Noch’n Standortvorteil
Das Aufpumpen des Bodens auf dem wir leben, soll der eiernden Energiedrehscheibe noch mehr Schwung verleihen.
(jm) Unter den illustren Gästen des ‚Club zu Wilhelmshaven’ (CzW) kam beim jüngsten ‚Opulenten Frühstück’ einer der Genießer so richtig ins Schwelgen: Es war Frank Albers, Leiter des Kraftwerkprojekts von GDF SUEZ, der sich nicht enthalten konnte (quasi als Nachschlag zu seinem aufgetischten Kraftwerksklotz) die Vorteile Wilhelmshavens „…mit Blick auf eine mögliche CO-Speicherung…“ anzupreisen. (WZ, 25.11.10).
Doch solcher Art Vorschusslorbeeren wollte man uns schon des öfteren unterjubeln: Im Jahre 1987 z.B. ging die damalige Landesregierung mit dem Gedanken schwanger, ein Plumpsklo für Giftmüll aus ganz Europa auf dem Etzeler Kavernenfeld einzurichten. Damals rief unser OB Eberhard Menzel den 4.000 Demonstranten aus Friesland und Wilhelmshaven zum Abschluss seiner Kampfrede zu: „Lassen Sie uns alle in unserer Region zusammenstehen: Nein zur Giftmülldeponie in Etzel! Nein zur Giftmüllverbrennung in Wilhelmshaven!“ (Gegenwind Nr. 73; Juni/Juli 1987)
Auch was Herr Albers jüngst angerichtet hat, wurde der Wilhelmshavener Haute Volée vor 22 Jahren schon mal von dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden von ICI-Deutschland Walther Leisler Kiep im Hotel Columbus serviert: „Hoffnungsträger im Jaderaum seien auch derzeit unpopuläre Industrien, vor allem in Bezug auf die Abfallbeseitigung. Industrieansiedlungen seien nur dort möglich, wo auch für Industrieentsorgung Möglichkeiten bestünden.“ (WZ, 01.08.1988)
Diese Denke von damals hat sich also in der oberen Etage unserer transatlantischen Gesellschaften bis heute um kein Jota geändert.
Im vergangenen Oktober war Leisler Kiep mal wieder da – mit dem amerikanischen Botschafter im Schlepptau. ‚Stadt mit strahlender Zukunft’ rezitierte die WZ den Ami in ihrem Aufmacher vom 23.10.! Dies kann schneller als gedacht Wirklichkeit werden, wenn Wilhelmshaven der Umschlag von Atomtransporten aufgebrummt wird und sich nicht dagegen wehrt…
Und der Appetit auf immer neue Hoffnungsträger scheint unersättlich zu sein: Von einem Aufbegehren gegen die Werbung des Herrn Albers für das Aufpumpen des Bodens mit Kohlendioxid (CO2) aus den Kohlekraftwerken wurde jedenfalls nichts vernommen.
In Frage kommen dafür über die gesamte Norddeutsche Tiefebene – also auch über Wilhelmshaven und Friesland – bis tief in die Deutsche Bucht hinein verstreuten salinen Salzkissen unter unseren Füßen.
Die Vorbereitungen für die dazu erforderlichen Rechtsetzungen sind bereits auf allen Ebenen angelaufen (s. Gegenwind Nr. 254). So ging z.B. am 30. Nov. in Niedersachsen das öffentliche Beteiligungsverfahren zur Aktualisierung des Landesraumordnungsprogramms (LROP) zu Ende. Gemäß diesem Entwurf der Nds. Landesregierung sollen u.a. – die Möglichkeiten zur Anpassung von Raum- und Siedlungsstrukturen an die Folgen von Klimaänderungen berücksichtigt werden – was zunächst mal sehr positiv anmutet.
Doch 13 Seiten weiter wird man schon etwas präziser: In den Regionalen Raumordnungsprogrammen sollen klimaökologisch bedeutsame Freiflächen gesichert und entwickelt werden. In diesen Räumen sollen Maßnahmen zu einer Verminderung des Ausmaßes der Folgen von Klimaänderungen getroffen werden. Doch ist da tatsächlich mit gemeint, dass das Land Niedersachsen Freiflächen z.B. für neu zu entwickelnde Waldgebiete zum Abbau klimaschädlicher CO2-Emissionen sichern will? Wohl kaum! Zutreffender ist, dass es sich bei dieser Aussage um ‚Orwellsches Gutsprech’ handelt. Schließlich ist nicht unbemerkt geblieben, dass die Bundes- und die Landesregierung im Begriff sind, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die CO2-Frachten aus den Kohlekraftwerken im Untergrund verpresst werden können.
Dem Atom- und Kohleverstromungsgiganten E.ON fällt in diesem Konzert die Aufgabe zu, ‚höffige’, d.h., nach gegenwärtigem Wissensstand zum Aufpumpen geeignete Bodenschichten aufzuspüren…
Von besorgten Bürgern wird jedoch dazu vorgebracht, dass das Aufpumpen von Bodenschichten zu riskant sei, weil – um einige Bedenken zu nennen – niemand die Dichtigkeit der Einlagerungsstätten garantieren könne. Nicht auszuschließen sei, dass
- Gebäude, Brücken und Deiche durch die Aufwölbung des Bodens beschädigt werden und Trinkwasseradern versalzen,
- durch den Überdruck im Untergrund Erdbeben ausgelöst werden,
- Undichtigkeiten an den Bohrlöchern zu CO2 ‚Blow-outs’ führen.
Solche Befürchtungen sind, wie jetzt durch ein vom BUND-Deutschland in Auftrag gegebenes Gutachten erhärtet wird, durchaus nicht von der Hand zu weisen.
Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass niemand ausschließen kann, dass verpresstes CO2 aus der Erde entweicht. Es handelt sich demnach bei diesem Vorhaben um ein ‚Learning-by-doing’ auf Grundlage eines gegenwärtig (unzureichenden) Kenntnisstandes.
Zudem führen folgende Fakten dieses Vorhaben ad absurdum:
- Beim durch die Kohleverbrennung freigesetztem CO2 handelt es sich um ein durch – noch bis zu 40 Jahre – fortdauernde Laufzeiten von Kohlekraftwerken generiertes Mengenproblem, für die die Kapazitäten der zukünftig noch als geeignet erscheinenden auffindbaren Lagerstätten bei Weitem nicht ausreichen dürften.
- Bei Anwendung der ‚Carbon Capture and Storage’- (CCS) Technologie muss mehr Kohle für die Energiegewinnung verbrannt werden, was zu einer 30%igen Steigerung der im Untergrund zu verpressenden CO2-Fracht führen würde. Ganz abgesehen davon müssten zusätzliche Kraftwerke gebaut werden, um den durch Einbau von CO2-Abscheidungsvorrichtungen generierten Abfall des Wirkungsgrades und damit der Stromerzeugungskapazität auszugleichen.
Und letztlich
- binden die Investitionen in weitere Kohlekraftwerke finanzielle Mittel, die dem zur Zukunftssicherung dringend erforderlichen Auf- bzw. Ausbau regenerativer Energiekapazitäten entzogen würden,
- verzögern die Betriebsaufnahmen neuer Kohlekraftwerke – durch ihre unflexible Anpassung an Spannungsschwankungen im Stromnetz – langfristig den notwendigen forcierten Ausbau regenerativer Energieformen und deren Einspeisung in die Stromnetze,
- verzögern neue Kohlekraftwerke den schnellstmöglichen Abbau der CO2-Emissionsfrachten und müssen als Begründung der CO2-Einlagerungen unter unseren Füßen herhalten.
Übrigens: Da gibt’s noch einige Klimaleugner! Die argumentieren u.a. damit, dass der ‚Ökostrom’ für ein Hochtechnologieland wie Deutschland viel zu teuer sei. Bezeichnenderweise hört man aus diesem Kreis nichts zu den erheblichen Zusatzkosten für die Kohleverstromung durch die CCS-Technologie. Der dadurch bewirkte Mehrbedarf an Kohle, sowie der Bau und Betrieb von CO2-Abscheidungsanlagen, Pipelines und CO2-Untertagedeponien könnten in Investitions- und Betriebskosten gigantischen Ausmaßes einmünden. Dazu kommt eigentlich noch die Bildung finanzieller Rücklagen für den vollen Ausgleich eines ‚größten anzunehmenden Unfalls’ (GAU) – eigentlich!
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