Finanzen
Okt 082008
 

Heißluft in Finanzlöcher

Bis vor wenigen Wochen war die finanzielle Situation unserer Stadt angeblich formidabel. Im Jahre 2007 hatte die Stadtkasse nämlich die Rekordsumme von 46 Millionen Euro an Gewerbesteuern eingefahren. Doch in diesem Rechnungsjahr geht es mal wieder halsbrecherisch auf Talfahrt:


Die Schätzungen belaufen sich nur noch auf 31 Millionen Euro. Für die Planung des Finanzhaushalts ab 2009 kommt es aber noch dicker: Plötzlich – scheinbar aus heiterem Himmel – rast der städtische Haushalt in ein weiteres Finanzloch hinein. Vorausberechnet wurde ein Minus von jährlich ca. 10 Mio. Euro bei der Gewerbesteuer. Und das über mehrere Jahre! Das Ganze läuft auf einen Fehlbetrag von über 45 Mio. Euro hinaus.
Unvorhersehbar war das aber ganz und gar nicht! Zwar bleibt die Ursache des Steuereinbruchs geheim; doch aus gewöhnlich gut informierten Kreisen ist zu vernehmen, dass für die Mindereinnahmen eigentlich nur die Wilhelmshavener Raffinerie (WRG) in Frage komme. Diese plant bekanntlich die Erweiterung der Produktpalette ihres Betriebes um eine Cokeranlage und einen Hydrocracker. Und seit der öffentlichen Diskussion um den Großinvestor Electrabel wissen die aufmerksamen Wilhelmshavener BürgerInnen, dass Großinvestitionen dazu führen, dass diese Gelder steuerlich abgeschrieben werden und damit als Steuereinnahmen ausfallen.
Haben unsere Finanzexperten im Rathaus damit etwa so lange hinter dem Berg gehalten, weil man wenigstens bis zur Genehmigung der Großprojekte an der Jade keine öffentliche Debatte über deren finanziellen Nichtsnutz lostreten wollte?
Im Rahmen der Haushaltsberatungen für das nächste Jahr ließ es sich nicht länger vermeiden, dem Rat der Stadt die bevorstehende Finanzmisere mitzuteilen. Diesen Schock sollen der Rat und die BürgerInnen erst mal überwintern:
Die offiziellen Haushaltsberatungen wurden ins Frühjahr 2009 verlegt. In der Zwischenzeit können ja fleißig Beruhigungspillen verteilt werden, und die SPD-Fraktion hat schon mal damit begonnen:
Man will – angesichts steigender Energie- und Lebensmittelpreise sowie der zu erwartenden höheren Krankenkassenbeiträge – auf Gebühren- und Steuererhöhungen möglichst verzichten. Auch ein weiterer Personalabbau bei der Stadt sei kaum noch möglich. Man hoffe jedoch, durch die Bauarbeiten auf den Grodenflächen und die Aufspülungen des Hafengrodens deutlich mehr Grundsteuern, gegebenenfalls auch Gewerbesteuern einnehmen zu können. Zudem setze man auf Mehreinnahmen an Einkommensteuer und Verminderung der Sozialleistungen durch die Beschäftigungswirkung beim Bau und Betrieb der Großprojekte am seeschifftiefen Wasser. Keinesfalls wolle man die vorgesehenen Infrastrukturinvestitionen zurückfahren. Notfalls wolle man neue Schulden anhäufen…
Die Spekulation auf Gewerbesteuern widerspricht allerdings der inzwischen verbreiteten Erkenntnis, dass von Investoren – z.B. WRG, JWP, Electrabel und E.ON – zumindest auf Jahre hinaus keine Gewerbesteuereinnahmen zu erwarten sind. Eine Kosten-/Nutzenrechnung für die vielen Großprojekte zu erarbeiten wäre daher gewiss sachdienlicher, als immer neue populistische Heißluftballons aufsteigen zu lassen. (jm)

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