Expo am Meer
Mrz 261997
 

Verkaufsausstellung oder Stadtfest?

Die Expo am Meer gerät immer mehr in den Griff der Interessensvertreter. 

(buw/uw) Auf einem Workshop zur „Expo am Meer“ am 6. März in der Stadthalle waren etwa 280 Vertreter aus Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft zusammengekommen, um über die Konkretisierung des hiesigen Expo-Ablegers zu diskutieren.

Am Beginn des Workshops standen Beiträge, die die unterschiedlichen Sichtweisen der Kommune, des Niedersächsischen Wirtschaftsministeriums, der Umweltbehörde Hamburgs, der hiesigen Wirtschaft und der Expo-Planer zur Bedeutung und Chance der Expo für die Region darstellten. Während Oberbürgermeister Eberhard Menzel die Expo als Impulsgeber für wirtschaftliches Wachstum und als Werbefaktor einschätzte, rückte Staatssekretär Dr. Alfred Tacke die globale Herausforderung (Klimaschutz, Schutz der Meere) ins Zentrum. Die dazu nötigen gemeinsamen Einschätzungen zum Umweltschutz machen nach Ansicht Tackes vor allem Kommunikation und Lernen nötig. Diese Faktoren ließen sich während der Ausstellung am Beispiel der Umweltforschung und der Neuorientierung im Hinblick auf eine Informationsgesellschaft demonstrieren.

Lösungen für die Zukunft

Auf mehr Technik zur Zukunftsbewältigung setzte auch der Hamburger Umweltpräses Dr. Fritz Vahrenholt („Seveso ist überall“), wobei zukunftsfähige Technologien zu langlebigen, emissionsarmen, recyclingfähigen und energieschonenden Produkten führen müssen. Als notwendige Voraussetzung für eine solche Entwicklung forderte er staatliche Rahmenbedingungen, wie z.B. „wahre“ Energiepreise, um dann jedoch (als Verbeugung vor den anwesenden Wirtschaftsvertretern?) die besonders energieverbrauchenden Industrien von einer Energiesteuer auszunehmen.
Am Beispiel der sich in Wilhelmshaven ansiedelnden Advance-Bank, die sich neuester Kommunikationstechniken bedient, sollte der zukunftsweisende Weg zur Dienstleistungsgesellschaftdargestellt werden. Wobei die Wilhelmshavener wenig von dieser Bank erwarten sollten, denn ihr Kundenprofil richtet sich auf die 25 – 40jährigen Geldanleger mit einem Mindesteinkommen von 5.000 DM netto, „die wissen, was sie wollen“.
Nach so viel Allgemeinem wurde es konkreter, als der Expo-GmbH-Geschäftsführer Dr. Stefan Diekwisch die Bedeutung der dezentralen Standorte erläuterte. Die Ausstellungsbeiträge der Expo am Meer sollen zukunftsgewandte Lösungsansätze darstellen, die der Abarbeitung der Agenda 21 (die Tagesordnung für das 21. Jahrhundert – ein Vorstoß der Vereinten Nationen) dienen, somit also die nachhaltige Entwicklung unterstützen. Damit stellte er ein hochgestochenes Ziel vor, an dem alle späteren Wortmeldungen kläglich scheiterten.

EXPO: Dünenlandschaft und schnellere Bahnanbindung

Ein besonders beachtenswertes Beispiel dafür gab der Geschäftsführer der „Wilhelmshavener Raffinerie Gesellschaft“ (bisher Beta) Johan Anton van Weelden ab. Er stieß sich schon am Motto der Expo: „Mensch, Natur, Technik“. In der Reihenfolge erscheine die Technik nur als Anhängsel, er wünschte sich die Formulierung: „Technik im Dienst der Natur und des Menschen“. Was dieses konkret für ihn bedeutet, lieferte er gleich mit. Neben der schnelleren Bahnanbindung Wilhelmshavens nach Bremen und Hannover forderte er unter dem Beifall eines Teils der Zuhörer die unbürokratische Ausbaggerung der Kaiser-Balje (weil sie 1326 auch so tief war!). Neben dem Jadeport möchte er eine Dünenlandschaft an der friesischen Küste aufspülen, um das durch die Fahrrinnenunterhaltung anfallende Baggergut sinnvoll zu verwenden. Außerdem möchte er der Welt umweltfreundlich hergestelltes PVC und Dieselkraftstoff zeigen! Was dieses alles mit nachhaltiger und zukunftsgewandter Entwicklung zu tun haben sollte, blieb sein Geheimnis.

Lobbyisten betreten die Bühne

Konkreter wurde es auch nicht in den sich anschließenden drei Arbeitsgruppen. In der Abteilung Schiffahrt und Technik wurde vorrangig über die Vorstellung der neuesten Schiffstypen während der Expo diskutiert, was einen Teilnehmer zu der Äußerung veranlaßte, daß die Expo keine Verkaufsausstellung sei. Auch der Wunsch des Helgoländer Kurdirektors nach besseren Verkehrsanbindungen zur Umstrukturierung des Image der Insel endete lediglich im Vergleich verschiedener Schnellfährtypen. Zukunftsweisende Überlegungen über einen energieschonenden Verkehrsträger auch in der Schiffahrt oder gesellschaftIiche Entwicklungen, die Reisegeschwindigkeiten von 50 Knoten erübrigen, die Vermeidung von Schiffskatastrophen mit unermeßlichen ökologischen Folgen (Ölpest etc.) durch sichere Schiffstechnik oder das Unterlassen unnötiger Transporte, wurden nicht angestellt.
Welchen nachhaltigen Effekt etwa der Jadeport haben soll, blieb ebenfalls im Dunkeln. Die Wilhelmshavener Hafenwirtschaft orientierte knapp über den Stand der Entwicklung. Derzeit sei eine Machbarkeitsstudie in Arbeit, die darüber Auskunft geben soll, ob der Plan weiterverfolgt oder ad acta gelegt wird. Aus dem Publikum kam daraufhin die allseitig begrüßte Meinungsäußerung, im zweiten Fall solle eher die Studie als erledigt betrachtet werden.
Es soll nicht verschwiegen werden, dass auch überzeugende Beiträge geplant sind, so etwa ein Projekt der Universität Oldenburg, das Kindern und Jugendlichen spielerisch und experimentell Entwicklungen im regenerativen Energiebereich, im Schiffstransport oder beim Deichbau nahebringen soll, oder eine Reihe von Themen zur Meerespolitik, die vom Arbeitskreis deutsche Meerespolitik erarbeitet werden.
Alles in allem jedoch überwog bei einer Reihe von Teilnehmern Skepsis über die bisherigen Planungsfortschritte. Die vor allem aus der Wirtschaft kommenden Teilnehmer zweifeln daran, ob die auf nachhaltige Entwicklung ausgerichtete Zielsetzung genügend Sponsoren anlocken wird. Andererseits ist die Zentrierung auf regionaltypische Ideen und Produkte wenig beispielhaft für die Lösung weltweiter Probleme.
Wenn es nicht gelingt, die Planung der Expo am Meer durch zukunftsweisende attraktive Beiträge aufzupolieren, dann wird sie im Jahre 2000 als wissenschaftlich angehauchtes Stadtfest (so eine Mischung aus Wochenende an der Jade und Nord-West-Schau) über die Bühne gehen , was einigen Leuten wohl auch recht gut gefallen würde.

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