Entwicklungshilfe
Jan 261994
 

Schulschiff Deutschland auf dem Weg nach Indien

(hk) Ein Traum der Freunde des Marinemuseums schippert jetzt auf den Weltmeeren Richtung Indien: die Deutschland. Dort auf den Strand gesetzt und in ihre Einzelteile zerlegt wird sie letztendlich in einem Hochofen verschwinden und zu neuem Stahl schmelzen.

Ernsthaft wird kaum jemand in Wilhelmshaven der Deutschland eine Träne nachweinen. Die einen nicht, weil sie das Schiff als Objekt für ein Marinemuseum unpassend fanden, die anderen nicht, weil die Probleme mit einem solchen Museumsschiff nicht kalkulierbar wären – erinnert sei hier nur an die 5 Tonnen Asbest, die das Museumsschiff zu einer Sondermülldeponie gemacht hätten. Diese 5 Tonnen Asbest waren auch der Grund dafür, daß der gecharterte russische Schlepper die Deutschland erst viele Tage nach dem angekündigten Auslauftermin auf den Haken nehmen konnte. Greenpeace, immer dann aktiv, wenn es um die problemlose Entsorgung von Sondermüll in die Dritte Welt geht, hatte von dem Verkauf des asbesthaltigen Schiffes an Indien Wind bekommen und erwirkte eine einstweilige Anordnung gegen das Auslaufen des Schleppzuges. Es stellte sich heraus, daß die Papiere für diese Aktion nicht vollständig waren. Man konnte wohl eine Ausfuhrgenehmigung aus Deutschland, aber keine Einfuhrgenehmigung nach Indien vorweisen. Es dauerte ein paar Tage, bis nach Einschaltung des Bundesverteidigungsministeriums die benötigten Papiere aus Indien vorlagen und die Wilhelmshavener Schleuse der Deutschland für ihre letzte Fahrt die Tore öffnen durfte. Was in Indien mit dem Asbest passiert, ist damit auch nicht mehr Sache der Bundesrepublik – dieses Problem haben jetzt die Inder. Wie dort Schiffe abgewrackt werden, wurde schon des öfteren in Magazinsendungen im Fernsehen angeprangert. Unter Außerachtlassung jeglicher Sicherheitsvorkehrungen werden die auf Sand gesetzten Schiffswracks von Dutzenden nur mit einer Badehose bekleideter Menschen bevölkert; diese schweißen und kloppen das Schiff in seine Einzelteile, die dann per Hand an Land gezogen werden. Und das krebserregende Asbest? Es wird ebenso im Meer landen, an Land gezogen werden und dort vor sich hinrotten, bis die 5 Tonnen sich als feine Fasern in den Lungen der Menschen auf dem indischen Subkontinent verteilt haben. Später wird es dann sicherlich Entwicklungshilfeprogramme für den Bau von Krebsstationen geben.

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