Zurück in die Zukunft
(red) Seit fast 50 Jahren träumt die hiesige Hafenwirtschaft von einem Flüssiggasterminal am Voslapper Groden. Nun könnte ihre Hoffnung sich erfüllen. Das altbekannte Mantra von Aufschwung und Arbeitsplätzen soll kritische Geister in Schach halten. In Hinblick auf eine ökologisch und ökonomisch nachhaltige Zukunft beziehen der BUND und Bündnis 90 / DIE GRÜNEN klar Stellung gegen Investitionen in eine nicht mehr zeitgemäße Brückentechnologie.
Bereits 1972 wurde in Wilhelmshaven die Deutsche Flüssigerdgas Terminal GmbH (DFTG) gegründet mit dem Ziel, einen Anlandehafen für LNG zu bauen. Seitdem steht im nördlichen Voslapper Groden ein 84 Hektar großes Grundstück für ein LNG-Terminal bereit. Die DFTG (derzeitiger Sitz: Düsseldorf) verfügt bereits über erforderliche Genehmigungen zum Bau der land- und seeseitigen Anlagen sowie Nutzungsrechte an der 1300 Meter langen Transportbrücke in die Jade.
Europaweit gibt es 30 LNG-Terminals, aber noch keines in Deutschland. Bislang bezieht Deutschland überwiegend konventionelles Erdgas aus Russland und Norwegen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier begründet die jetzigen LNG-Planungen als Brückentechnologie für den Ausstieg aus der Atomenergie (2022) und der Kohle (2038). Zudem soll die Abhängigkeit von russischen Lieferungen verringert werden. Im Gegenzug zum vorläufigen Verzicht auf höhere US-Zölle auf Autos hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker US-Präsident Donald Trump zugesagt, dass die EU den Import von Flüssiggas aus den USA erleichtern wolle. „LNG macht uns unabhängiger vom russischen Diktator Putin“ jubelt auch Rainer Kuhlmann, das Facebook-Sprachrohr der Wilhelmshavener CDU.
Anfangs wurde bestritten, dass auch Fracking-Gas aus den USA angelandet werden soll, stets war die Rede von Lieferungen aus Katar, doch nun liegen die Karten auf dem Tisch. In der vergangenen Legislaturperiode hatte sich die rot-grüne Landesregierung gegen die Förderung von Fracking-Gas aus unkonventionellen Lagerstätten in Niedersachsen ausgesprochen, da die Umweltfolgen unverantwortbar seien. Aus den USA ist bekannt, dass Fracking zu erheblichen Grundwasserkontaminationen führen kann. Weitere Gefahren entstehen durch Erdbeben und durch Verpressung des Lagerstättenwassers aus Fracking-Bohrungen in den Untergrund. Der jetzige Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) machte jedoch 2018 das Fass wieder auf und hielt Probebohrungen nicht mehr für ausgeschlossen. Laut dem Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz verstößt dies gegen den Koalitionsvertrag, indem sich die Landesregierung bekennt, dass der Schutz des Trinkwassers „absoluten Vorrang“ vor wirtschaftlichen Interessen habe.
Altmaier will den Bau von LNG-Terminals in Deutschland mit staatlichen Fördergeldern unterstützen. Zudem sollen nicht die Betreiber der Terminals den Anschluss ans Gas-Fernleitungsnetz bezahlen, sondern die Netzbetreiber. Im Gespräch sind die Standorte Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Stade. Altmaier stellt eine baldige Entscheidung in Aussicht. Niedersachsens Umweltminister (und ehemaliger Wirtschaftsminister) Olaf Lies begrüßte einen zeitnahen Bau von Flüssiggasterminals in Niedersachsen. Im eigenen Lande bleibt er jedoch seiner Ablehnung gegen das Fracking-Verfahren treu: „Die Nutzung von Erdgas aus unkonventionellen Schiefergaslagerstätten und somit auch damit verbundene Erprobungsmaßnahmen lehne ich strikt ab“. Diese Ansicht habe er seinerzeit als Wirtschaftsminister vertreten, und sie habe sich in keiner Weise verändert. Als oberste Wasserbehörde werde das Umweltministerium kein Einvernehmen zu solchen Bohrungen erteilen, kündigte Lies zudem an. (Quelle: NDR)
Der Bund für Umwelt und Naturschutz sieht im Import von LNG keine Lösung für eine nachhaltige Energiepolitik. Dazu BUND-Landesgeschäftsführerin Susanne Gerstner: „Gasförmige Energieträger wie LNG können vor allem im Verkehrssektor als Übergangstreibstoff dienen, um Umweltbelastungen durch Diesel und Schweröl zu verringern. Dennoch lehnt der BUND den Import von Flüssigerdgas über norddeutsche Häfen ab, da er die Energiewende in Niedersachsen weiter hinauszögert. Ein Import von gefracktem Gas aus den USA ist dabei völlig inakzeptabel: Was in Deutschland zu Recht verboten ist, darf auch nicht anderswo hergestellt und importiert werden.“
Auch aus ökonomischer Sicht hält Gerstner den Wechsel von einem fossilen Energieträger zu einem anderen für nicht zukunftsweisend: „Durch den Bau von LNG-Terminals wird eine Infrastruktur aufgebaut, die über Jahrzehnte bestehen bleiben wird. Selbst dann, wenn das Land seine Energieversorgung längst auf erneuerbare Energieträger umgestellt haben muss. Die Landesregierung sollte nicht den Ausbau weiterer fossiler Energieträger unterstützen, sondern nachhaltige Lösungen im Energiesektor fördern: den Ausbau von erneuerbaren Energien und die Steigerung von Energieeffizienz.“
Auch Niedersachsens Grünen-Chef Hanso Janßen stellt sich klar gegen die Anlandung von LNG in Niedersachsen: „Während sich die Landesregierung auf der einen Seite verpflichtet hat, bis spätestens zum Jahr 2050 nahezu vollständig auf erneuerbare Energien umzustellen, will sie jetzt auf der anderen Seite LNG-Terminals genau in dem Zeitraum nutzen, in dem wegen des fortschreitenden Klimawandels eine radikale Abkehr von den fossilen Brennstoffen nötig ist. Die Unterstützung von Minister Bernd Althusmann für ein vermeintliches Prestigeobjekt macht einmal mehr deutlich: Klimaschutz ist für die Landesregierung nur in Sonntagsreden wichtig, im Alltagshandeln hat Klimaschutz keinen Stellenwert.“
Ulf Berner, Sprecher des Wilhelmshavener Kreisvorstands der Grünen, lehnt die Flüssiggas-Technologie nicht kategorisch ab, setzt aber auf “Power2Gas”, auch Windgas genannt, was mittels Windenergie produziert werden kann. „Die GRÜNEN in Wilhelmshaven sind sich einig, dass der Einstieg in die fossile LNG-Technologie in eine Sackgasse führt und unter dem Deckmantel der Versorgungssicherheit unsere Zukunft verspielt wird. Die Windgas-Technologie dagegen, kann sich marktgerecht entwickeln. Dazu zu braucht es den staatlichen Willen und ein wenig Zeit zum Aufbau der Infrastruktur.“
Eine offene und konstruktive Diskussion ist bei solchen Themen in Wilhelmshaven allerdings schwierig. Stellvertretend dafür Rainer Kuhlmanns Reaktion auf kritische Stimmen in einem Facebook-Thread: „Typisch Wilhelmshavener Antworten ‚wollen wir nicht, brauchen wir nicht und überhaupt wollen wir zurück in die Steinzeit‘“. Öha.
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