Gegenwind 126

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Feb 071995
 

Wilhelm

Das abgeschlossene Märchen

Nach langem Zögern, jedoch plötzlich und unerwartet wurde der bronzene Willi seiner Bedeutung als Kunstobjekt gerecht. Schon einige Wochen hatte er sein einsames und unbeachtetes Dasein an jenem Teil der Ebertstraße gefristet. den allenfalls Autofahrer zur raschen Flucht aus der City nutzen, und stumpf die Garnisonskirche vis-à-vis angestarrt. Da hängte er sich eines Nachts ein Schild um den Hals: „Diese SPD hätte ich nie verboten“. Sodann übermannte ihn sein Gerechtigkeitssinn, und er übersprühte die ehrenvolle, aber historisch völlig unzutreffende Sockelinschrift „Wilhelm der Große“ in tiefer Dankbarkeit für seine Sponsoren und Lobbyisten mit „Bitte nicht stürzen – Ihre SPD.“ Sein Räuspern hatte Erfolg. Sogleich erhielt er Besuch von einem heimlichen Freund, der Willis kreative Bemühungen im Bild festhielt.
Nur gut. Denn schon war ein Reinigungsbetrieb zur Stelle. Sollte Willis ganze Mühe, dickleibig und mit schwerer Uniform so herumzuhantieren, umsonst gewesen sein? Nicht ganz (und dies ist kein Märchen mehr): sein Freund ließ Postkarten aus den Fotos machen, mit denen wir jetzt Kaisertreue in aller Welt beglücken können. (iz)


Bezug über Rolf R. ****, Weserstr. ***, 26382 Wilhelmshaven (Kostenbeitrag DM 1,50 pro Stuck und DM 2,- Rückporto im Voraus, 2 Motive: „Diese SPD hätte ich nicht verboten“ und „Bitte nicht stürzen – Ihre SPD.“)

Feb 071995
 

Die Schnapsidee,

den durch das Kinder- und Jugendhilfegesetz zwingend vorgeschriebenen Jugendhilfeplan „kostenneutral“ so nebenbei etwa vom Stadtjugendpfleger erstellen zu lassen, ist zum Glück längst aus dem Kopf. Knirschen wird es aber trotzdem. Hajo Stolze, Diplom-Sozialarbeiter im Jugendamt, soll zunächst mit 10 Wochenstunden die Planung aufnehmen; ab 1996 soll die Stundenzahl erhöht werden.,
In der Dezembersitzung des Jugendhilfeausschusses wurde heftig darüber diskutiert, daß für die Jugendhilfeplanung auf jeden Fall mehr Arbeitsstunden erforderlich sein werden. So fügte der Ausschuß dem vom Jugendamt vorgelegten Konzept den Zusatz „Prüfung und Festlegung der Stundenzahl und Einbindung von Mitteln für Honorarkräfte“ hinzu, bevor er dem Papier zustimmte. (noa)

Jan 071995
 

Musikinitiative
Wilhelmshaven
proudly presents:
Nichts.
Nothing.
Rien (ne vas plus).
Hiç bir şey değil.

Jahrelang kämpften und verhandelten Andreas Koût und Marina Speckmann mit der Stadt und dem Arbeitsamt Sie hangelten sich von einer AB-Maßnahme zur nächsten, mußten immer wieder von vorn anfangen, konnten nie langfristig planen. Mit 12 (und mehr) -Stunden-Tagen zogen sie höchst professionell eine Großveranstaltung nach der anderen durch. „Ganz nebenbei“ betreuten sie Hunderte von lokalen MusikerInnen, die einzeln oder als Bandmitglied in der mitt1erweile größten niedersächsischen Musikinitiative vertreten sind. Ganzjährig organisierten sie mehrmals wöchentlich Einzelkonzerte im KlingKlang oder anderen Veranstaltungsorten in und um Wilhelmshaven.
Alles mit dem Optimismus, schließlich fest von der Stadt übernommen zu werden bzw. die Besetzung mindestens einer der beiden Stellen dauerhaft zu sichern. Soviel Schweiß investiert niemand für eine Eintagsfliege. Das Arbeitsamt war stets offen für konstruktive Zusammenarbeit. Doch sowas funktioniert nur, wenn alle (drei) Beteiligten zuverlässig sind. Wieder mal war die Stadt das schwächste Glied in der Kette gegenseitigen Vertrauens. Zwischendurch arbeiteten Marina und Andreas über Wochen ehrenamtlich, weil die Stadt den versprochenen Folgevertrag nicht lieferte. Die Stadt ließ die beiden wiederholt im Stich, aber die zwei wollten „ihre“ MusikerInnen und Tausende von Musikfans nicht im Stich lassen. Doch jetzt ist das Maß voll. Seit November 1994 läßt die Stadt mit dem endgültigen Festanstellunsvertrag auf sich warten – mehr Fördermaßnahmen sind nicht drin. Marina – die Erfolgsgarantie für die jährlichen Frauenmusiktage – ist völlig runter mit den Nerven, und Andreas hat schlichtweg die Schnauze voll.
Wer die Vorgeschichte kennt, kann Marina und Andreas nicht übelnehmen, dass sie seit Jahresanfang keinen Handschlag mehr tun. Sie haben soviel geleistet, wovon die Stadt nur profitiert hat. Verarschen können sie sich selber. Auch dazu brauchen sie die Hilfe der Stadt Wilhelmshaven nicht.

Imke Zwoch

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