Der wohlmeinende Sozialdemokrat
Mrz 011978
 

Übrigens

In München hat die SPD etwas beschlossen; ich hab’s nach Sachgebieten geordnet:

Verkehr
a) privater
Bier trinkt der wohlmeinende Sozialdemokrat mit Kommunisten nie oder nur, wenn alle Anwesenden vorher eine Erklärung abgegeben haben, daß das Saufen nur als privates solches anzusehen ist. In Zweifelsfällen entscheidet eine beim Bezirk zu bildende bierernste Schiedskommission.
Merke: die Kommunisten erkennt man überhaupt immer daran: sie faden den wohlmeinenden Sozialdemokraten zum Bier ein und“ unterwandern ihn dann stechenden Blicks.

b) öffentlicher
Begegnet dem wohlmeinenden Sozialdemokraten auf der Straße ein Kommunist oder einer, der so aussieht, so wechselt er unverzüglich auf die andere Straßenseite am besten auf die rechte.
Dem wohlmeinenden Sozialdemokraten ist das Tandemfahren mit Kommunisten streng verboten, auch dann, wenn er nur bremsen will.
Zeigt eine Verkehrsampel rot, so hat der wohlmeinende Sozialdemokrat sofort die Augen fest zu schließen und Gas zu geben.

c) spezielle Formen des Verkehrs, hier: ehelicher
Dieser ist dem wohlmeinenden Sozialdemokraten mit einem, bedauerlicherweise eventuell gutgläubig angeheirateten, kommunistischen Ehepartner nur dann gestattet, wenn sich der kommunistische Partner vorher streng verpflichtet, die eigentliche Handlung keineswegs zur politischen Unterwanderung zu benutzen. In Zweifelsfällen ist einem Mitglied des Bezirksvorstandes ein Schiedsplatz unter dem Bett in dreifacher Ausfertigung einzuräumen.
Mischehen sind- nur dann zulässig, wenn sich beide Partner vorher schriftlich verpflichten, eventuell bedauerlicherweise zu erwartende Kinder zu rechten Sozialdemokraten zu erziehen, das Nähere regelt der Papst.

Haus und Heim
Der wohlmeinende Sozialdemokrat vermeidet bei der Einrichtung seiner Wohnung rote Handtücher, rote Tischtücher, rote Vorhänge, rote Bettbezüge. Diese könnten am Waschtag beim Trocknen leicht zu Missverständnissen unter der Nachbarschaft führen und damit der Partei schaden. In Ausnahmefällen ist beim Besuch des Kassierers ein roter Teppich gestattet.

Im Lokal
Der wohlmeinende Sozialdemokrat nimmt in der Öffentlichkeit nie verfängliche Speisen oder Getränke zu sich, wie etwa Rotkohl , Rotwein, roten Pfeffer, rote Rüben oder gar rote Grütze. Überhaupt hat zuviel Grütze schon manchen wohlmeinenden Sozialdemokraten auf die linke Bahn geworfen.

Reisen
Bei Auslandsreisen kleidet sich der wohlmeinende Sozialdemokrat stets korrekt und angemessen. So sind Reisen in Rosa nach Luxemburg parteischädigend.

Sport
Der wohlmeinende Sozialdemokrat treibt nie Sport in Aktionsgemeinschaft mit Kommunisten. In Ausnahmefällen darf mit Angehörigen maoistischer Fraktionierungen Ping-Pong gespielt werden. Es ist jedoch vorher stets zu klären ob der maoistische Partner der Linie Ping oder der Pong-Fraktion angehört.

Eigene Meinung
Eine eigene Meinung hat der wohlmeinende Sozialdemokrat sicherheitshalber nicht, man weiß ja nie, wohin das führt; das Nähere regelt die Schiedskommission.

Politische Betätigung
Vor jeder politischen Äußerung oder Betätigung hat sich der wohlmeinende Sozialdemokrat stets davon zu überzeugen, daß nicht ein Kommunist gleicher Meinung ist wie er. Der besonders wohlmeinende Sozialdemokrat ist deshalb sicherheitshalber stets der Auffassung, daß bei uns die Mieten zu niedrig, die Löhne zu. Hoch und Rote-Punkt-Aktionen ohnehin Scheiße seien, daß die Jusos Radikalinskis seien, daß es so etwas wie eine Aktion Widerstand in der Demokratie eben auch geben müsse, daß man ruhig schon einmal- CDU oder NPD wählen könne, daß der amerikanische Indochina-Krieg gerecht sei.
Das meint der besonders wohlmeinende Sozialdemokrat, sicherheitshalber, denn die Kommunisten behaupten das Gegenteil.
Fehlen dem wohlmeinenden Sozialdemokraten hierfür die Argumente, erkundige er sich bei den Herren Hupka, Schmidt-Vockenhausen oder besser gleich – Schnauze.

Dietrich Kittner

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