Erinnerungen
Okt 081990
 

Mohn macht dumm!

Zum Job eines jeden Politikers gehört es, viele Reden zu halten. Da gibt es ressortbezogene Reden, wo er sich streng ans Manuskript des Redenschreibers halten muß, damit vor Experten nicht gleich seine Unwissenheit zutage tritt. Zum Glück gibt es auch noch andere Reden zu halten, so zu Einweihungen städtischer Gebäude, zu Ehrungen von verdienten Mitarbeitern oder nur so, bei sonstigen Festivitäten. Da kann er schon mal locker was zu Besten geben, damit die Zuhörer so richtig mitbekommen, daß er (nicht näher besehen) doch einer von ihnen sei. Und da kommt es auch schon mal vor, daß er an der Wahrheit arg vorbeischrammt.Daß sich nicht nur Bundespolitiker a’la Norbert Blüm ihrer angeblichen Jugendstreiche und -taten erinnern (Blüm wollte als Ministrant mittels Schwarzpulver eine Trauergemeinde verrußt haben, was, wie sich später herausstellte, völlig unmöglich ist) konnten unsere BürgerInnen, die anlässlich des Stadtteiljubiläums „50 Jahre Fedderwardergroden“ den Festrednern lauschten, mitbekommen.gw096_menzelmohn
Unser Oberbürgermeister Eberhard Menzel griff in die Kiste seiner „persönlichen Erinnerungen“ und vertellte den Lauschenden, er habe als Junge mal im Garten einer schlesischen Familie, die dort Mohn angebaut hatte, vom Inhalt einer Mohnkapsel genascht und hätte alsbald danach über 14 Stunden geschlafen.
Herrlich schön hört sich so etwas an – nur wahr kann es eben nicht sein. Der Inhalt der Mohnkapseln – die kleinen bläulichen Körnchen- sind völlig ungefährlich. Sie dienen u.a. zur Geschmacksverfeinerung der Frühstücksbrötchen.
Dagegen sind die unreifen Köpfe der Kapselfrucht nicht etwa nur schlaffördernd; sie sind stark opiumhaltig. Dies wussten die schlesischen Gartenbesitzer sicher; sie kannten aber gleichwohl das schlesische Sprichwort:“ Kinder esst nicht so viel Mohn, Mohn macht dumm!“ Und dieses Sprichwort wird damals der Menzel-Bub nicht gekannt haben.
Wie es auch zum Langschlaf des kleinen Eberhard gekommen sein mag, festzuhalten ist, daß er von den Mohnkörnchen nicht allzu viel vertilgt haben kann. Wäre er dann – würde man dem Sprichwort Glauben schenken – unser Oberbürgermeister?

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