Bundestagswahl 2005 – 1
Sep 152005
 

Dass es anders werden muss, damit es weitergehen kann wie bisher, ist das Leitmotiv der parlamentarischen Demokratie wie der Pferdepost, die ihre Zugtiere ja auch nicht wechselte, um die Route zu ändern. (Hermann Gremliza, Konkret 9/2005)

Wählen gehen?

Ist die Gegenwind-Redaktion jetzt völlig abgedreht? Ein ganzer Gegenwind voll mit Informationen über Die Linke, dem Zusammenschluss von Linkspartei/PDS und WASG?

Wir haben lange diskutiert, ob wir so etwas machen können. Das Ergebnis liegt vor Ihnen: Wir meinen, dass wir können, dass wir müssen.Die Gründe dafür sind schnell genannt: Der Gegenwind versteht sich als „Diskussionsforum der Linken“, so heißt es in unserer Präambel, der einzigen richtungweisenden Aussage, die es seit dem Bestehen des Gegenwind gibt. Und diese Diskussion über die neue Chance, linke Politik wieder organisieren zu können, sahen und sehen wir in der deutschen Presselandschaft als nicht möglich an. Wir wollen und müssen diese Debatte aber führen – wie der vorliegende Gegenwind eindringlich nachweist.
Angetreten sind SPD/CDU/FDP und noch so manche andere Gruppierung, um die Grundsätze des ‚Neoliberalismus’ in die Tat umzusetzen. Georg Fülberth, Marburger Politikprofessor dazu in ‚konkret’ 9/2005:
„Unter Neoliberalismus verstehen wir nicht so sehr einen Gesellschaftszustand als eine Strategie, die mit folgenden Mitteln arbeitet:

  1. Senkung der Einkommen-, Unternehmens-, Kapitalertrags- und Vermögenssteuern sowie der Staatsausgaben
  2. Privatisierungen öffentlichen Eigentums
  3. Deregulierung der Arbeitsbeziehungen
  4. Kürzung von Sozialausgaben, zumindest teilweiser Übergang der Funktionen sozialer Sicherung von staatlich garantierten und paritätisch organisierten Trägern an private Finanzdienstleister,
  5. Rücknahme staatlicher Investitions- und Steuerungstätigkeit und deren Ersetzung durch das laisser faire (ungefähr: das freie Spiel, Gegenwind) der (internationalen Finanz-)Märkte,
  6. Priorität der Geldwertstabilität
  7. Lohnsenkungen

Seit der letzten Bundestagswahl hat sich eigentlich nichts geändert – die CDU ist nicht wählbar, die SPD hat sich in den sieben Jahren ihrer Regierungsverantwortung zu einer mit gutem Gewissen nicht wählbaren Partei des Neoliberalismus entwickelt.
Schröder führt immer wieder in die Diskussion, dass gerade die SPD es war und ist und sein wird, die die Forderungen des Neoliberalismus mit Leben erfüllt und erfüllen wird.
Die FDP und andere Lobbyistenvereine sollten bei einer Stimmabgabe gar nicht erst in Betracht kommen, denn hier ist von linker Politik nicht ein Hauch zu spüren, im Gegenteil: Westerwelle und Co. sind angetreten, den Arbeitnehmerrechten den Garaus zu machen – und was noch schlimmer ist: Die sagen das auch noch ganz laut!
Die Grünen? Auch hier gibt es nichts Neues – die Grünen stehen immer noch für den Krieg in Jugoslawien und für Auslandseinsätze der Bundeswehr rund um den Globus. Bei den Bürgerrechten sind sie inzwischen sogar schon weit hinter die FDP zurückgefallen, und der Umweltschutz findet nur noch auf Umweltschutztagen statt. Die nationalistische Fahne wird in dieser Partei jetzt auch wieder kräftiger geschwungen, wie u.a. Ministerin Künasts Äußerung ‚Deutsche kauft deutsche Waren’ deutlich machte.
Neu im Sortiment: die Linkspartei! Ein Zusammenschluss aus der Anti-Hartz-IV-Partei WASG und der PDS. Auch diese Partei würde völlig unter den Tisch fallen, hätten sie nicht zwei Leitfiguren engagiert: Gregor Gysi und Oskar Lafontaine. Die beiden sorgen dafür, dass wieder ein wenig Salz in den tristen Bundestagsparteieneintopf eingestreut wird.
Und wie es scheint; wird diese neue Linkspartei sich auch einen Stück vom Kuchen abschneiden können – bundesweite 7-8 Prozent (manche sagen gar zweistellige Prozentzahlen voraus) sollten schon möglich sein.
Ob eine starke Linkspartei in der Konsequenz heißen muss, dass nur eine große Koalition eine regierungsfähige Mehrheit realisieren kann, muss dahingestellt bleiben. Es gibt eben auch das Koalitionsgedankenspiel ‚Rot-Rot-Grün’.
Eine große Koalition wäre natürlich entlarvend für alle und würde dazu beitragen, die nebulösen Wahlaussagen zu entschleiern. Doch auch das dürfte klar sein: Merkel und Schröder haben das gleiche Ziel (siehe die 7 Punkte des Neoliberalismus weiter oben), eine große Koalition würde der SPD mehr erlauben als eine Regierung ohne die CDU/CSU.
Gerade seit dem „Fernsehduell“ Merkel – Schröder hat auch die Angst vor einer übermächtigen CDU wieder viele WählerInnen erreicht: Um Merkel zu verhindern, das „kleinere“ Übel Schröder wählen. Dass er bzw. die SPD nicht wirklich ein kleineres Übel sind, beweisen die vergangenen 7 Jahre mit dem erbarmungslosesten sozialen Kahlschlag, den die Bundesrepublik je erlebt hat. Die Wahl, ob Merkel oder Schröder an meinen Lohn gehen, die MWSt erhöhen, oder sonst etwas – das ist doch keine Wahl!

Und warum sollte ich überhaupt ein Übel wählen? Gibt es nicht ein Menschenrecht, Scheiße nicht fressen zu müssen?

Dann gibt es für unseren Wahlkreis ja noch 2 Einzelbewerber: Claus Dieter Westerman und Günter E. Völker. Während Westerman seine stramm rechte Meinung schon bei diversen Anlässen (z.B. im Bürgerverein Bant) zum Besten gegeben hat, arbeitet Völker mehr mit den Mitteln des Briefbombardements. Völker schreibt jedem so lange Briefe über dessen Verfehlungen, dass der Angegriffene nicht einmal mehr Lust verspürt, die Briefe von Völker überhaupt noch zu öffnen. Eine erkleckliche Sammlung dieser zugegeben oftmals recht interessanten Briefe ist unter der Adresse http://www.bohrwurm.net/index.htm im Internet archiviert. Doch so etwas als Grundlage für ein Bundestagsmandat?
Man kann es drehen und wenden, wie man will, es bleibt nur ein Ausweg: Den Neoliberalen aller Parteien in den großen Zeh zwacken – Links wählen!
Unsere Empfehlung für die letzte Bundestagswahl lautete: „Wenn Sie wählen wollen, dann gehen Sie wählen; wählen Sie was sie wollen – nur machen Sie Ihr Kreuz nicht gerade bei Schill, NPD und Co. Wenn Sie nicht wählen wollen, dann gehen Sie nicht wählen und Sie können am Wahlabend sehen, dass Sie nicht alleine sind.“ (aus Gegenwind 182, September 2002)
Dem wollen wir auch in diesem Jahr nichts hinzufügen, außer dass Sie bitte für Schill einen Namen Ihrer eigenen Wahl einfügen können.

Hannes Klöpper, Redaktion Gegenwind

Links wählen!?

Ich werde auf jeden Fall links wählen! Die Linke, das ist eine historische Chance für uns. Die SPD hat den Sozialstaat zerschlagen. Gerade die SPD!
Ich hoffe, dass die Linke eine Sozialpolitik verwirklicht, in der der Mensch wieder im Mittelpunkt steht und nicht die Aktienkurse und die Dividenden.
Ich sehe viele Übereinstimmungen zwischen den Forderungen der Wilhelmshavener Alternativen Liste WALLI und denen der WASG – wir sind da schon auf der gleichen Wellenlänge.
Hartz IV muss weg, die Agenda 2010 muss weg. Diese Chance bietet nur die Linke – am wirkungsvollsten als rot-rot-grüne Koalition!

Rainer Kuffner, Betriebsrat und aktiver Unterstützer der WALLI

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