtung Hooksiel fährt, kommt man kurz hinter den Ineos-Ethylentanks und kurz vor der Hooksieler Schleuse an einem Brachgelände vorbei, auf dem die Deutsche Flüssiggasterminalgesellschaft (dftg) seit Jahrzehnten den Bau einer Flüssiggasanlage verschiebt (siehe obenstehenden Artikel).

SPIEGEL-Gespräch mit dem e-on-Chef Wulf Bernotat:

SPIEGEL: Gibt es keine Alternativen zum russischen Gas? Einige europäische Nachbarn setzen auf sogenanntes LNG, also verflüssigtes Erdgas.
Bernotat: Das tun wir auch. Wir bauen gerade in Wilhelmshaven einen Terminal, um uns in diesem Markt zu positionieren. Aber sehen Sie sich doch mal an, woher dieses Gas kommt. Die größten Vorkommen gibt es in Iran, gefolgt von Katar und einigen nordafrikanischen Staaten. Diese Regionen zählen auch nicht zu den politisch stabilsten Ländern der Welt. Trotzdem müssen wir dieses Geschäft anpacken, weil LNG eine wichtige Ergän¬zung zu Pipeline-Gas werden wird.

SPIEGEL: Kommt diese Erkenntnis nicht ein wenig spät? Länder wie Frankreich, Spanien oder die USA setzen schon lange auf verflüssigtes Gas.
Bernotat: Die hatten bisher auch keine Alternative, weil sie nicht so gut wie wir über Pipelines versorgt werden. Im Vergleich zu unserem Pipeline-Gas war LNG in der Vergangenheit einfach zu teuer. Das hat sich inzwischen geändert, und deshalb arbeiten wir mit Nachdruck daran, den Versorgungsweg auszubauen. (aus SPIEGEL 2/2006)

Wie gesagt: Auf dem Gelände findet sich nichts – da wird (noch) nicht gebaut. Eine verzeihbare Zwecklüge, schließlich plant man ja schon seit Jahrzehnten ….

Unverzeihlich dagegen die folgende Aussage der CDU Friesland:
„Am Rande des Gesprächs wurde bekannt, dass der Gasversorger E.ON derzeit die Möglichkeiten prüfe, die Anlandung von Erdgas aus Tankern in Wilhelmshaven zu erweitern. Derzeit werden auf einer Fläche von 85 Hektar direkt neben dem Ineos-Gelände drei Gastanks von der dftg (Deutsche Flüssiggas Terminal Gesellschaft), eine Tochter der E.ON, betrieben. Geprüft werde, ob die vorhandenen Kapazitäten erweitert werden könnten.
Diese Aussage stammt vom August 2005 und ist auf der Homepage des Bundestagsabgeordneten Hans-Werner Kammer zu finden.
Da will die CDU eine Anlage erweitern, die bisher nur als Blaupause existiert. Man weiß sogar ganz konkret von 3 bereits betriebenen Gastanks zu berichten.

Nur peinlich!!

Sorry, the comment form is closed at this time.

go Top