Bunker Ölhafendamm
Mai 292002
 

Kein Handlungsbedarf?

Wie die Stadt ihre Bürger dazu nötigt, die Straßen zu pflastern

(noa) „Bunker mit oder ohne Grundstück zu verkaufen“, lautete vor einigen Wochen der Text einer Anzeige im Sonntagsblatt. Bunker prägen das Bild einiger Stadtteile Wilhelmshavens. Sie zu entfernen würde Millionen kosten. Für den Bund als Eigentümer der Bunker ist es schön, wenn jemand mit so einem Erinnerungsstück an den letzten Krieg etwas anzufangen weiß und auch noch ein paar Euro dafür in die Staatskasse fließen lässt

.Für den Bunker Ölhafendamm hat sich ein Käufer gefunden, der darin ein Unternehmen eröffnen will. Außer mit dem Bundesvermögensamt bekam er es auch mit der Stadt zu tun, denn das Grundstück südlich des Bunkers war zum Teil in städtischem Besitz. Seit Jahr und Tag im Bebauungsplan als Wendehammer für die Hermannstraße, eine kleine Heppenser Sackgasse, vorgemerkt, wilderte es vor sich hin und bildete mit dem größeren Teil des unbebauten Grundstücks hinter dem Bunker eine Einheit und einen Lebensraum für viele Tiere. Erst vor ein paar Jahren verpachtete die Stadt ihren Teil des Gartens an einen Anwohner, der ihn als Spielplatz für seine Kinder nutzte.
Von Altheppens her erreicht man das Bunkergrundstück durch die Hermannstraße, und so möchte der neue Eigentümer des Bunkers sein Gelände auch anfahren. Ein Hindernis dafür musste allerdings beseitigt werden.
Vor Jahrzehnten hatte die Stadt die Hermannstraße asphaltiert und die Randstreifen bei den Wohnhäusern gepflastert. Doch etwa fünf Meter vor der jetzigen Grundstücksgrenze gingen dem Bauamt der Asphalt und die Steine aus. Die Hausbesitzer der Hausnummern 1 und 2 halfen sich selbst: Nummer 2 pflasterte die an sein Grundstück grenzende Hälfte mit Gehwegplatten und schuf sich damit eine Zufahrt zu seinen nördlich des Hauses gelegenen Garagen, Nummer 1 legte auf der anderen Hälfte einen Garten an.
Besonders glücklich waren die Bewohner der Hermannstraße nicht, als die Nachricht vom Verkauf des Bunkers zu ihnen drang und die ersten Gerüchte über die Pläne des neuen Eigentümers sie erreichten. Mit der Ruhe und dem Grün würde es bald vorbei sein, befürchteten sie, und sie waren verärgert darüber, dass sie erst nach vollzogenem Verkauf informiert wurden – wenigstens die Bewohner der Häuser Nummer 1 und 2 meinten, sie hätten die Chance bekommen müssen, das von ihnen seit Jahren genutzte und gepflegte Endstück der Hermannstraße zu erwerben.
Dann allerdings hätte der Bunkerkäufer keine Zufahrtsmöglichkeit zur Rückseite seines Besitzes gehabt, und die ist ihm wichtig.
Beim Grenztermin im April wurde die Eigentümerin des Hauses Nummer 1 aufgefordert, den Garten zu beseitigen, um die Zufahrt zum Bunkergrundstück freizugeben. Harald Wilke (Fachbereich Immobilien der Stadt) verwendete sich hier für den Käufer, dem er ja schließlich ein städtisches Grundstück mit Zufahrt verkauft hatte.
hermannstr 2Nun sieht es jedoch ganz so aus, als hätte der städtische Immobilienhändler mittlerweile genau das vergessen.
Nachdem die Besitzerin des Hauses Nummer 1 notgedrungen ihre Rosen und Stauden vernichtet, Zaun und Gartentor entfernt und die Erde abgetragen hatte, meldete sie bei der Stadt Vollzug. Auch der Eigentümer von Nummer 2 hatte angefangen, seine Gehwegplatten auf der anderen Seite des Straßenendstückes zu entfernen, um der Stadt die Fertigstellung der Straße zu ermöglichen. Die Stadt könnte (müsste) jetzt schnell anrücken, um das vor vielen Jahren unterbrochene Werk zu vollenden und die Straße bis zum Ende herzurichten.
So besichtigte Herr Wilke zusammen mit seinem Kollegen Frerichs vom Straßenbauamt Mitte Mai die Ecke, um festzustellen, was da für die Stadt zu tun anliegt. Auf den ersten fachmännischen Blick stellte Herr Frerichs fest, dass die Gehwegplatten nicht ausreichen würden, um dem in nächster Zeit zu erwartenden Baustellenverkehr und dem zukünftig geplanten Lieferverkehr standzuhalten. Eine ordentliche Pflasterung passend zu den Gehwegen längs der Straße müsse es schon sein, und der Schacht, der beim Entfernen des Gartens zu Tage getreten war, müsse ordentlich gesichert werden. Da Herr Frerichs bei seinen Überlegungen das Pronomen „wir“ verwendete, gingen die Anwohner, die der Besichtigung beiwohnten, zunächst mal davon aus, dass die Stadt die Straße pflastern würde.
Doch in einem Telefonat am Nachmittag nach der Besichtigung setzte Herr Wilke eine Anwohnerin davon in Kenntnis, dass er „keinen Handlungsbedarf“ für die Stadt sieht. Der Käufer des Bunkers habe ja nun zu Fuß Zugang zu seinem Gelände, und wenn er es mit Fahrzeugen erreichen wolle, dann solle er die Straße herrichten. Dass auf dem Abwasserschacht nur ein Betondeckel lose liegt, beunruhigte Herrn Wilke auch nicht sonderlich – „da hinten kommt doch kaum mal jemand vorbei“ – und außerdem sei die Eigentümerin des Hauses Nummer 1 zur Wartung verpflichtet, denn es handle sich um ihr Abwasser.
Bis zu seinem Schreiben an den Käufer des Bunkers hatte Herr Wilke den Schacht schon wieder vergessen.


hermannstrUnd so sieht es jetzt am Ende der Hermannstraße, wo früher ein üppiger Rosenstrauch stand, aus: Die Bewohner der Häuser 1 und 2 erreichen den Nordteil ihrer Grundstücke nur noch durch eine (je nach Wetter) Sand- oder Matschkuhle. Nummer 2 kann seine Garagen nicht nutzen; Nummer 1 kann kein Heizöl angeliefert bekommen. Ein nur durch einen Betondeckel bedeckter Schacht mitten in einem Sandkasten lockt Kinder unwiderstehlich zum gefährlichen Spiel. Der neue Eigentümer des Bunkers kann seine geplanten Baumaßnahmen nicht in Angriff nehmen, solange die Straße nicht gepflastert ist. Ist seinen Nachbarn im Moment die Nutzung ihrer Grundstücke verwehrt, so verliert er durch Nutzungsausfall Geld.

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