Leichtfertig
Hektische Aktivitäten der Stadt Wilhelmshaven
(hk) Mit großer Trommel zogen die Electrabel-Propagandisten in die niedersächsischen Niederungen, um für ihre Kraftwerkspläne zu werben. Eigentlich hatte keiner Lust, sich in heutiger Zeit ein neues Kohlekraftwerk ans Bein zu binden – schließlich muss die Bundesregierung 40% der Kohlendioxid-Emissionen einsparen. Und da passen neue Kohlekraftwerke nun überhaupt nicht rein.
Doch was interessiert das Wilhelmshaven? Hier ist man schon bei dem Gedanken an eine Aktivität auf den Grodenflächen völlig aus dem Häuschen. Gerade nach den Enttäuschungen mit der Raffinerie und der Milliarden-Erweiterungs-/Ausbau-Pleite mit INEOS. Und die Industrie riecht es, wenn eine Kommune bereit ist, alles zu nehmen. Da muss man erst gar nicht mehr nach Brunsbüttel (wo man Electrabel nicht wirklich kennt) gehen – Wilhelmshaven ist ausgewählt und Wilhelmshaven ist zu allem bereit.
Und so wird auch in höchster Eile ein „Partnerschaftsvertrag“ abgeschlossen, in dem sich die Electrabel-Leute für ein paar Euro Sponsoring das Wohlwollen der Stadt Wilhelmshaven erkaufen. Der Vertrag ist nicht besonders umfangreich (Hier gibt es den Partnerschaftsvertrag) – wir zitieren im Folgenden einige Passagen aus dem Vertragswerk und seinen Anhängen.
Dass die Electrabel es wirklich eilig hat, zeigt der Zeitplan, der als Anhang zum Vertrag gehört.
Nun hinkt man mit einigen Terminen schon hinterher – aber da wird der Stadt schon etwas einfallen, schließlich ist sie nach dem Partnerschaftsvertrag dazu verpflichtet.
Unter dem Stichwort „Allgemeine Pflichten“ heißt es in dem Vertrag nämlich: Soweit es für Electrabel Deutschland AG bzw. die KG (als KG wird in dem Vertrag die Electrabel Kraftwerke Wilhelmshaven GmbH & Co. KG bezeichnet –hk-) erforderlich und für die Stadt möglich ist, wird die Stadt Electrabel Deutschland AG bzw. die KG dabei unterstützen, tatsächliche und/oder rechtliche Hindernisse für das Projekt auszuräumen.
Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf etwa erforderlich werdende Verträge und Abstimmungen zwischen Electrabel Deutschland AG bzw. der KG und Dritten wie z.B. Rhenus-Midgard GmbH & Co. KG, E.ON Kraftwerke GmbH, EON Netz GmbH, INEOS Vinyls Deutschland GmbH, Niedersachsen Ports GmbH & Co. KG.
Unter „Absichtserklärungen der Stadt“ wird es konkreter: Die Stadt wird sich im Rahmen aller ihr zustehenden und politisch nicht untunlichen Möglichkeiten dafür einsetzen, dass die in Ziffer 2.1 beschriebene planungsrechtliche Situation im Interesse der Projektdurchführung fortgeführt wird, soweit dies der Stadt rechtlich möglich ist, insbesondere soweit der Rat der Stadt dem zustimmt und die staatliche Genehmigung, wenn sie notwendig ist, erteilt wird. Die Stadt und Electrabel Deutschland AG haben hierzu unbeschadet des Vorstehenden einen Zeitplan (Anlage 1) zur Anpassung der planungsrechtlichen Situation an die Erfordernisse der Projektumsetzung abgestimmt. Verpflichtungen zur Aufstellung einer Bauleitplanung sind damit nicht verbunden (5 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB).
Die Stadt verpflichtet sich in dem Vertrag auch, die Diskussion in der Stadt in eine der Electrabel genehme Richtung zu bringen. In der Anlage 2 zum Partnerschaftsvertrag heißt es unmissverständlich: Das Ziel aller Kommunikationsaktivitäten der Partner ist es, die Akzeptanz für das Kraftwerksprojekt der Electrabel in Wilhelmshaven zu fördern. (…)
Die Partner vereinbaren folgende Leitlinien der Kommunikation:
- Die Partner arbeiten in Kommunikationsfragen zum Kraftwerksprojekt eng zusammen;
- Die Partner gestalten die Kommunikation offen, transparent und zeitnah;
- Wichtige, das Kraftwerk betreffende Ereignisse werden nach Möglichkeit von den Partnern abgestimmt in der Öffentlichkeit bekannt gegeben;
- Zentrale Kommunikationsmaßnahmen werden nach Möglichkeit zwischen den Partnern abgestimmt;
- Die Partner informieren sich gegenseitig über die Kernbotschaften, die im Zusammenhang mit dem Kraftwerksprojekt kommuniziert werden sollen.
Während im weiteren Text klar festgelegt wird, dass die Stadt sich nur positiv und unkritisch äußern darf, verpflichtet sich die Electrabel im Gegenzug zu Folgendem: Electrabel wird das Kraftwerksprojekt durch geeignete Sponsoring-Maßnahmen in der Stadt Wilhelmshaven begleiten. Denn mit Speck fängt man Mäuse.
Es soll natürlich nicht verschwiegen werden, was die Electrabel den Wilhelmshavenern verspricht.
Die KG plant die Errichtung eines Steinkohlekraftwerkes der 800 MW-Klasse unter Verwendung der besten am Markt verfügbaren Technologie. Die Anlage soll im Grundlastbetrieb gefahren werden und wird einen Steinkohlebedarf von bis zu ca. 2 Mio. t pro Jahr haben. Das Kraftwerk soll im Nennpunkt einen Nettowirkungsgrad von über 46 % erreichen (zum Vergleich: Der durchschnittliche Wirkungsgrad der z.Zt. noch betriebenen Steinkohlekraftwerke in Deutschland beträgt ca. 38%, weltweit sind es nur ca. 30 %). Ein Steinkohlekraftwerk In Deutschland mit vergleichbarer Leistung und einem durchschnittlichen Wirkungsgrad emittiert somit ca. 21 % mehr CO2 als das von der KG geplante Kraftwerk. Unter der Annahme von 7.500 Volllaststunden bedeutet dies, dass das von der KG geplante Kraftwerk fast 900.000 t C02 pro Jahr weniger emittiert als ein bestehendes Steinkohlekraftwerk gleicher Leistung und durchschnittlichen Wirkungsgrads in Deutschland.
Das klingt doch schon mal ganz ordentlich – wenn man denn meint, dass ein solches Kohlekraftwerk noch in die heutige Welt passt.
Arbeitsplätze ohne Ende:
(a) Electrabel Deutschland AG hat eine Studie zu den regionalwirtschaftlichen Auswirkungen des Kraftwerksneubaus bei der Prognos AG in Auftrag gegeben. Demnach werden die Investitionen voraussichtlich dazu beitragen, dass etwa 110 zusätzliche dauerhafte Arbeitsplätze am Standort in Wilhelmshaven geschaffen werden. Ferner wird damit gerechnet, dass weitere ca. 190 Arbeitsplätze bei Zulieferern und indirekt vom Kraftwerk profitierenden (Konsum-)Branchen entstehen werden. Insgesamt ergibt sich, dass durch die Investition ca. 300 Arbeitsplätze dauerhaft geschaffen bzw. gesichert werden.
(b) Darüber hinaus wird damit gerechnet, dass im Zusammenhang mit den Bauarbeiten zur Durchführung des Projekts in Spitzenzeiten bis zu 1.000 Personen tätig sein werden. Insgesamt geht man von 3.250 Personenjahren für die 4-jährige Bauzeit aus. Die Zahl der Arbeitsplätze wird dabei über die gesamte Bauphase erheblich variieren, rein rechnerisch ergibt sich, dass für einen Zeltraum von 4 Jahren etwa 810 weitere Arbeitsplätze entstehen. Die Studie geht davon aus, dass von diesen Arbeitsplätzen etwa 370 Vollzeitarbeitsplätze auf die Region entfallen.
Das sind alles Zahlen, Studien und Berechnungen, die den Wilhelmshavener BürgerInnen in den letzten Jahrzehnten bis zum Erbrechen vorgelegt wurden. Heute gibt es nur noch ganz wenige Politiker, die auf solche Propagandawerke reinfallen.
Natürlich sollen die Arbeitskräfte in erster Linie aus der Region stammen. Doch da hält sich Electrabel im Partnerschaftsvertrag ein wenig zurück. Formulierungen wie „im Rahmen des rechtlich Möglichen und des wirtschaftlich Sinnvollen“ oder „bevorzugt Anstellungsverträge mit Arbeitnehmern aus der Region Wilhelmshaven abschließen, soweit der Arbeitsmarkt dieser Region dieses zulässt“ und „in angemessenem Rahmen“ zieren das Vertragswerk und lassen Electrabel sämtliche Hintertüren offen.
Doch auch hier gibt es wieder ein Zuckerle fürs Volk: „Die KG bzw. Electrabel Deutschland AG werden dazu entsprechende Stellenanzeigen auch in der örtlichen Presse veröffentlichen.“ Mit Speck … siehe oben.
Auch im Umweltschutz wird Electrabel vorbildlich sein. „Selbstverständlich werden alle relevanten gesetzlichen Vorgaben eingehalten. Die zulässigen Immissionsgrenzwerte nach Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) und TA Luft werden in keinem Fall überschritten. Einige gesetzlich definierte Grenzwerte werden deutlich unterschritten.“ Das wäre ja noch schöner, wenn hier ein Werk ansiedelt, welches nicht einmal die gesetzlichen Vorschriften einhält! Dabei weiß ja jeder, dass die gesetzlichen Grenzwerte sich immer nur am Stand der Technik und nicht an gesundheitlichen oder ökologischen Erfordernissen ausrichten.
Aber das Geld bleibt in Wilhelmshaven. Unter der Überschrift „Standortgarantie, Steuern“ heißt es „Die KG und die Komplementär-GmbH werden ihren für die Besteuerung maßgebenden Sitz der Geschäftsleitung (§§ 20, 10 der Abgabenordnung) in Wilhelmshaven haben und vor Ablauf des Jahres 2022 nicht an einen anderen Ort verlegen. Die KG und die Komplementär-GmbH werden dementsprechend vor Ablauf des Jahres 2022 insbesondere weder Gewinnabführungsverträge mit Unternehmen außerhalb Wilhelmshavens abschließen noch mit solchen Unternehmen ähnliche Regelungen treffen, die dazu führen würden, dass der für die Besteuerung maßgebliche Sitz nach außerhalb von Wilhelmshaven verlegt wird.
Was im Endeffekt dabei herauskommt, steht da doch eher in den Sternen.
(Alle kursiv gesetzten Stellen und den Zeitplan haben wir einem uns vorliegenden Entwurf Partnerschaftsvertrag zwischen der Stadt Wilhelmshaven und der Electrabel Kraftwerke Wilhelmshaven GmbH & Co. KG entnommen. Über etwaige Änderungen im nach Drucklegung unterzeichneten Partnerschaftsvertrag werden wir gegebenenfalls im nächsten Gegenwind berichten.)
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