Gegenwind 127

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Apr 111995
 

Alfred Hitchcock lässt grüßen

Wilde Tiere treiben Wilhelmshaven in den Untergang

127_titelInhalt

♦ Eine Generalabrechnung mit Wilhelmshavens und Niedersachsens Politik gegen den Naturschutz: „Das Paradies als Sündenfall“

♦ Wir berichten über die Bruchlandung der Möwe Jonathan

♦ Mit einem Lokalrundfunk gegen das Meinungsmonopol der WZ oder wie aus Piraten Intendanten werden

♦ Dem Verkehrskollaps zu Leibe ziehen will der Verein „Green Car“ -und das, ohne auf das geliebte Fortbewegungsmittel Auto zu verzichten.

♦ Während SPD- und CDU-Fraktionen Sozialhilfeempfängern Betrug nachweisen wollen, weist der Arbeitskreis „Wohnraum für alle“ auf ganz andere Einsparmöglichkeiten hin

♦ Der Arbeitskreis Mädchenarbeit stellt sein Konzept für eine parteiliche Mädchenarbeit vor

♦ Wir berichten, wie schwer es ist, Wohnungsbau nach ökologischen Gesichtspunkten durchzuführen

♦ Informationen aus der Antifaschistischen Szene

♦ Eine Story ohne Happy-End – Es geht um Vermeidung, Sortierung und Aufbereitung von Müll

♦ Und natürlich Nachrichten und Fakten, Fakten, Fakten.


Die Druckausgabe zum Download Gegenwind 127

 

Apr 111995
 

Reiche Arbeitslose

kennt CDU-Ratsfrau Lichtenecker. In der vergangenen Kulturausschußsitzung wurde der neue Arbeitslosen-Ausweis der Arbeitsloseninitiative Wilhelmshaven-Friesland (ALI) vorgestellt. Die Ausweisinhaber erhalten damit verbilligten Eintritt zu Kultur- und Sportveranstaltungen. Im Unterschied zum Sozialpaß der Stadt gilt der ALI·Ausweis übergreifend für Wilhelmshaven und Friesland. Die Verbilligung ergibt sich aus entsprechenden Verhandlungen mit den Veranstaltern, so daß – anders als beim Sozialpaß – keine Erstattungsgebühren für die öffentlichen Haushalte anfallen.
Um dem Mißbrauch vorzubeugen, gilt der Paß immer nur für drei Monate und wird bei fortdauernder Arbeitslosigkeit verlängert. Hier setzte Frau Lichteneckers Kritik an: in den ersten drei Monaten erhielten die Arbeitslosen Arbeitslosengeld (statt -hilfe), und das sei nach ihrer Erkenntnis in der Regel ein erkleckliches Einkommen, das keiner weiteren Unterstützung bedürfe. Und außerdem dürfe die ALl aus rechtlichen Gründen solche Aktionen nicht starten, „sonst könnte ja jeder solche Ausweise herausgeben“ . Herzlichen Glückwunsch, Frau Lichtenecker. Wann ziehen Sie das große Arbeits-Los?
Ausschußmitglied Roland Rath hingegen hält solche Initiativen für notwendig, da sich „die Gewerkschaften nicht um Arbeitslose gekümmert haben“ . Er kann sich ja mal erkundigen, wo die Beratungsstelle der ALI angesiedelt ist. (iz)

Apr 111995
 

Noch ’ne Pirouette

drehte die Stadtverwaltung um die Frage bzw. Antwort, warum der Kulturausschuß häufig bei Beschlüssen in ureigenster Zuständigkeit übergangen wird. Der Ausschuß wollte die Hinhaltetaktik durch eine Anfrage beim Rechtsamt der Stadt durchbrechen. Jüngstes Ärgernis und damit Anlaß der rechtlichen Überprüfung war die Tatsache, dass die sogenannte Pagel-Medaille am Sockel des Kaiser-Wilhelm-Denkmals eigenmächtig – ohne jeglichen Ratsbeschluß – vom Bauamt entfernt und durch die historisch fragwürdige Inschrift „Wilhelm der Große – Deutscher Kaiser“ – ersetzt worden war.
Herr Wilkens vom Bauordnungsamt lieferte folgende Stellungnahme: die zur Wiedererrichtung des Denkmals erteilte Baugenehmigung enthielte Auflagen aus Sicht des Denkmalsschutzes, und da die Plakette erst 1969 (auf Beschluß der SPD, Anm. der Red.) – angebracht worden sei, hätte sie entfernt werden müssen, um den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Ausschußvorsitzender Koût gab sich damit nicht zufrieden und bat um Klärung der angewendeten Maßgaben. Wir sind gespannt auf den Ausgang dieses Endlosromans (iz)

Apr 111995
 

Von oben

herunterkommend sah Oberstadtdirektor Schreiber am 31. März vor der Stadtkasse die lange Schlange von Sozialhilfe-EmpfängerInnen, die ihre Stütze abholten. Offenbar kennt er sich in „seinem“ Haus nicht sehr gut aus, denn er hielt, wie uns ein Ohrenzeuge berichtete, die Menschenansammlung für eine Demonstration. (noa)

Apr 111995
 

De Vries erneut verurteilt

Das Auricher Amtsgericht hat am 10.3.95 den Wilhelmshavener Torsten de Vries wegen Raubes und gemeinschaftlicher Körperverletzung zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die Tat hatte de Vries im August 1993 begangen, als er noch Vorsitzender des inzwischen verbotenen rechtsradikalen „Deutschen Kameradschaftsbundes“ war. Der Rechtsradikale trat sein am Boden liegendes Opfer und stahl dessen Brieftasche.

Apr 111995
 

Schwer verletzt

wurde Anfang April unser bronzener Kaiser Willi von bislang unbekannten Missetätern. Blut tropfte von seinem Gesicht und besudelte sein Gewand und den Denkmalssockel. Uns fiel folgender Bekennerbrief in die Hände: „Wie sehr der Begriff Sozialdemokratie in den Köpfen etablierter PolitikerInnen zu einem Etikett geworden ist, einem Etikett, das seine Funktion in der begriffsfetischistischen Abgrenzung zu anderen hat, weil inhaltlich die Differenzierung nicht mehr glaubwürdig behauptet werden kann, läßt sich auf erschreckende Weise an der Kulturpolitik „unserer“ Stadt-SPD verfolgen: der Mann, der noch im letzten Jahrhundert die „gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ gesetzlich zu bekämpfen nötig hatte, bekommt in diesem Jahrhundert eben von seiner gehaßten SPD ein ehrenwertes Denkmal ohne kritischen Bezug: sogar ein historisches „Der Große“ mußte es sein. Daß er einem natürlichen Attentat dennoch nicht entgehen konnte, sollte wundernehmen. Doch woher die roten Einschüsse am Mantel und Hosenbund diesmal stammen? (Von der einstmals progressiven SPD kaum!)“ (iz)

Apr 111995
 

Einen Erfolg

für den Naturschutz kann sich die biologische Schutzgemeinschaft Hunte-Weser-Ems (BSH) Sektion Wilhelmshaven verbuchen. Im Jahre 1988 hatte sie Anzeige gegen die NWO erstattet, weil die auf ihrem Gelände ein gesetzlich geschütztes Feuchtgebiet umgepflügt und entwässert hatte.
Die NWO bekam daraufhin die Auflage erteilt, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Dies ließ die NWO aber kalt und weder die zuständige Bezirksregierung noch die angeschriebene Umweltministerin Griefahn unternahmen etwas, um die Auflagen durchzusetzen. Die BSH, die bei den zuständigen Behörden wiederholt den Vollzug der Renaturierung anmahnte, wurde mit Floskeln wie “ … werden sie zu gegebener Zeit informieren … “ hingehalten. Erst die Einschaltung des Petitionsausschußes des Nds. Landtages brachte Bewegung in die Sache. Die Bezirksregierung mußte jetzt der NWO eröffnen, daß kein Weg mehr an der Durchsetzung des Naturschutzgesetzes vorbei führe.
Die Naturschützer freuen sich, durch diesen Erfolg einen Präzedenzfall für das zukünftige Vorgehen gegen weitere Naturschutzverstöße geschaffen zu haben.(jm)

Apr 111995
 

Das Paradies als Sündenfall

Wie Naturschutzgegner den Naturschutz benutzen

(iz) Gerade zwanzig Jahre ist es her, daß der Natur- und Umweltschutz offiziellen Einzug in politische und gesellschaftliche Entscheidungsprozesse hielt. Zahlreiche Gesetze und Behörden zum Umwelt- und Naturschutz wurden seit den siebziger Jahren etabliert. Nicht zuletzt zwang auch der Durchbruch der GRÜNEN die „großen“ Parteien zum Umdenken. Nun schleicht sich fast unbemerkt die Umkehr zugunsten von Konsum, Wirtschaft und Technologie ein. Wie bei vielen bedauerlichen Entwicklungen, ist Wilhelmshaven auch hier mal wieder Vorreiter.

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Apr 111995
 

Möwe auf Kurswechsel?

Nordsee-Benefizkonzert sollte unter neuen Vorzeichen stattfinden – Letzter Sponsor abgesprungen

(iz) Im letzten GEGENWIND berichteten wir unter dem Titel „Möwenschiß “ über die dubiosen Begleitumstände, unter denen ein angebliches Benefizkonzert des „Jonathan Seagull e.V.“ vorbereitet und angekündigt wurde. Die Veranstalter waren über unseren Artikel wenig erfreut. Dabei hatten wir nicht die Idee als solche – Kultur für die Natur – kritisiert, sondern die Fragwürdigkeit der tatsächlichen Zielsetzung und des Erfolgs. Unter äußerlich stark veränderten Rahmenbedingungen wurde das Konzert für Ende Mai fest angekündigt.

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Apr 111995
 

Weniger, einfacher, langsamer

lautet das Motto der diesjährigen Nordseeschutzkonferenz der Natur- und Umweltschutzverbände. Im Zustand der Meere spiegelt sich der rücksichtslose Umgang des Menschen mit der Natur ebenso wie in der bedrohlichen Entwicklung von Treibhauseffekt, Ozonloch oder Waldsterben. Der Zustand der Meere – ein Spiegel unserer gesamten Wirtschafts- und Lebensweise. Unser „Meer vor der Haustür“, die Nordsee, ist die Sickergrube der Überflußgesellschaften Nordeuropas und darum Ausgangspunkt und Anlaß unseres Treffens in Bremen.

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Apr 111995
 

Gestern Pirat – Morgen Intendant?

Radio Jade informierte über die Chancen des Lokalrundfunks

(noa) Die letzten BesucherInnen bekamen nur noch Stehplätze, denn das „Spectakel“ war proppevoll, als der Verein „Radio Jade, Lokalrundfunk e V.“ sich am 9. März der Öffentlichkeit präsentierte.

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Apr 111995
 

Null Grundlage

gibt es laut Auskunft der Landesmedienanstalt für die Ankündigung, daß „voraussichtlich Anfang Januar 1997“ ein lokaler Fernsehsender „den Betrieb im Kabelkanal aufnehmen“ wird. Diese kühne Behauptung stand am 15. März in einem Inserat in der „Neuen Rundschau“. Mit diesem Inserat wurden Sponsoren und Investoren für „Jade TV“ gesucht; acht bis zehn Arbeitsplätze sollen angeblich geschaffen werden.
Wer Geld zum Investieren hat, sollte sich hüten, es bei „Jade TV“ anzulegen. Die Landesmedienanstalt, mit der laut Inserat angeblich „derzeit Verhandlungen“ laufen, teilt nämlich mit, daß sie zum einen nichts über Verhandlungen mit „Jade TV“ weiß und daß zum anderen für Wilhelmshaven ein Hörfunksender in Aussicht steht. (noa)

Apr 111995
 

Ein Auto für alle Fälle

„Car-Sharing – Auto teilen“ nun auch in Wilhelmshaven

(green car/iz) Der am 8. Dezember 1994 in Wilhelmshaven gegründete „Green Car“ Verein will Ernst machen mit der Erarbeitung von ökologischen Verkehrskonzepten, in dem die effektive Nutzung des Autos eine zentrale Rolle spielt.

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Apr 111995
 

Leserbrief zu „Jedes Los eine Niete“ Gegenwind 126

Guten Tag,

auch ich habe das Arbeits-Los gezogen. auch ich habe mein Schicksal selbst in die Hand genommen. Auch meine Eigeninitiative wurde gegen mich verwendet. Auch ich wurde Opfer der streng schematischen Vorschriften.
Folgendes geschah: Im August 1992 meldete ich mich arbeitslos. Da ich eine Umschulung bzw. den Besuch der Meisterschule anstrebte, erkundigte ich mich beim Arbeitsamt nach einem Kostenträger der o.g. Maßnahmen.
Das Arbeitsamt versucht grundsätzlich, alle Kosten einem anderen Kostenträger aufzuerlegen, so daß in meinem Fall mit einer kurzfristigen Regelung nicht zu rechnen war (Anm.: Die Klärung der Kostenübernahme verschlang fast zwei Jahre).
Meine Arbeitslosenzeit wollte ich sinnvoll nutzen und beschloß den Besuch der VHS, um meinen erweiterten Realschulabschluß nachzuholen. Dieser Vorbereitungskurs wird zudem u.a. für Arbeitslose angeboten.
Ich erkundigte mich bei meiner Arbeitsberaterin Frau E. beim Arbeitsamt Wilhelmshaven, ob ich den Kurs während meiner Arbeitslosigkeit besuchen dürfte. Nach mehreren Telefonaten quer durch das Arbeitsamt wurde mir dann grünes Licht gegeben mit der Auflage, daß ich den Kurs bei einer Vermittlung eines Arbeitsplatzes umgehend abbrechen muß. Die Kosten des Kurses mußte ich ebenfalls selbst tragen. Mir wurde mündlich zugesichert, daß ich während der Maßnahme mein Arbeitslosengeld weiter erhalte. Ich meldete mich nach der Beratung bei der VHS an und begann den Kurs.
Alles lief supergut bis Juli 1993. Ich bekam eine Rechnung von der Bundesanstalt für Arbeit und sollte mein Arbeitslosengeld zurückbezahlen, denn Herr B. vom Arbeitsamt hatte festgestellt, daß mir nach § 103 AFG kein Arbeitslosengeld während eines Besuchs eines Kurs an der VHS zusteht, weil ich ja dem Arbeitsmarkt angeblich nicht zur Verfügung stand. Ich setzte mich mit dem Arbeitsamt in Verbindung und versuchte die Angelegenheit zu klären. Alles sinnlos!
Im Widerspruchsverfahren stritt Frau E. alles ab, so daß es zur Klage kam, die ich mit viel Glück gewann, aber das Arbeitsamt hat Berufung angedroht.
An alle Arbeitslosen: Laßt Euch sämtliche Beratungen, Auskünfte etc. schriftlich geben, denn mündliche Zusagen haben keine, Zeugenaussagen nur geringe Beweiskraft.

(Auf Wunsch des Verfassers drucken wir diese Zuschrift anonym ab, da dieser z. Zt. schon genug Ärger am Hals hat. Die Red.)

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