Dinosaurier des Klimaschutzes
Jan 312008
 

Speerspitzen

Imageschädigende Industriepolitik

(hk) Die Stadt arbeitet weiter mit Hochdruck an der Verschlechterung des Images der Stadt Wilhelmshaven. Wilhelmshaven wird zukünftig als Dinosaurier des Klimaschutzes in aller Munde sein. Im Folgenden ein paar unsortierte “Speerspitzen” zur gegenwärtigen Diskussion um die Wilhelmshavener Industriepolitik.

 

Speerspitze

des Umweltschutzes – unter diesem Slogan betrieb Wilhelmshaven in den 70er Jahren die Industrieansiedlungen auf den Grodenflächen. Durch den Druck der Bevölkerung konnten dann auch Auflagen für das Kraftwerk der NWK (jetzt e.on) durchgesetzt werden, die unter damaligen Bedingungen durchaus richtungweisend waren.
Hier könnte die Stadt wieder anknüpfen und für die Grodenflächen die eindeutige Forderung stellen, dass hier nur Kraftwerke eine Chance haben, die ihre Abwärme statt zur Erwärmung der Jade für die Erwärmung von Wohnstuben o.ä. nutzen.

Grodenflächen sind für Großindustrie aufgespült

Ein beliebtes Argument für die Ansiedlung der Kohlekraftwerke ist die Behauptung, dass die Grodenflächen vor 30 Jahren ja extra für diese Industrie aufgespült wurden. Das Landesraumordnungsprogramm spricht zwar von “Standortvorteilen für Logistik, Großindustrie und Energiewirtschaft” – es ist allerdings nirgends festgeschrieben, dass hier unbedingt Kohlekraftwerke angesiedelt werden müssen. “Mit der Festlegung als Vorranggebiete sollen die genannten Kraftwerkstandorte gegenüber anderen Nutzungen dauerhaft gesichert werden. Als Großkraftwerke gelten solche, in denen eine elektrische Leistung von mind. 600 MW erzeugt werden kann. Auf die Vorgabe der einzusetzenden Primärenergie wird verzichtet, um die Option für alle Energieträger grundsätzlich offen zu halten.” Ein wenig Phantasie und die Anpassung an die umweltpolitischen Erfordernisse würde unseren Stadtplanern gut zu Gesicht stehen.

Grenzwerte

Was ist ein Grenzwert? Ein Grenzwert ist ein willkürlich festgelegter Wert, durch den die Bevölkerung und die Umwelt vor Beeinträchtigungen (Schadstoffe, Lärm, Strahlung usw.) geschützt werden soll. In der Regel stellt ein Grenzwert keine Trennungslinie zwischen Unbedenklichkeit und Gesundheitsrisiko dar. Der Grenzwert ist zumeist ein politischer Kompromiss zwischen dem zugemuteten Gesundheitsrisiko und den Kosten der technischen Machbarkeit.
Ein gutes Beispiel für die Absurdität der Grenzwertdiskussion ist die nachgewiesene Häufung von Leukämie-Erkrankungen in der Nähe von Atomkraftwerken. Die zuständigen Behörden, die Betreiber und auch die Regierungen schließen als Ursache hierfür die Strahlung der Atomkraftwerke aus, weil “… aufgrund des aktuellen strahlenbiologischen und strahlenepidemiologischen Wissens die von deutschen Kernkraftwerken im Normalbetrieb emittierte ionisierende Strahlung grundsätzlich nicht als Ursache interpretiert werden kann.”
Die Kinder werden weiter sterben, die Betreiber werden weiterhin ihre Hände in Unschuld waschen – denn sie halten ja die Grenzwerte ein. Und die Regierenden werden die Grenzwerte nicht senken, denn dann müssten die Atomkraftwerke stillgelegt werden, weil die technische Verhinderung der Niedrigststrahlung finanziell nicht zu schultern wäre.

Der Mensch als Versuchskaninchen

Was hat das mit den Kohlekraftwerken zu tun? Auch hier gibt es eine breite Palette von Stoffen, deren Emissionen durch Grenzwerte geregelt werden. Und während die Industrie heute in der Lage ist, die festgelegten Grenzwerte teilweise zu unterschreiten, stellen die Ärzte einen starken Anstieg von Atemwegs- und anderen auf Veränderungen der Umwelt zurückzuführenden Erkrankungen fest. Während die Industrie die Einhaltung ihrer Grenzwerte durch unterschiedlichste Messsysteme belegen kann, können die Ärzte natürlich nicht die Herkunft der schädigenden Stoffe nachweisen. Sie führen praktisch jeden Tag einen Feldversuch durch und stellen fest, dass immer mehr Menschen erkranken. Aussagen zu den Ursachen sollen sie gefälligst nicht machen, dafür sind die Politiker da.

Energie+Technik

Die Firma Electrabel will auf dem Rüstersieler Groden ein Steinkohlekraftwerk errichten. Das Kraftwerk soll einen Wirkungsgrad von 46% erreichen. Das bedeutet, dass immerhin noch 54% des Energieinhaltes der Kohle nutzlos und umweltschädlich in Luft und Wasser verpuffen. Gleichzeitig handelt es sich bei dem Kraftwerk um einen Großemittenten des Treibhausgases Kohlendioxid. Mindestens 4,0 Millionen Tonnen gehen jährlich in die Atmosphäre. Da ist es nicht erstaunlich, dass in den öffentlichen Veranstaltungen und in den Verlautbarungen sowohl seitens der Stadt als auch der Electrabel das Wort Klimawandel so gut wie nicht vorkommt.
Die (Bundes-) SPD hat sich in Sachen Klimaschutz einiges vorgenommen und sich eindeutig dafür ausgesprochen, dass Kohlekraftwerke nur noch dann gebaut werden sollen, wenn die Abwärme vernünftig genutzt und damit auch der Wirkungsgrad der Anlage eindeutig erhöht wird. Doch in der SPD Wilhelmshaven will man davon nichts wissen.

Kraftwerkstechnik

Auch die e.on plant den Bau eines weiteren Kraftwerkes – und das mit einem Wirkungsgrad von über 50%. Gleichzeitig soll das Kühlwasser als Prozesswärme bei der Rückgasung des Flüssiggases im neun Kilometer entfernten (geplanten) LNG-Terminal der DFTG genutzt werden. Und hier kommen die Kraftwerksbetreiber dann letztendlich in Bereiche, in denen auch die Umwelt- und Klimaschutzorganisationen kompromissbereit wären.
Ebenfalls überlegenswert ist es, ob die bestehenden Industriebetriebe (INEOS und Raffinerie) nicht dazu gebracht werden können, ihre Energie selbst zu erzeugen. Das hätte den Vorteil, dass hier auf jeden Fall auch die Abwärme für den Produktionsprozess genutzt werden kann. Die Energieversorger wie e.on und auch Electrabel haben nur Interesse daran, den Strom zu verkaufen, und sie können sich ja auch gemütlich zurücklehnen: Die Bürger müssen die Preise zahlen, die ihnen von den Konzernen diktiert werden.

Arbeitsplätze

Die Diskussion um die durch die Industrie geschaffenen Arbeitsplätze hat immer einen hohen Stellenwert. Bei der hier ansiedelnden Industrie ist der Faktor menschliche Arbeit äußerst gering anzusetzen. Zumindest wird eine solche Milliardeninvestition, wie Electrabel sie plant, nicht für Entspannung auf dem lokalen und regionalen Arbeitsmarkt sorgen. Aber wenn die Electrabel dazu ein paar Fachleute aus dem eigenen Pool mitbringt, kann sich das immerhin auf Wilhelmshavens weiter schrum-pfende Einwohnerzahl positiv auswirken.

Das große Geld

Waren die zu erwartenden Gewerbesteuereinnahmen zu Beginn der Electrabel-Ansiedlungsdiskussion noch eines der Hauptargumente, ist dieses Argument inzwischen in den Hintergrund getreten. Mit der Passage im Partnerschaftsvertrag, wonach die Electrabel garantiert, dass sie bis 2022 in Wilhelmshaven ihre Steuern bezahlt, ist es auf Grund der Abschreibungsmöglichkeiten nicht so weit her – und es waren nicht nur Dr. Biesters Äußerungen, die das klar machten.

Energie einsparen – alternative Energien nutzen

Ein Weg für eine Energieversorgung ohne CO2-Schleudern und Atomenergie ist die Forcierung der Energieeinsparung. Ein Beispiel aus der Praxis: Auf der Kraftwerks-Veranstaltung im Gorch-Fock-Haus brannten in dem Veranstaltungssaal ca. 350 Glühlampen á 60 Watt. Diese durch 10-Watt-Energiesparlampen zu ersetzen, hätte schon zu einer Energieeinsparung von über 80% (!) geführt. Auf die Frage, warum in Wilhelmshaven die Sonnenenergie nicht, bzw. nur wenig genutzt wird, antwortete der Oberbürgermeister, dass das alles untersucht wurde – die Dächer in Wilhelmshaven (er meinte wohl Schulen und öffentliche Gebäude) aber dafür nicht geeignet seien. Am Samstag nach der Veranstaltung erschien in der Wilhelmshavener Zeitung ein Bericht über eine Photovoltaik-Anlage auf den Dächern von zwei Fabrikhallen am Banter See. Hier wird Strom für ca. 160 Vierpersonenhaushalte erzeugt. Man muss nur suchen und auch den Willen zur Veränderung haben.

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