Bundestagswahl 2005 – 5
Sep 152005
 

Der Kandidat

Das Herz schlägt sozialdemokratisch

(noa) Wir haben im letzten Gegenwind angekündigt, in dieser Ausgabe den Direktkandidaten der Linkspartei für unseren Wahlkreis, Dirk Metzner, vorzustellen. Mittlerweile hat die „WZ“ das auch schon getan, und zwar sehr abwertend, sogar abschreckend.

Das erschüttert ihn nicht allzu sehr. Er sagte uns dazu: „Das ist nichts Besonderes. Ich bin jetzt 48 und habe in meiner Kindheit zunächst CDU/CSU-Regierungen, später dann CDU/CSU/FDP-Regierungen erlebt. Und als 1966 die SPD an der Regierung beteiligt werden musste und dann 1969 mit der FDP zusammen eine Regierung bildete, war das laut Presse das Schlimmste, was Deutschland passieren konnte. Der SPD wurde die Regierungsfähigkeit abgesprochen. Und später, als die Grünen antraten, hat man ihnen die Politikfähigkeit abgesprochen, und ihr Einzug in die Parlamente war das Schlimmste, was passieren konnte. Und jetzt sind das eben wir.“
Dirk MetznerDirk Metzner, verheiratet und Vater dreier Kinder, ist 1957 in Bielefeld geboren, 1974 nach der Mittleren Reife in die Ausbildung gegangen und seither politisch interessiert und aktiv. Nach einem Jahr DKP-Mitgliedschaft trat er nach dem Ende der sozialliberalen Koalition der SPD bei.
Er ist Versicherungskaufmann und hat sich berufsbegleitend erst zum Versicherungsfachwirt und nach nachgeholtem Abitur zum Versicherungsbetriebswirt weitergebildet. 1990 ist er mit Kind und Kegel nach Dortmund gezogen und war dort und in Aachen in Sparkassen für den Versicherungsbereich zuständig. (Daher rührt unsere Falschmeldung im letzten Gegenwind, er sei Banker – Entschuldigung!)
Vor drei Jahren zog er nach Friesland und unterhielt eine Agentur der Öffentlichen Versicherung, bis er zum Ende letzten Jahres die Kündigung erhielt. Da in der Versicherungsbranche diese Form der Scheinselbständigkeit als Selbständigkeit gilt, hatte er die letzten Jahre keine Beiträge in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt und geriet deshalb unmittelbar in den Alg II-Bezug.
Aus dieser persönlichen Situation heraus interessieren ihn die Bereiche Arbeit und soziale Gerechtigkeit am meisten. Für ihn ist die Bürgerversicherung, in die alle, eben auch Selbständige, entsprechend ihrem Einkommen einzahlen, eine zentrale Forderung. Und er will, dass die „Schlupflöcher“, die es ermöglichen, immer mehr Arbeitsplätze aus der Sozialversicherungspflicht rauszunehmen, gestopft werden.
„Schröder macht CDU-Politik“, findet er. Als er im Frühjahr erstmalig von der WASG erfuhr, trat er sofort aus der SPD aus und in die WASG ein. Im Grunde seines Herzens ist er Sozialdemokrat, und bei der Wahlveranstaltung im Dreimädelhaus sagte er es auch direkt: „Ich will sozialdemokratische Politik machen.
Die gegenwärtig endlich gegebene Möglichkeit, alle linken Kräfte zu bündeln und zusammenzuschließen, gefällt ihm gut, und die mittlerweile nicht mehr nur unter vorgehaltener Hand genannte Aussicht, dass WASG und Linkspartei (die ehemalige PDS) vielleicht schon im Verlauf der kommenden Legislaturperiode sich zu einer Partei zusammentun werden, begrüßt er durchaus. In einem solchen breiten Linksbündnis hätten seiner Meinung nach auch Kommunisten ihren Platz. Als Minimalkonsens zwischen ganz links und eher rechts sieht er die Forderung nach (Wieder-)Verstaatlichung der in den letzten Jahren privatisierten Unternehmen wie Bahn und Post und nach Verstaatlichung der Energieversorgung und der Schlüsselindustrien.
Als wir mit ihm sprachen, war bei den Meinungsforschungsinstituten und folglich in den Medien erstmalig die Rede von „Rot-Rot-Grün“ gegenüber „Schwarz-Gelb“. Seither wird ja bei jeder neuen Einschätzung von einer potenziellen Koalition des linken Wahlbündnisses mit SPD und Grünen geredet. Dirk Metzner schließt so etwas für die kommende Legislaturperiode aus, hält es aber für spätere Zeiten nicht für unmöglich. Immerhin ist die SPD schon unmittelbar nach dem ersten gemeinsamen Auftritt von Gregor Gysi und Oskar Lafontaine von ihrem bis dahin streng neoliberalen Kurs ein winziges Stückchen abgerückt und hat erstmalig wieder höhere Löhne zur Stärkung der Binnennachfrage gefordert. Da schließt Dirk Metzner es nicht aus, dass die SPD unter dem Druck einer stärker werdenden linken Bewegung, wenn sie sich bei späteren Bundestagswahlen in höheren Prozentsätzen ausdrücken würde, sich wieder mehr auf sozialdemokratische Grundideen besinnen würde.

Mannomann!
Gab es sowas in der „WZ“ schon mal? Malte Kirchner hat doch tatsächlich die Contenance verloren! Der Direktkandidat der Linkspartei, WASG-Mitglied Dirk Metzner, sei „auf der Couch zur Kandidatur inspiriert“ worden; er trug nicht seine politischen Vorstellungen nicht vor, sondern „wetterte“, er blieb Antworten schuldig, er wusste nicht zu beantworten, wie ein von Kirchner wahrgenommenes Paradoxon aufzulösen sei. Und der Beitrag von WASG-Landesvorstandsmitglied Werner Dalichow bestand nach Kirchner im „Herunterbeten von Boulevardzeitungs-Schlagzeilen“.
Bis zu der Veranstaltung am 10. August, bei der die WASG sich und den Direktkandidaten vorstellte, hat die Lokalredaktion der „WZ“ die WASG weitgehend ignoriert. Sie hat Veranstaltungsankündigungen und eine kurze Pressemitteilung abgedruckt, ist aber den großen Veranstaltungen fern geblieben. Weder vor einem Jahr, als die WASG sich in Wilhelmshaven vorstellte und um Mitglieder warb, noch im April, als der namhafte Wirtschaftwissenschaftler Schui auf einer WASG-Veranstaltung sprach, war das für unser Lokalblatt interessant genug, um einen Redakteur abzuordnen und darüber zu berichten. Und auch die Wahlkampfveranstaltung am 24. August hat die „WZ“ zwar angekündigt, aber nicht besucht.
Was haben Metzner und Dalichow getan, um einen „WZ“-Schreiber so aus der Fassung zu bringen? Nichts. Ihnen gilt die Schmähung durch Kirchner eigentlich auch gar nicht.
In diesem Jahr steht zum ersten Mal seit Bestehen dieser Republik ein linkes Bündnis zur Wahl, das auch sehr große Chancen hat, in den Bundestag einzuziehen und eine Fraktion zu bilden, die sich Gehör verschaffen wird. Das erschreckt die etablierten Parteien und ihre Medien. In der überregionalen Presse wird Lafontaine verleumdet und schlecht gemacht, im Lokalteil der „WZ“ muss man sich mit Metzner und Dalichow begnügen. Wie gut, dass die beiden es gelassen sehen! (noa)

 

Links wählen!

Ich sehe im Bündnis der Linkspartei mit der WASG eine Hoffnung, nachdem SPD und Grüne nicht gehalten haben, was sie versprochen haben. Die Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe, also Hartz IV, das war ein Wortbruch von Rot-Grün.

Von der Linken im Bundestag verspreche ich mir eine Opposition, die die Fehler aufzeigt.

Günther Kraemmer, Vorsitzender der Arbeitsloseninitiative Wilhelmshaven/Friesland

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