Schwangerenberatung in Gefahr
Fallen Pro Familia und Caritas der Finanznot Wilhelmshavens zum Opfer?
(noa) Seit wir vor drei Jahren über die damals drohende Schließung der PRO FAMILIA-Beratungsstelle berichteten (vgl. GEGENWIND Nr. 130, „Opfer einer Gesetzeslücke“), sind die finanziellen Bedingungen für die Schwangerschaftskonfliktberatung kontinuierlich schwieriger geworden. Ging es damals noch um einen städtischen Zuschuss von 52.000 DM, so muss die PRO FAMILIA mittlerweile für das kommende Jahr um 36.000 DM bangen. Gleichzeitig benötigt die Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle des CARITASVERBANDES 1999 ebenfalls Mittel zur Sicherstellung ihres Haushaltes – und das bei einem mehr als ausgereizten Sozialhaushalt der Stadt.
Gesetzlich ist eigentlich alles klar: Grundlage der Arbeit beider Beratungsstellen sowie eines niedergelassenen Arztes, der ebenfalls nach § 219 StGB anerkannt ist, bildet das „Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz“ (SFHÄndG), das in § 8 ein ausreichendes plurales Angebot wohnortnaher Beratungsstellen als verbindliche Aufgabe der Länder vorsieht. In Niedersachsen werden Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen in unterschiedlicher Höhe von der Landesregierung (Frauenministerium) bezuschusst. Bezüglich der Mittelvergabe gibt es keine verbindlichen Richtlinien.
Den städtischen Zuschuss von zuletzt 40.000 DM für das Jahr 1997erhielt bislang stets die PRO FAMILIA-Beratungsstelle. Ohne diesen Zuschuss hätte sie ihre Arbeit einstellen müssen.
Die Caritas bemüht sich ebenfalls schon seit einigen Jahren – bisher allerdings vergeblich – um städtische Zuschüsse. Voraus- sichtlich 15.470 DM Defizit wird die Caritas im Jahre 1999 haben, und diese Summe möchte sie aus dem städtischen Haushalt bekommen, um ihre Arbeit sicherzustellen.
„Beide Beratungsstellen haben ihre Existenzberechtigung. Die enorme Auslastung beider Einrichtungen machen den Beratungsbedarf – auch über die Grenzen der Stadt hinaus – deutlich. Die mögliche Schließung der PRO FAMILIA-Beratungsstelle als Folge des Ausbleibens des eingeplanten städtischen Zuschusses wäre fatal. Gleichzeitig ist es jedoch unverständlich, sollte der Antrag der Caritas wiederum abgelehnt werden“, erklärte uns Margret Wahrheit, Leiterin des Caritasverbandes.
Die PRO FAMILIA wird mit einem gekürzten Zuschuss nicht auskommen. Die Haushaltssperre, die ihren Betrag für das laufende Jahr schon von 40.000 auf 36.000 DM verringert hat, ist schmerzlich genug. Als vor drei Jahren die Wilhelmshavener Finanzspritze mangels genehmigungsfähigem Haushalt ausblieb, bereitete der PRO FAMILIA-Landesverband die Schließung der hiesigen Beratungsstelle vor: Sämtliche Mitarbeiterinnen bekamen eine Kündigung zum 1.1.96. Jetzt steht die Einrichtung wieder zur Disposition.
„Wir schieben aus dem Jahr, in dem wir keinen städtischen Zuschuss bekommen haben, einen großen Schuldenberg vor uns her“, berichten Gaby Krieghoff und Sabine Brandstaedter von der PRO FAMILIA.
Vergleicht man die Jahresberichte beider Einrichtungen, wird deutlich, dass beide mit Fug und Recht öffentliche Hilfe erwarten können: Bezüglich der Anzahl der Beratungen tun sie sich nichts; bei beiden Stellen wurden 1997 etwa 1000 Gespräche geführt. Auch die Verteilung nach (geografischer und sozialer) Herkunft der Ratsuchenden ist ähnlich, ebenso die personelle Ausstattung, wobei beide Beratungsstellen ihre Kapazitätsgrenzen bei weitem erreicht haben.
Die Stadt steht vor einer schwierigen Entscheidung: Gibt sie weiterhin nur der PRO FAMILIA einen Zuschuss, ist die Schwangerenberatung des Caritasverbandes gefährdet. Splittet sie die vorgesehene Summe, kann die Caritas-Beratungsstelle ihre Arbeit im bisherigen Umfang fortsetzen, aber die PRO FAMILIA schließt vielleicht ihre Pforten. Die im Gesetz geforderte weltanschauliche Pluralität wäre in beiden Fällen nicht mehr gegeben. Bei einem „Überleben“ der Caritas-Einrichtung und gleichzeitiger Schließung der PRO FAMILIA könnte die Stadt jedoch gut 20.000 DM im Jahr sparen; auf die Caritas käme jedoch ein solcher Andrang zu, dass sie ihn nicht bewältigen könnte.
Besonders knifflig ist die Situation angesichts des „Papstbriefes“, der Anfang des Jahres die Gemüter erhitzt hat. Der Heilige Vater kritisierte, dass seine deutschen Schäfchen durch die Ausstellung von „Beratungsscheinen“ dem Mord an ungeborenen Kindern Vorschub leisten. § 7 des SFHÄndG sieht vor: „Die Beratungsstelle hat nach Abschluss der Beratung der Schwangeren eine mit Namen und Datum versehene Bescheinigung darüber auszustellen, dass eine Beratung… stattgefunden hat“, und diese Bescheinigung ist bekanntlich erforderlich, um einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen.
Bislang ist der Brief aus Rom noch ohne Folgen für die Arbeit der katholischen Beratungsstellen. Lediglich im Bistum Fulda gab es bereits vor dem Papstbrief eine Sonderregelung, die das Ausstellen von Beratungs- scheinen untersagte. Die anderen Einrichtungen, so auch die in Wilhelmshaven, haben zunächst einmal weiter gearbeitet wie bisher. Bei den Beraterinnen der katholischen Schwangerenberatungsstellen herrscht allgemein Konsens für einen Verbleib in der staatlichen Beratung, um auch weiterhin für alle Frauen offen zu sein – gerade auch für Frauen in besonderen Konfliktsituationen.
Eine Arbeitsgruppe der Deutschen Bischofskonferenz berät seit Monaten, wie sie dieses Problem löst. Bis Ende des Jahres sollte eine Entscheidung vorliegen, und dieser Termin wurde erst einmal etwas vage verschoben auf „Anfang nächsten Jahres“ – irgendwann müssen die Bischöfe jedoch zu Potte kommen, und bei einem Beschluss analog der Fuldaer Entscheidung würden die katholischen Beratungsstellen die gesetzlichen Vorgaben nicht mehr erfüllen und der Caritasverband wäre keine anerkannte Beratungsstelle mehr.
Im schlimmsten Fall wird es also bald außer einer Arztpraxis, die den gesamten Andrang sicher nicht verkraftet, gar keine Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle in Wilhelmshaven mehr geben.
PRO FAMILIA und CARITASVERBAND im Vergleich
In unserem Artikel vor drei Jahren mutmaßten wir, dass Frauen, die einigermaßen fest entschlossen sind, ihr Kind nicht auszutragen, eher zur PRO FAMILIA als zur Caritas gehen würden. Da die beiden Einrichtungen ihre Statistiken nicht gleich führen, lässt sich das nicht genau überprüfen. Einiges kann man jedoch sicher sagen:
Bei PRO FAMILIA bezogen sich 1997 328 Beratungen auf eine ungewollte Schwangerschaft, und die meisten der Frauen waren zum Abbruch entschlossen. Entsprechend viele Beratungsbescheinigungen wurden hier ausgestellt.
Beim Caritasverband waren von 428 schwangeren Frauen etwa 40% ungewollt schwanger, und ungefähr 10% nahmen den Beratungsschein in Empfang. 30 Besucherinnen der Caritas waren beim Erstkontakt nicht schwanger, sondern kamen mit anderen Beratungsanliegen.
Der Anteil der Besucherinnen der PRO FAMILIA, die andere Anliegen als das Thema Schwangerschaft vortrugen, war entschieden höher; die Statistik weist 288 Klientinnen, die Hilfe bei der Inanspruchnahme sozialer Leistungen brauchten, und 39 Beratungen zum Thema Sexualität und Partnerschaft aus.
Diesen Zahlen entspricht ein weiterer Unterschied: Bei der PRO FAMILIA ist „der Anlauf größer“, d.h. ein größerer Teil der rd. 1000 Gespräche des vergangenen Jahres waren einmalige Kontakte. Im Unterschied dazu gab es bei der Caritas mehr Folgegespräche, viele Frauen kamen ein zweites oder drittes Mal.
Für die Auslastung des Personals spielen diese Unterschiede keine Rolle. Sie deuten aber darauf hin, dass die beiden Stellen von einem unterschiedlichen Klientel in Anspruch genommen werden – was zeigt, dass beide Stellen notwendig sind.
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