Die neue Straße
Mai 192010
 

Gastkommentar

Die Straße

Jetzt ist sie fertig, die Straße zwischen Sengwarden und Wehlens. Die Hauptverbindungsstraße aus dem Zentrum, dem Kern von Sengwarden zu der vorgelagerten letzten Bastion aufrechter Bauernschafter, die dann weiterführt, quasi grenzüberschreitend, ins friesländische Sillenstede.

“Endlich!” ist man geneigt zu sagen, wenn das nicht schon wieder so negativ klingen würde. Und negativ wollen wir, alle Deutschen, ja nicht sein. Sonst kommt die Krise. Und das wollen wir schon gar nicht.
Also positiv: Schön ist die Straße geworden. Schwarz und glatt schlängelt sie sich durch die Wiesen, vorbei an der Kaserne der Marinefunker. Kein Schlagloch stört die Autofahrt, keine Spurrille wagt es am Fahrwerk auch nur zu kratzen. Keine Bodenwelle reizt die Stoßdämpfer. Schön!
Breit ist sie geworden. Mit glänzenden weißen und auch breiten Strichen an beiden Seiten. Breit und groß nehmen die beiden Fahrbahnen fast die ganze Asphaltbahn ein. Breite Fahrbahnmarkierungen grenzen die Fahrspuren zu beiden Seiten ab.
Breit!
Die kleine Mehrzweckspur, die vor dem Umbau als Fußgänger- und Fahrradweg diente, fällt da auch gar nicht mehr so auf.
Aber – und jetzt wird es doch negativ – aber wie ist das denn nun mit den Fußgängern und Fahrradfahrern?
Fußgänger und Fahrradfahrer? Fast meint man das unwillige Aufstöhnen der wackeren Straßenplaner zu hören, in den zuständigen Amtsstuben der Stadt und wo sonst noch die Planung der Straße vorangetrieben wurde. Ja – natürlich, dafür haben wir Verständnis. Es ist ja schon schwer genug, den Autofahrern alles recht zu machen. Da kann man nicht an jeder Ecke auch noch an Fußgänger und Radfahrer denken. Schon gar nicht bei so einer schönen und breiten Straße. Wenn die Planer daran gedacht hätten, dann wär’ die Straße ja eben gar nicht so schön geworden – vor allen Dingen aber nicht so breit. Und das wäre ja dann doch blöd. Zumindest aus dieser Sicht.
Aus der Sicht eines Radfahrers oder Fußgängers, vor allen Dingen wenn es ein kleiner Radfahrer oder Fußgänger ist, sagen wir mal ein Grundschulkind, das nachmittags zu seinen Freunden zum Spielen möchte, sieht das dann doch anders aus. Für so ein Kind wäre eine weniger breite Straße mit einem dafür etwas breiteren Fuß- und Radweg schon sicherer. Ja, ja – O.K., Kinder gibt es ja fast keine mehr in Deutschland. Also lohnt es auch nicht, für so eine kleine Gruppe sichere Verkehrswege zu planen? Auf diese Weise wird die Gruppe der Kinder durch letale Abgänge, mit anderen Worten tödliche Verkehrsunfälle, noch kleiner, und somit lohnt es sich noch weniger. Und wie das so ist bei einem Regelkreis, regelt der sich dann schnell auf Null.
Und durch so eine kleine Nachlässigkeit beim Straßenplanen gibt es dann in Deutschland bald gar keine Kinder mehr. Zack!
Tja, und dann sind wir doch da, wo keiner hin will. Jetzt ist nicht Sengwarden gemeint, das ist mehr als geflügeltes Wort zu verstehen.
Also, liebe Straßenplaner, gebt euch doch mal ein bisschen mehr Mühe, für alle Verkehrsteilnehmer zu planen. Auch wenn es schwer fällt, mal nicht an das tolle Auto zu denken, würden sich doch einige Menschen, z.B. Kinder und die sorgenden Eltern und andere kluge Erwachsene, über sichere Rad- und Fußwege freuen und es euch auch nicht übel nehmen, wenn die eine oder andere Straße für die Autos etwas kleiner und für die Radfahrer und Fußgänger etwas größer ausfallen würde.

Matthias Zens

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