Bürgerbeteiligung
Jun 011988
 

Entmündigung

Stadt erfüllt die Bedingung der WUG, das Erz-/Kohle-Vorhaben ohne Bürgerbeteiligung durchzuführen.

(buw/jm) Die Bürger informieren und mit ihnen diskutieren! Das haben sich SPD und CDU anläßlich des Erz-/ Kohleumschlagvorhabens der Wilhelmshavener Umschlag- und Verkehrsgesellschaft (WUG) auf ihre Parteifahnen geschrieben. Doch im Windschatten folgenloser Palaververanstaltungen ist die Stadtverwaltung – gestützt von einer SPD/CDU-Ratsmehrheit – dabei, die gesetzlich vorgesehene Bürgerbeteiligung an dem Planverfahren zu vereiteln.

ErzumschlagWährend der Normalbürger zuvor das Einverständnis seines Grundstücksnachbarn einholen muß, wenn er eine Garage an die Grenze setzen will, soll demnach die WUG eine staubende, lärmende und zudem noch unansehnliche Umschlaganlage in Geniusstrandnähe betreiben dürfen, ohne daß die Nachbarn für ihre Bedenken und Verbesserungsvorschläge auch nur rechtliches Gehör finden.
Als Rechtsgrundlage muß dafür eine bürgerfeindliche Anwendung des Bundesbaugesetzes herhalten, indem die Stadt mit einer reichlich eigenwilligen Auslegung des § 35 (Bauen im Außenbereich), die grundsätzlich vorgesehene Beteiligung der Bürger (§ 3) auszuhebeln versucht.
Solch eine Variante praktizierter Bürgernähe ist bisher nur aus Bayern (WAA Wackersdorf) bekannt geworden. Es drängt sich hier der Eindruck auf, daß Stadtverwaltung und Ratsmehrheit einer kapitalstarken Minderheit Spanndienste zur Durchsetzung eines generellen Ausnahmerechts für Industrieansiedlungen und Atomkraftwerke leisten. Trotz wortreicher tatsachenvernebelnder Erklärungen aus Kreisen der „Partei mit dem sozialen Gewissen“, steht jedoch der Erstellung eines Bebauungsplanes – der die Voraussetzung für die Bürgerbeteiligung bildet juristisch nichts im Wege. Im Gegenteil: Es müßte geprüft werden, ob die Stadt nicht dazu verpflichtet ist, einen Bebauungsplan zu erstellen. SPD und CDU-Führung werden auf ihren Veranstaltungen aber kaum zur Klärung der Rechtslage beitragen.Strohhalm

Sie und die Stadtverwaltung starren nur noch gebannt auf das immer tiefere Abgleiten der Stadt und greifen blindlings nach jedem erreichbaren Strohhalm. Den bietet ihnen die WUG. Er besteht aus 15(fünfzehn) Arbeitsplätzen und DM 100.000 (einhunderttausend) Gewerbesteuer jährlich (bis sie abgeschafft wird).
Das wiegt schwerer als z.B. das „Kommunalpolitische Grundsatzprogramm der SPD“, welches gleich so loslegt: „Das programmatische Ziel der SPD ist die Veränderung der bestehenden Gesellschaft zu einer neuen Gesellschaft, die für jeden einzelnen die freie Persönlichkeitsentfaltung und die selbstverantwortliche Mitwirkung am gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Leben besser als bisher gewährleistet.“
Angesichts der rauhen Wirklichkeit entpuppt sich das dann schnell als Phrasendrescherei. So ist denn auch Herbert Dannemeyer Geschäftsführer der WUG, sicher, “ … spätestens im Sommer dieses Jahres …“ (Jeversches Wochenblatt v. 22.4.88) grünes Licht für das Ansiedlungsvorhaben in Geniusstrandnähe zu erhalten. Was passieren wird, wenn die Stadt doch noch einen Bebauungsplan erstellt, hat er auch schon angekündigt: „Dann vergessen wir die ganze Sache!“
Herrn Dannemeyer treibt aber keineswegs die Sorge um, daß durch die Erstellung eines Bebauungsplanes seine Erz-/ Kohlepläne zu Fall gebracht werden könnten, denn dafür gibt es keine Gesetzesgrundlage. Er befürchtet lediglich, daß sich seine Pläne dadurch um zwei bis drei Jahre verzögern könnten und bis dahin seien ihm die Kunden weggelaufen.
Den Voslappern und Rüstersielern eröffnet sich durch die Ankündigung von Herrn Dannemeyer eine ungeahnte Möglichkeit: Gelingt es ihnen, von der Stadt die Erstellung eines Bebauungsplanes zu erwirken, dann ist das WUG-Vorhaben gescheitert. Vorausgesetzt, Herr Dannemeyer hält Wort!

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